Es kommt nicht oft vor, dass sich Politiker bei der Presse für Enthüllungen bedanken. Genau das taten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande nach dem deutsch-französischen Ministerrat ganz ausdrücklich für die "Aufdeckung der Panama-Papers" mit beispiellosen Informationen über gut 200.000 Briefkastenkonten. Das gibt beiden nun die Chance, eine neue Etappe im weltweiten Kampf gegen Steuerflucht und -betrug einzuläuten. Doch das ist nur die eine Seite. Es gibt auch Risiken: Denn in den Papieren stehen Namen etlicher wichtiger Gesprächspartner von Merkel und Hollande. Sollte einer von ihnen wegen des Skandals abtreten müssen, wie dies bereits Islands Regierungschef Sigmundur David Gunnlaugsson tun müsste, könnten sich Krisen oder Konflikte verschärfen.

RISIKO CAMERON UND DER BREXIT



Besonders unter Druck steht momentan der britische Premierminister David Cameron. Vier Tage nach den Panama-Enthüllungen musste er eingestehen, dass er sich mit seiner Ehefrau an einer Briefkastenfirma seines verstorbenen Vaters beteiligt hat. Mit einer überschaubaren Summe von etwa 30.000 Pfund und steuerlich ohne jede dunklen Absichten, wie er versichert. Doch die Welle rollt schon: Cameron sieht sich mittlerweile mit ersten Rücktrittsforderungen konfrontiert, seine Position ist geschwächt. Das dürfte Merkel und Hollande nicht gefallen, denn als Nebenwirkung könnte die Kampagne des Kollegen für einen Verbleib seines Landes in der EU den entscheidenden Schlag bekommen und beim Referendum im Juni scheitern.

"Die durch die Enthüllungen um die 'Panama Papers' angeschlagene Glaubwürdigkeit des britischen Ministerpräsidenten David Cameron verschärft das Brexit-Risiko und lastet somit auf dem Wechselkurs des britischen Pfunds", beschreiben Analysten der NordLB die Folgen. "Es wäre verhängnisvoll, wenn nun ausgerechnet der unglückliche Auftritt Camerons den Ausschlag für den Brexit gäbe", folgern sie.

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RISIKO UKRAINE UND RUSSLAND



Das zweite Großrisiko, das die Panama-Papiere aufgerissen haben, heißt Ukraine. Das Land steckt in vielerlei Hinsicht fest: die Korruptionsvorwürfe werden immer lauter, die Rezession dauert an, die Waffenruhe mit den Separatisten im Osten ist brüchig, das Verhältnis zum großen Nachbarn Russland zerstört. Und zu allem Überfluss steht das Land praktisch ohne funktionsfähige Regierung da. Der wichtigste Ansprechpartner der Europäer und vermeintlich stabilste Bezugspunkt war bislang Präsident Petro Poroschenko. Dass gerade er als Briefkastenfirma-Hintermann genannt wird, macht die Lage noch explosiver. Merkel versicherte bereits vorsorglich, dass sie an ihrer Ukraine-Politik festhalten will - auf etwaige Folgen der Vorwürfe gegen Poroschenko wollte sie bislang nicht eingehen.

Auch die aus den Papieren abgeleiteten Korruptionsvorwürfe gegen das Umfeld von Russlands Präsidenten Wladimir Putin haben Sprengkraft. In den Berichten wird Putins langjähriger Freund und Pate seiner Tochter Maria, der Cellist Sergej Roldugin, mit dubiosen Geldflüssen in zwei- oder gar dreistelliger Millionenhöhe in Verbindung gebracht. Putin selbst sieht darin den Beweis, dass Feinde des Landes "versuchen, uns von innen heraus zu erschüttern, um uns gefügiger zu machen". Die Enthüllungen könnten also die gerade in der deutschen Wirtschaft erhoffte Entspannung im Verhältnis mit Moskau verhindern.

RISIKO CHINA UND ARGENTINIEN



Durch die Panama-Papiere unter Beschuss gekommen ist auch ein weiterer schwieriger, aber gleichwohl wichtiger Gesprächspartner des Westens: Chinas Präsident Xi Jingping. Dass Verwandte von ihm Briefkastenfirmen unterhalten haben sollen, stärkt nicht das Vertrauen, dass der Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft in der Volksrepublik mit großer Konsequenz geführt wird. In China selbst sind Berichte über solche Vorwürfe im Internet inzwischen blockiert.

Schließlich schauen so manche in der westlichen Finanzwelt mit gemischten Gefühlen auf Argentinien. Die Ermittlungen eines Staatsanwalts gegen Staatspräsident Mauricio Macri, der in den Panama-Papieren als Direktor einer Offshore-Firma genannt wird, sind für manche ein Schock. "Das macht uns schon große Sorgen", sagte ein Insider aus dem Club der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20). Der G20 gehört Argentinien zwar an, das Land spielt aber seit seiner Staatspleite vor fast 14 Jahren eher die Rolle eines Sorgenkindes. Von Macri erhoffen sich viele, dass er das Land wieder auf eine wirtschaftlich stabile Basis stellt und als verlässlichen Akteur in das internationale Finanzsystem zurückführt. Das, so die Befürchtung, könnte nun in Gefahr kommen.

Reuters