Seit 2013 sind Zivilprozesskosten in der Regel nicht mehr steuerlich absetzbar. Steuerzahler konnten bei Ausgaben für Scheidungsprozesse aber bereits in zwei Musterfällen Ausnahmen durchsetzen. Von Stefan Rullkötter

Rund 175 000 Ehen und amtliche Lebenspartnerschaften werden jedes Jahr in Deutschland geschieden. Zum Streit mit dem früheren Lebensgefährten kommt häufig noch Ärger mit dem Fiskus hinzu: Nach einer Gesetzesreform sind seit 2013 Zivilprozesskosten in der Regel nicht mehr steuerlich absetzbar. Ausnahmen gibt es bei Scheidungsprozessen nur, wenn es um die Lebensgrundlage der Ex-Partner geht. Aufwendungen im Zusammenhang mit einem Zivilprozess sind nur noch als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn ein Steuerzahler ohne Prozess Gefahr läuft, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine "lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können" .

Diese Auffassung der Finanzverwaltung ist jedoch nicht in Stein gemeißelt. Das Finanzgericht Rheinland war die erste Instanz, die entschied, dass Scheidungskosten in jedem Fall weiterhin als außergewöhnliche Belastung in der Steuererklärung geltend gemacht werden können. Nur Ausgaben für "Scheidungsfolgesachen" seien nicht abzugsfähig. Im konkreten Fall hatte ein geschiedener Steuerpflichtiger seine Anwalts- und Verfahrenskosten in Höhe von 2400 Euro geltend gemacht. Die im Text des Einkommensteuergesetzes neu formulierte Voraussetzung dürfe nicht zu streng interpretiert werden, befanden die Finanzrichter: Es könne durchaus existenziell sein, sich aus einer zer- rütteten Ehe zu lösen (Az. 4 K 1976/14).

Nun hat auch das Finanzgericht Münster Zweifel an der Praxis der Finanzverwaltung angemeldet: Im Einkommensteuergesetz sei nicht geregelt, was unter "Existenzgrundlage" zu verstehen ist. Die Zivilprozesskosten für ein Scheidungsverfahren seien gesetzlich nicht explizit ausgeschlossen. Deshalb gewährten die Finanzrichter einem betroffenen Geschiedenen die "Aussetzung der Vollziehung" (Az. 1 V 795/15 E). Das bedeutet, dass der Steuerzahler die Steuer für die strittigen Sachverhalte nicht bezahlen muss, bis ein Gericht entschieden hat. Zu beachten:Als abziehbar stuften die Richter Gerichts- und Anwaltskosten des Scheidungsverfahrens, nicht jedoch Scheidungsfolgesachen wie die Vermögensauseinandersetzung ein.

Vergleichbar betroffene Geschiedene, deren steuerliche Veranlagung für das Jahr, in dem sie Scheidungskosten bezahlt haben, noch offen ist, sollten unter Berufung auf die Aktenzeichen Einspruch gegen ablehnende Steuerbescheide einlegen.

Zudem können sie das Ruhen ihres Verfahrens beantragen, bis eine rechtskräftige Entscheidung in der Sache vorliegt: Zu der Rechtsfrage sind bereits zwei Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig (BFH, Az. VI R 66/14 und VI R 81/14).

Wer zusätzlich die Aussetzung der Vollziehung beantragt, hat jedoch ein erweitertes Prozessrisiko: Sollte der Bundesfinanzhof später zu Ungunsten der betroffenen Geschiedenen entscheiden, würden zusätzlich zur Steuernachforderung noch Aussetzungszinsen zum hohen Satz von sechs Prozent pro Jahr) fällig werden.