Return - der Investmentkommentar von Björn Drescher

"Volkswagen ist nachhaltigster Automobilkonzern der Welt: Spitzenposition im Dow Jones Sustainability Index erobert". Der stolze Eintrag auf der Internetseite der Volkswagen AG stammt vom 11. September. Da war die Welt für das Unternehmen noch in Ordnung. Wenige Tage später, ausgerechnet in der Woche, in der auf dem UN-Gipfel der Papst und 130 Staats- und Regierungschefs den Klimawandel zur Chefsache erklären, muss die Firma eingestehen, seit Jahren systematisch die Abgas-Testergebnisse von Millionen Dieselfahrzeugen manipuliert zu haben. Die griechische Dramaturgie hätte den Sturz des Helden nicht besser inszenieren können.

Nun dürfen wir auf die Urteile der Anbieter nachhaltiger (sustainable) Indizes und Fonds gespannt sein. Schließlich müssen sie entscheiden, wie sie zukünftig mit dem Wert verfahren wollen. Was auf den ersten Blick für viele Betrachter eine einfache Entscheidung zu sein scheint (schon Goethe wusste: "die Welt urteilt nach dem Scheine"), ist auf den zweiten keine und will wohl überlegt sein; - analog der jeweiligen Statuten, Selektionsfilter und Prozesse der Agenturen und Anlagegremien.

Die entscheidende Frage lautet: Was wiegt schwerer? Der aktuelle "Sündenfall" oder die übrigen, bisher unbestrittenen Verdienste des Unternehmens, beispielsweise in der Katalysatortechnik, der Entwicklung von Hybridantrieben und Elektromotoren und der Verbesserung der Verkehrssicherheit. Erklärt man den Betrug zum Ausschlusskriterium oder fühlt man sich dem "best-in-class"-Ansatz verbunden und sieht im Unternehmen trotz Täuschung, für die es bestraft werden soll, immer noch den "Einäugigen König unter den Blinden", wenn es darum geht, die Position eines Automobilkonzerns in Indizes oder Portfolien zu besetzen?

Wie das Urteil auch ausfällt, es muss gefällt und begründet werden und wird Zeugnis davon ablegen, wie konsequent und ordnungssystematisch die einzelnen Researchagenturen, Indexanbieter und Fondsmanager grundsätzlich agieren. Dabei geht es nicht um richtig oder falsch, sondern um Stringenz und Glaubwürdigkeit.

Und um das Bild der Justitia zu gebrauchen, die ihr Urteil mit verbundenen Augen trifft: Die Verantwortlichen sollten bei ihren Entscheidungen den Umstand unberücksichtigt lassen, dass die Idee nachhaltiger Investments unter dem Fall "Volkswagen" wahrscheinlich gelitten hat. Schließlich hat ein Klassenprimus getäuscht und betrogen, einer von dem es viele nicht erwartet haben und der seine Nachhaltigkeit mit Reportings (seit 2010) und Auszeichnungen vor sich hergetragen und vermarktet hat. Da könnte man vorschnell versucht sein, den Stab über dem Delinquenten zu brechen.