Anleger, die sich an den Börsen der Industriestaaten engagieren, konzentrieren sich meistens nur auf die Unternehmen und analysieren deren Gewinnaussichten. Um Chancen und Risiken einer Investition in russischen Aktien einschätzen zu können, reicht Stock-Picking allein aber nicht aus. "Die Politik spielt immer wieder eine große Rolle", sagt Angelika Millendorfer, seit über 20 Jahren Managerin des Raiffeisen Russland Aktien. "Insbesondere seit der Annexion der Krim und den daraufhin erlassenen westlichen Sanktionen und Gegenreaktionen Moskaus haben Entscheidungen des Kremls die Kursentwicklung stark beeinflusst." In den vergangenen zwei Jahren verlor der in US-Dollar notierende RTS-Index 25 Prozent.

Beschleunigt wurde der Abschwung durch kräftig sinkende Rohstoffnotierungen. Russlands Finanzmarkt, aber auch die Wirtschaft werden - trotz vielfach angekündigter Diversifizierungsoffensiven der Regierung - weiterhin von Öl und Gas dominiert. Im vergangenen Jahr schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt um 3,8 Prozent", sagt Millendorfer. Auch im Jahr 2016 werde die Wirtschaft nicht wachsen. Dennoch keimt Hoffnung bei den Anlegern und in Moskau auf. Energieminister Alexander Novak ist optimistisch, dass sich die vier ölproduzierenden Staaten Russland, Saudi-Arabien, Katar und Venezuela im April auf Förderkürzungen verständigen können.

Hoffnung auf steigende Ölpreise



Experten schätzen, dass der Ölpreis bei einer Einigung bis zum Sommer wieder auf 60 Dollar klettert. Der vor Kurzem von Staatspräsident Wladimir Putin beschlossene Rückzug Russlands aus Syrien könnte entscheidend zum Gelingen des angestrebten Deals beitragen. Der Militäreinsatz hatte die Beziehungen zu Saudi-Arabien bislang stark belastet.

Die Börse in Moskau reagierte jedenfalls positiv auf Putins Entscheidung. Seit Anfang März legte der RTS-Index um über 13 Prozent zu. "Damit sich der Ölpreis nachhaltig erholt, müsste aber auch das Wachstum in China wieder anziehen", sagt Millendorfer. Dafür gibt es erste Anzeichen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat steigerte das Reich der Mitte - mittlerweile Hauptabnehmer russischer Energieexporte - im Januar die Nachfrage um 15 Prozent. Im Raiffeisen Russland Aktien sind Energiewerte wie Gazprom, Lukoil oder Surgutneftegaz mit rund mit 36 Prozent gewichtet. Auf Finanztitel entfallen derzeit 17 Prozent. Millendorfers Favorit ist die Sberbank. Der Ertrag des ebenfalls unter westlichen Sanktionen leidenden Instituts sank im vergangenen Jahr um 23 Prozent. Mittlerweile aber wurde die Anzahl fauler Kredite am gesamten Kreditvolumen gesenkt. Millendorfer rechnet im laufenden Jahr wieder mit steigenden Gewinnen.

Als aussichtsreich beurteilt die Fondsmanagerin auch das Konsumunternehmen Magnit. Russlands "Aldi" gehört zu den wenigen Profiteuren westlicher Sanktionen. Der wirtschaftliche Abschwung zwingt viele Russen billiger einzukaufen. Im Februar steigerte Magnit den Umsatz im Vergleich zum Vorjahresmonat um 20 Prozent.