Österreichs Aktienmarkt ist deutlich besser als sein Ruf. Wenn von dort Nachrichten zu uns dringen, sind es meist negative wie etwa von der Raiffeisen Bank International (RBI), deren Börsenwert inzwischen etwa ein Viertel von Anfang 2011 ist. Faule Kredite in der Ukraine und in Russland vermiesen unter anderem die Stimmung. Voriges Jahr verbuchte das Institut mit einem Minus von 493 Millionen Euro sogar den ersten Verlust in der Unternehmensgeschichte. Die Bank hat sich daraufhin eine Schrumpfkur verschrieben und stößt nun Teile des Auslandsgeschäfts ab, doch noch herrscht große Unsicherheit, ob der Plan aufgeht und die Rückkehr zur Profitabilität gelingt. Das belastet auch den ATX, der von seinem Sommerhoch fast wieder 20 Prozent verloren hat. Allerdings liegt der Index im Vergleich zum DAX auf Jahressicht immerhin noch leicht im Plus. Und wenn man zurück ins Jahr 2000 schaut, wird man erstaunt sein. Der DAX hat seither gut 40 Prozent zugelegt. Beim ATX sind es hingegen mehr als 170 Prozent. Die jüngere Vergangenheit sieht zwar nicht so gut aus, aber kommt vom Osteuropa-Malus. Der hat dazu geführt, dass Austro-Aktien sehr günstig geworden sind. Der Buchwert des ATX liegt bei gerade einmal 0,92. Man zahlt also derzeit nicht einmal den Substanzwert der Aktien. Beim DAX hingegen liegt der Buchwert bei 1,55 und US-Aktien des S&P 500 sind mit einem Buchwert von 2,45 vergleichsweise teuer. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis von 14 sieht zwar auf den ersten Blick nicht so günstig aus. Allerdings verzerren die defizitären Banken wie RBI und Erste Bank das Bild ins Negative. Daher könnte der ATX bald wieder zu einem der Börsenstars werden.

Auch die Wirtschaft der Alpenrepublik kommt allmählich wieder in Fahrt. Im ersten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 0,2 Prozent zu, im zweiten Viertel beschleunigte sich das Wachstum auf 0,3 Prozent. Während es im Bauwesen sowie im Kredit- und Versicherungsbereich zu Wertschöpfungseinbußen kam, zieht die Industriekonjunktur mit einem Plus von 0,4 Prozent von April bis Juni wieder an. 2016 erwartet der IWF einen BIP-Anstieg um 1,6 Prozent. Auch bei vielen zuletzt angeschlagenen Unternehmen wie Wienerberger deutet sich die Wende zum Besseren an. Und Indexschwergewicht OMV leidet unter dem niedrigen Ölpreis. Anlagenbauer Andritz leidet derzeit unter den Konjunktursorgen in China: Der Konzern ist im Reich der Mitte im Bereich der Metallumformung für die Automobilund Zulieferindustrie tätig. Mit der Aktie ging es in den vergangenen drei Monaten um deutlich über 20 Prozent bergab. "Der Markt dürfte übersehen haben, dass Andritz ein Wert ist, der in einem vergleichsweise sehr geringen Ausmaß im Geschäft mit asiatischen Autos engagiert ist", heißt es in einem Researchbericht der Société Générale.

Der ATX ist eine Sünde wert. Man bekommt Topunternehmen deutlich unter Substanzwert. Ewig wird die Unterbewertung nicht anhalten. Sollten die Russland-Sanktionen gelockert werden, könnte das ein Katalysator sein.

Christian Ingerl/jk