Die 68-Jährige steht vor dem heiklen Manöver, nach Jahren niedriger Zinsen im Zuge der Finanzkrise wieder auf einen normalen Kurs umschwenken zu müssen. Kritiker warnen, die für Mitte 2015 angepeilte Wende komme viel zu spät. Damit schüre Yellen Inflationsgefahren und lege die Saat für neue Spekulationsblasen an den Märkten, argumentieren ihre Gegner.

Yellen wäge Risiken und Chancen ihrer geldpolitischen Strategie aber nüchtern ab, meint der Ex-Chefvolkswirt der Fed, David Stockton. Eine höhere Inflation lasse sich mit konventionellen Mitteln leichter bekämpfen als ein erneuter Konjunktureinbruch: "Das wäre kaum noch in den Griff zu bekommen." Um die Wirtschaft zu stabilisieren, hält die Fed seit Ende 2008 die Leitzinsen in einem Korridor nahe der Null-Linie.

EZB-Chef Mario Draghi, der den Schlüsselzins im Juni auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt hat, wird am Freitag zum Mittagessen vor dem honorigen Publikum aus Zentralbankern und Wissenschaftlern sprechen. Anders als in den Vereinigten Staaten ist eine geldpolitische Normalisierung in der Euro-Zone derzeit noch kein Thema. Während die Wirtschaft in den USA rund läuft und auch der Jobmarkt wieder in Gang gekommen ist, leidet die Währungsunion von Portugal bis Finnland unter Stagnation und hoher Arbeitslosigkeit.

An den Märkten wird damit gerechnet, dass die US-Notenbank Mitte 2015 und damit vor der EZB die Zinszügel anziehen wird. Ihre Geldspritzen zum Ankurbeln der Konjunktur will Yellen im Herbst auslaufen lassen. Bis dahin wird die Fed-Bilanz noch um weitere Milliarden aufgebläht. Für den Abbau der nach der Finanzkrise auf mehr als 4,5 Billionen Dollar angeschwollenen Bilanzsumme veranschlagt Yellen bis zu acht Jahre.

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YELLEN KANN MIT IHREM THEMA GLÄNZEN

Dass die seit 1978 von der Federal-Reserve-Niederlassung in Kansas City ausgerichtete Konferenz dieses Jahr um das Thema Arbeitsmarkt kreist, kommt Yellen gelegen. Hier kann sie als ausgewiesene Expertin glänzen. Die Fed-Chefin warnt davor, nur auf sinkende Arbeitslosenquoten zu schielen. Zu viele Amerikaner müssten sich mit Teilzeitarbeit oder niedrig bezahlten Jobs durchschlagen. Außerdem macht ihr die hohe Zahl von Langzeitarbeitslosen Sorge.

Yellen hat sich für die Konferenz laut Insidern mit jeder Menge Fakten und Details munitioniert. In den wenigen Monaten an der Spitze der Notenbank hat sie den Ruf erworben, sich stets akribisch vorzubereiten. Zugleich gilt sie als zugänglicher als Vorgänger Ben Bernanke, der zusehends amtsmüde wirkte. So ist es auch zu erklären, dass der "Zentralbanker-Gipfel" voriges Jahr erstmals seit Ende der 1980er Jahre ohne einen amtierenden Fed-Chef über die Bühne ging. Auch Draghi hatte damals abgesagt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte Ende Mai erstmals eine eigene große Konferenz nach dem Vorbild von Jackson Hole veranstaltet. Zu dem Treffen der Geldpolitik-Elite im portugiesischen Sintra waren aber weder Yellen noch ihr Stellvertreter Stanley Fischer angereist.

An Prominenz mangelt es in Jackson Hole nicht. Die Bundesbank schickt ihre neue Vize-Präsidentin Claudia Buch. Sie ist für Finanzstabilität zuständig - ein Thema, das heiß diskutiert werden dürfte. Die Sorge, dass das viele billige Geld der Notenbanken zu Übertreibungen an den Märkten führen kann, beschleicht offenbar auch Yellen. Sie hatte im Juli bei einer Anhörung vor dem US-Senat überraschend gewarnt, die Bewertung einiger kleinerer Firmen sowie von Social-Media- und Biotechnologie-Unternehmen erscheine im historischen Vergleich hoch. Auch der frühere Bundesbank-Chef Axel Weber schaltete sich jüngst in die Debatte ein. Er bemängelte, dass Yellen das Ziel der Finanzstabilität nicht in ihren geldpolitischen Kompass aufnehme. Die Kritik des jetzigen Verwaltungsratchefs der Schweizer Großbank UBS wird in Jackson Hole wohl für reichlich Zündstoff sorgen.

Reuters