"Die Regulierung wird einen Teil des Unsinns aus dem Markt herausfiltern", sagt Sam Lee, Chef-Analyst der Beratungsfirma Strategic Coin. "Das gehört zum Erwachsenwerden der Anlageklasse Kryptowährungen." China hatte ICOs im Herbst 2017 komplett verboten. Die US-Börsenaufsicht SEC stoppte im Januar den Milliardenschweren Börsengang einer Cyber-Devise mit dem Hinweis, es handele sich um "offensichtlichen Schwindel". Darüber hinaus gehen SEC und die US-Derivateaufsicht CFTC gegen mehrere Personen wegen angeblicher Veruntreuung und Betrugs vor.

QUALITÄT STATT QUANTITÄT



Die Chance für mehr Seriosität und Sicherheit sind Experten zufolge aber gegeben. "Langfristig gesehen bin ich beim Thema ICO optimistisch", sagt Bart Stephens, Mitgründer des Risikokapital-Gebers Blockchain Capital. Allerdings müsse der Hype um die Blockchain-Technologie, die allen virtuellen Währungen zugrunde liegt, erst einmal abkühlen. "Die Leute sind gierig geworden." Seine Firma könnte jeden Tag Geld in 25 unterschiedliche ICOs stecken, allerdings kämen lediglich ein Prozent davon ernsthaft für ein Investment in Betracht. "Man kann nicht einfach zwei Absolventen der Standford-Universität 200 Millionen Dollar ohne irgendwelche Sicherheiten in die Hand drücken. So etwas endet schlecht."

Auch Matthew Roszak, Mitgründer der auf die Blockchain-Technologie spezialisierten Softwarefirma Bloq, erhofft sich durch eine strengere Regulierung eine größere Attraktivität der Branche für institutionelle Anleger. "Die Messlatte wird höhergelegt. Qualität wird von Bedeutung sein."

ICO - DER DIGITALE STIEFBRUDER DES BÖRSENGANGS



Dem Analysehaus Smith + Crown zufolge sammelten Start-Ups 2017 6,3 Milliarden Dollar mit Hilfe von ICOs ein. Im Jahr zuvor seien es lediglich 100 Millionen Dollar gewesen. Mit dem Kursverfall der ältesten und wichtigsten Internetwährung Bitcoin ist der Boom seit Jahresbeginn aber abgeflaut.

Anders als es die begriffliche Nähe zum Initial Public Offering (IPO) - dem Börsengang am Aktienmarkt - vermuten lässt, haben die beiden Arten der Geldbeschaffung wenig gemein. ICOs seien eher mit Crowdfunding zu vergleichen, betonen Experten. Durch die fehlende Regulierung sind Betrügereien Tür und Tor geöffnet. Investoren droht Totalverlust.

Inzwischen haben sich die Behörden zahlreicher Länder der Sache angenommen. Ihr Ziel ist es, den Auswüchsen der Spekulation Herr zu werden, ohne die Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie abzuwürgen. Auch die Finanzminister der 20 größten Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen sich bei ihrem bevorstehenden Treffen mit diesem Thema beschäftigen.

rtr