"Das ist die Fortsetzung eines langanhaltenden Trends", sagte Thomas Glucksmann, Marketing-Chef der Börse Gatecoin. Die aktuelle Rally werde vom wachsenden Interesse spekulativ orientierter Anleger lediglich verstärkt. Außerdem interessierten sich immer mehr institutionelle Investoren für die Krypto-Währung. Die Analysten der Metzler Bank erinnerte der Bitcoin-Boom an die Tulpenmanie von 1637. Sie gilt als weltweit erste Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte. Obwohl die Bitcoin-Euphorie alle Anzeichen einer Übertreibung habe, lasse sich kaum abschätzen, wann der Boom ende, sagte Andrew Milligan, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Standard Life. "Wer sagt, dass der Kurs nicht 100.000 Dollar erreichen kann?"

Hinter Bitcoin stehen weder Regierungen noch Zentralbanken. Über den Preis entscheiden allein Angebot und Nachfrage. "Die Leute kaufen sich in eine Idee davon ein, wie diese Technologie in der Zukunft genutzt werden könnte", sagte Gatecoin-Experte Glucksmann. Bitcoin basiert auf der sogenannten Blockchain-Technologie, bei der Informationen fälschungssicher in einer Datenbank gespeichert werden. Experten zufolge könnten Blockchains zahlreiche Branchen revolutionieren. Neben der Überweisung von Geld ohne den Umweg über eine Bank könnten bei Immobiliengeschäften Notare überflüssig werden. Massentaugliche Produkte sind allerdings noch Mangelware.

ERST DER ANFANG ODER DER ANFANG VOM ENDE?



Der Aufstieg werde Bitcoin neue Käufergruppen erschließen, die auf den Express aufspringen wollten, sagte Timo Emden, Deutschland-Chef des Online-Brokers DailyFX. "Die Gefahr, dass der Bitcoin-Zug allerdings abrupt zum Stehen kommen könnte, ist nicht ausgeschlossen. Eine Ablehnung des geplanten Bitcoin-Futures durch die US-Börse CME käme einem Griff an den 'Notbremshebel' gleich." Im Dezember soll die US-Börsenaufsicht, die im Frühjahr einem börsennotierten Bitcoin-Fonds (ETF) eine Absage erteilt hatte, über den CME-Antrag entscheiden. Insidern zufolge will auch die Börse Nasdaq einen Terminkontrakt auflegen, mit dem Investoren auf steigende oder fallende Kurse wetten können.

Die Kursexplosion bei Bitcoin und anderen Cyber-Währungen schürt Sorgen vor einem weltweiten Börsencrash oder gar einer Finanzkrise 2.0. Allerdings gebe es in Deutschland keinerlei Anzeichen, dass die Spekulation mit Krypto-Währungen kreditfinanziert sei, sagte Bundesbank-Vizepräsidentin Claudia Buch. Erst wenn dies der Fall wäre, könnte das unter Umständen Folgen für die Finanzstabilität nach sich ziehen.

Philipp Sandner, Bitcoin-Experte und Professor am Frankfurt School Blockchain Center, verwies bei einer Fachkonferenz vergangene Woche auf einen weiteren Aspekt: "Das Gesamtvolumen der Dotcom-Blase war 20 bis 30 Mal höher als die aktuelle Blase bei Krypto-Währungen." Dem Branchendienst CoinMarketCap zufolge liegt der Börsenwert aller rund 1300 virtuellen Währungen bei etwa 331 Milliarden Dollar. Die Marktkapitalisierung des Elektronik-Konzerns Apple ist fast drei Mal so hoch.

MODE-ERSCHEINUNG ODER NEUE ANLAGEKLASSE?



Abgekoppelt von der Kursentwicklung ist die Zukunft von Bitcoin alles andere als klar. "Ein Finanzinstrument gefangen zwischen harscher Kritik und nicht enden wollender Euphorie", resümierten die Metzler-Analysten. Einige Experten sehen die digitale Währung schon als anerkannte eigenständige Anlageklasse, die langfristig der "Antikrisen-Währung" Gold den Rang streitig machen könnte. Auch sei ein Kurs von 50.000 Dollar durchaus möglich. Dagegen warnt die Deutsche Bank wegen der großen Kursausschläge Anleger davor, Geld in Bitcoin zu stecken. Tagesveränderungen von über zehn Prozent am Tag sind keine Seltenheit. So brach der Kurs Anfang November nach mahnenden Worten der chinesischen Notenbank binnen weniger Tage um rund 30 Prozent ein.

Zuvor hatte die Regierung in Peking bereits ihre Gangart gegenüber Börsen für Krypto-Währungen verschärft. Bitcoin & Co sind ihr ein Dorn im Auge, weil Beträge in sekundenschnelle weltweit transferiert und damit Kapitalkontrollen ausgehebelt werden können. Jamie Dimon, Chef der US-Großbank JP Morgan, bezeichnete das digitale Geld im September sogar als "Betrug". Außerdem sei die Version der Blockchain-Technologie, auf der Bitcoin basiert, veraltet, so Sol Lederer, Manager des auf Blockchain spezialisierten Softwarehauses Loomia. Der Konkurrenzdruck neuerer, ausgefeilterer Blockchains wachse. "Aber selbst wenn es zu einem Crash kommt, ist es offensichtlich, dass Bitcoin gekommen ist, um zu bleiben."