Herr Cielinski, die US-Notenbank Fed hat die Zinsen nun doch nicht angehoben. Wie beurteilen Sie die Begründung der Fed für ihren Schritt?


Die Fed hat die Risiken im gegenwärtigen wirtschaftlichen Umfeld und an den Finanzmärkten weltweit betont. Dabei hat sie hervorgehoben, dass diese Faktoren die ökonomischen Aktivitäten und somit wahrscheinlich die Inflation begrenzen könnten, was übrigens auch schon geschehen ist.

Hat Sie die Entscheidung denn überrascht?


Die Markterwartungen und unsere Einschätzung war, dass die Federal Reserve nicht handeln wird. So zeigten Indikatoren vor der Fed-Sitzung nur eine Chance von rund 28 Prozent an, dass die Notenbank die Zinsen anheben wird. So gesehen handelte sie daher wie erwartet. Was mehr überrascht hat, war der defensive Tonfall der Fed. Viele Marktteilnehmer sind von einem offensiveren Statement ausgegangen.

War so zu agieren denn ein Fehler?


Die Notenbank hätte standhaft bleiben müssen. Sie hatte die Chance zu agieren und tat es nicht. Diese Verzögerung wird mehr Volatilität in den Markt bringen.

Wann wird die Fed Ihrer Meinung nach die Zinsen denn anheben?


Wir erwarten immer noch, dass die Fed die Zinsen noch dieses Jahr anhebt. Der Arbeitsmarkt entwickelt sich gut, und die USA bleiben bei Weitem das stärkste der Industrieländer. Auch die Fed-Mitglieder signalisieren eine Zinserhöhung für dieses Jahr. Aber die Gefahr ist gestiegen, dass die Entscheidung auf 2016 verschoben wird. Die Herausforderung der Fed wird noch weiter verkompliziert durch die Tatsache, dass sie bislang noch nicht versucht hat, die Zinsen zu erhöhen, obwohl wir schon so spät im Konjunkturzyklus sind.

Welche US-Anleihen mögen Sie in diesem Umfeld?


Wir finden verstärkt US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating positiv. Vor allem die Bonds mit langer Laufzeit aus diesem Sektor haben sich seit 2015 unterdurchschnittlich entwickelt und sind daher nun wieder attraktiv.

Gibt es denn derzeit attraktive Anleihen in Europa?


In einem globalen Kontext sind die Renditen europäischer Anleihen kaum attraktiv. Aber negative Zinsen und das weitergehende Anleihekaufprogramm der EZB sollten den Markt unterstützen. Europäische Hochzinsanleihen haben sich sehr schlecht entwickelt und sind daher langsam wieder interessant. Und Peripherieanleihen bieten ebenfalls die Chance, dass sie sich im Vergleich zu Bundesanleihen besser entwickeln.

Sind griechische Anleihen denn nach der Parlamentswahl wieder attraktiv?


Griechische Anleihen sind ein Nischenmarkt ohne "normale" Langfristinvestoren, mit niedriger Liquidität und immer noch fragwürdigen langfristigen Fundamentaldaten. Konsequenterweise haben wir keine Pläne, derzeit in diese Bonds zu investieren. Zwar haben die Wahlen weniger Aufmerksamkeit genossen als die Anfang des Jahres. Doch die Risiken der Umsetzung des Rettungsprogramms sind durch die Wahlergebnisse selbst nicht wirklich reduziert worden.

Wie schätzen Sie Schwellenländeranleihen ein?


Schwellenländeranleihen sind generell unter Druck, auch weil sich Chinas Wirtschaftswachstum abschwächt. Dort ist die Situation zwar ungewiss, aber auf keinen Fall katastrophal. Zwar erwarten wir bei den Emerging Markets auch weiterhin Turbulenzen. Zumal auch die Währungen der Schwellenländer von ihrem Hoch rund 34 Prozent abgegeben haben und auf dem tiefsten Stand seit 2007 notieren. Doch inzwischen bieten einige ausgewählte Märkte wie mexikanische und indische Staatsanleihen durchaus wieder Einstiegschancen. Dort werden Reformen angepackt und umgesetzt. Und Ungarn und die Dominikanische Republik haben inzwischen auch die Kurve gekriegt.