Geht es nach dem Internetauftritt mancher Versicherer, dann läuft gerade eine unglaublich wichtige Frist ab: "Jetzt noch höheren Zins sichern!" (Ergo Direkt), "Jetzt ist der richtige Zeitpunkt" (LVM) oder "Jetzt mehr mitnehmen" (WWK).

Mit "jetzt" ist die Zeit bis Jahresende gemeint. Denn zum 1. Januar sinkt der gesetzliche Garantiezins von 1,75 auf 1,25 Prozent. Das ist der mittlerweile fünfte Rückgang seit dem Jahr 2000. Damals betrug der Garantiezins noch sage und schreibe vier Prozent. Zwar betrifft das nur Neuverträge - dafür aber in etlichen Sparten: Kapitallebensund private Rentenpolicen, geförderte Angebote à la Riester, Rürup und Betriebsrente, zudem Berufsunfähigkeits-, Pflegezusatz- und manche Unfallversicherungen.

Sollte man tatsächlich noch auf die Schnelle abschließen? Für die meisten besteht kein Handlungsbedarf. Warum, lässt sich am besten am Beispiel einer privaten Rentenpolice erklären. Der Garantiezins bezieht sich nicht auf die gesamten gezahlten Prämien, sondern nur auf den sogenannten Sparbeitrag, also auf Einzahlungen minus Kosten. Und Letztere sind hoch - so hoch, dass schon heute bei durchschnittlichen Verträgen nur ein Bruchteil des Garantiezinses beim Kunden landet. Das zeigen Kalkulationen von Partner in Life, einer Firma, die Lebenspolicen aufkauft und auf Basis dieser Verträge für BÖRSE ONLINE exklusiv gerechnet hat.

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Minus bei kleinen Verträgen möglich

Ergebnis: Bei Kontrakten, die eine Auszahlung von mindestens 20 000 Euro zu Vertragsende zusichern, rentiert sich jeder eingezahlte Euro lediglich mit 0,81 Prozent pro Jahr. Bei Summen unter 20 000 Euro sind es sogar nur 0,51 Prozent. Grund für die Differenz: Kleinere Summen sind relativ mit höheren Kosten belastet und haben zudem einen geringeren Zinseszinseffekt. Die Kalkulationen zeigen auch, dass Versicherte mit kleinen Verträgen bei einem Garantiezins von 1,25 Prozent sogar Geld verlieren.

Trotzdem sollten sich nur absolute Pessimisten, die glauben, dass die Marktzinsen über Jahrzehnte niedrig bleiben, noch in diesem Jahr einen Vertrag mit dem Garantiezins von 1,75 Prozent sichern. Denn so kann man zumindest nominal kein Geld verlieren. Außerdem erzielen die Lebensversicherer für ihre Kunden derzeit noch höhere Ergebnisse. Zuletzt wurde neuen Verträgen eine sogenannte Überschussbeteiligung von im Schnitt 3,4 Prozent zugeteilt - also das, was an Garantiezins plus zusätzlichen Gewinnanteilen an den Kunden ausgeschüttet wird.

Es spricht sogar einiges dafür, erst 2015 abzuschließen. Die Lebensversicherer dürfen laut Gesetz ab 1. Januar ihren Kunden nur noch 2,5 Prozent Abschlussprovision in Rechnung stellen. Bislang waren bis zu vier Prozent erlaubt. Beide Zahlen beziehen sich auf das, was der Kunde voraussichtlich in den Vertrag einzahlt. Versicherer, die ihren Vermittlern weiterhin dasselbe geben wollen, müssen die Differenz zu 2,5 Prozent künftig aus dem eigenen Gewinn beisteuern. Die gesetzliche Absenkung bedeutet folglich: Falls der Kunde kündigt, ist oft mehr im Topf.

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Fazit: Das hektische Abschließen einer Lebensversicherung wegen des sinkenden Garantiezinses ist nicht zu empfehlen. Selbst in der Branche sieht man das so: "Ich rate ab, nur deshalb zu unterschreiben", sagt etwa Alf Neumann, im Vorstand des Marktführers Allianz Leben für Privatkunden zuständig, gegenüber BÖRSE ONLINE.

Und wie steht es abseits der Kapitallebens- und Rentenversicherungen? Beispiel Berufsunfähigkeitspolicen, die Verbraucherschützer zum wichtigsten Schutz für Erwerbstätige zählen: Der Finanzdienstleister MLP hat errechnet, dass Preissteigerungen von bis zu sieben Prozent zu erwarten sind. "Die Versicherer bauen ein Finanzpolster in Höhe der voraussichtlichen Leistungen auf. Dieser Kapitalstock wird mit dem Garantiezins verzinst - je niedriger die Verzinsung, desto höher der notwendige Beitrag", erklärt MLP-Versicherungsmathematiker Christian Ball.

Der Effekt habe schon bei der letzten Senkung des Garantiezinses Anfang 2012 gegriffen und zu einer durchschnittlichen Steigerung von vier Prozent bei der sogenannten Bruttoprämie geführt - also jenem Wert, bis zu dem der Versicherer den Beitrag im Vertragsverlauf maximal steigern kann.

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Auch Pflegepolicen betroffen

Zwar hat der Informationsdienstleister Morgen & Morgen niedrigere Zahlen errechnet, wie auf dem Finanzportal finanztip.de zu lesen ist. Allerdings bezieht sich das auf die Nettoprämie, also auf das, was Kunden zurzeit bezahlen müssen. Auf lange Sicht ist die Bruttoprämie entscheidend, sodass die Berechnungen von MLP relevanter erscheinen. Hier ist also ein rascher Abschluss überlegenswert.

Unklar ist hingegen die Situation bei privaten Pflegezusatzversicherungen, etwa dem sogenannten Pflege-Bahr, und bei - wenig sinnvollen - Unfallpolicen mit Beitragsrückgew.hr. Auch bei diesen muss ein Teil der Prämien zumindest den Garantiezins erwirtschaften. Doch wie groß dieser Anteil ist und welche Finanzströme sonst noch wichtig sind, kann sich enorm unterscheiden - zwischen einzelnen Anbietern und sogar zwischen Tarifen ein und derselben Gesellschaft.