€uro fondsxpress: Herr Dzhaparov, vor rund einem Jahr beschlossen die westlichen Staaten Sanktionen gegen Russland. Wie haben sich diese auf die Wirtschaft ausgewirkt?
Odeniyaz Dzhaparov: Die Folgen sind schwerwiegend, Russland befindet sich in einer tiefen Rezession. In diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt um fast drei Prozent schrumpfen. Für ein Schwellenland ist das ein dramatischer Rückgang. Allerdings hat der wirtschaftliche Abschwung in Russland schon vor dem Beginn der Ukraine-Krise eingesetzt, da notwendige Strukturreformen nicht konsequent genug in Angriff genommen wurden. Die Wachstumsraten sind daher in den vergangenen Jahren kontinuierlich gefallen. Wurde im Jahr 2007 noch ein Plus von über acht Prozent erzielt, legte das Bruttoinlandsprodukt 2013 nur noch um 1,3 Prozent zu.

Die westlichen Sanktionen haben den Abwärtstrend nun verstärkt?
Ja. Unter den aktuellen Handelsbeschränkungen leiden nicht zuletzt Unternehmen, die im Technologiebereich tätig sind. Sie sind auf Bauteile aus dem Westen angewiesen, die notwendigen Produkte lassen sich nicht so schnell substituieren. Auch die Finanzsanktionen schmerzen. Russlands Unternehmen haben keinen oder nur einen sehr erschwerten Zugang zu westlichem Kapital. Das dämpft die Investitionsbereitschaft.

Wie reagieren Russlands Konsumenten?
Die Verbraucher fahren die Ausgaben zurück beziehungsweise suchen nach günstigeren Alternativen. Darunter leiden beispielsweise die Automobilhersteller. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Verkäufe in diesem Jahr massiv zurückgegangen. Die weiteren Aussichten für Russlands Wirtschaft fallen daher trübe aus. Im kommenden Jahr wird ein Wachstumsplus von lediglich 0,7 Prozent erwartet.

Haben die Sanktionen bzw. die Gegenreaktionen der russischen Regierung auch einen positiven Effekt auf Russlands Wirtschaft?
Nur bedingt. Russlands Lebensmittelindustrie etwa profitierte von dem Verbot des Imports von westlichen Agrargütern. Unterm Strich überwiegen jedoch die negativen Konsequenzen.

Werden Handelsbeschränkungen und Finanzsanktionen Ende des Monats von den EU-Staaten verschärft?
Die Entscheidung hängt davon ab, wie die westlichen Staaten die Entwicklungen in der Ostukraine und die Rolle Russlands beurteilen. Sollte es zu einer Verschärfung kommen, würde dies Russland erneut treffen.

Der Ölpreis fiel im vergangenen Jahr um 60 Prozent auf 49 Dollar pro Barrel. Mittlerweile notiert der Rohstoff wieder bei rund 60 Dollar. Reicht dies aus, um den Negativtrend der Wirtschaft zu stoppen?
Nein, das ist weiterhin zu wenig, der russische Staatshaushalt finanziert sich ja zur Hälfte aus dem Export von Rohstoffen. Die Regierung muss nun sparen, unter anderem bei der Modernisierung der Infrastruktur. Allerdings sicherte bislang die schwache Währung den Staatshaushalt gegen den sinkenden Ölpreis ab. Da Öl in Dollar abgerechnet wird, bekommt das Land für einen Dollar mehr Rubel.

Motiviert der jüngste Einbruch beim Ölpreis die Regierung, die Abhängigkeit von Rohstoffen zu reduzieren und die Diversifizierung der russischen Wirtschaft voranzutreiben?
Die Motivation mag vorhanden sein. Aber es fehlt an der Umsetzung. Die notwendigen Maßnahmen sind schon seit Jahren überfällig. Doch viel passiert ist bislang nicht.

Die Dominanz des Staats in der Wirtschaft ist weiterhin zu hoch?
Ja, das verhindert den privatwirtschaftlichen Wettbewerb. Russland mag ja immer wieder für eine Überraschung gut sein, doch ich bin wenig optimistisch, dass der Staatseinfluss in den kommenden Monaten wesentlich reduziert wird.

Der Rubel hat sich nach einer dramatischen Talfahrt im vergangenen Jahr wieder erholt. Worauf ist die neue Stärke zurückzuführen?
In erster Linie auf den Preisanstieg beim Öl. Auch die Zinsschritte der russischen Zentralbank haben die Währung gestärkt. Der Leitzins wurde bis auf 17 Prozent angehoben. Doch dadurch haben sich Kredite enorm verteuert. Die geringe Nachfrage bekommen die Banken zu spüren. Mittlerweile steht der Leitzins jedoch wieder bei 12,5 Prozent. Weitere Senkungen im Lauf des Jahres sind möglich.

Wird dies die Kurse in Moskau nach oben ziehen?
Nicht unbedingt, mögliche Zinssenkungen sind weitgehend eingepreist.

Die Börse in Russland hat im zweiten Halbjahr 2014 über 40 Prozent verloren. Seit Jahresanfang sind die Kurse wieder deutlich gestiegen. Was hat die Anleger zum Einstieg motiviert?
Ölpreis- und Rubelerholung sowie die niedrigen Bewertungen waren bislang die wesentlichen Kurstreiber. Doch mit einem weiteren deutlichen Anstieg des Ölpreises rechne ich nicht, auch der Rubel neigt wieder zur Schwäche. Viele Titel sind zwar weiterhin billig. Das allein wird jedoch nicht ausreichen, um neue Käufer anzulocken.

Sie trauen der Börse in Moskau in diesem Jahr nicht mehr viel zu?
Die weitere Entwicklung lässt sich meiner Meinung nach nicht seri- ös prognostizieren. Dazu sind die Einflussgrößen, wie etwa neue Sanktionen, zu vielfältig. Allzu großes Potenzial sehe ich bis Ende des Jahres aber nicht mehr.

Wie reagieren Sie auf die immer wieder starken Kursschwankungen?
Wir können unter anderem die Cashquote erhöhen. Auch suchen wir nach Firmen, die hohe Dividendenrenditen aufweisen. Wie zum Beispiel Energieunternehmen. Und wir engagieren uns bei Unternehmen, denen es gelingt, trotz widriger Bedingungen ihren Marktanteil zu erhöhen. Die finden wir derzeit im Konsumbereich. Zudem setzt der Fonds auf Unternehmen mit hoher Qualität. Dieses Kriterium sehen wir unter anderem im Bankensektor erfüllt.