Der 62-Jährige hat sich wie kein anderer dem FC Bayern München verschrieben, diesem immer erfolgsverwöhnten Siegerverein, den viele Menschen auch weit entfernt der Stadt so lieben. Mit gerade einmal 27 Jahren begann der Welt- und Europameister seine Managerkarriere bei dem Verein. Und bis zuletzt war der Metzgersohn und spätere Wurstfabrikant stolz darauf, dass unter seiner wirtschaftlichen Leitung der Verein finanziell so gut dastand, während andere europäische Spitzenclubs Schuldenberge aufgetürmt haben.

AM ZWEITEN TAG KOMMT HEIZUNGSBAUER TREML NICHT MEHR

"Im Namen des Volkes" - so wird Heindl seinen Richterspruch beginnen. Dieses Volk ist gespalten - während, aber vor allem vor dem viertägigen Prozess vor dem Münchner Landgericht. Für die einen überstrahlten die Erfolge und die Wohltaten des Fußballmanagers mögliche Missetaten. Viele andere wollten den streitbaren Hoeneß, der einst Christoph Daum mit Randbemerkungen über dessen Kokainkonsum zu Fall brachte, schmoren sehen. Die Fans stellten sich stundenlang in die Schlange vor dem Justizpalast und streiften sich rote T-Shirts mit Aufschriften "Mia san Uli" oder "Uli Hoeneß - Legend" über. Anhänger Bernhard Treml ließ sich sogar das Konterfei seines Idols aus Solidarität auf die Wade tätowieren.

Treml hörte mit an, wie sein Vorbild am ersten Prozesstag vor Gericht einräumte, mindestens 18,5 Millionen Euro Steuern hinterzogen zu haben. Wie Hoeneß gestand, dass er ein Millionenvermögen auf einem Nummernkonto bei der Schweizer Vontobel-Bank "zum Zocken" nutzte - aus Spaß am Adrenalinkick. Wie er es heute bereue, wie sehr er und seine Familie unter dem Sturm der Entrüstung litten. Und Treml hört, wie Hoeneß beteuert, er sei trotz der hinterzogenen Millionen kein Sozialschmarotzer. Zum zweiten Prozesstag, an dem die Steuerfahndung Hoeneß' Steuerlast auf gut 27 Millionen Euro aufsummiert, kommt Heizungsbauer Treml nicht mehr.

Hoeneß hat für den Prozess getan, was man in einem solchen Fall tun konnte. Er engagierte die angesehensten Steuerstrafanwälte des Landes und einen erfahrenen Medienberater. Seine Frau Susanne begleitet ihn jeden Tag ins Gericht. Doch eines kann ihm keiner nehmen. Dieses Gefühl, das ihm jeder im Saal 134 ansehen kann: die Angst vor der JVA Landsberg am Lech. Dort müsste er im Fall einer Verurteilung ohne Bewährung einsitzen. An diesem geschichtsträchtigen Ort verbüßte Adolf Hitler seine Haft. Dort wurden nach 1945 Kriegsverbrecher hingerichtet. Hoeneß presst im Justizpalast stundenlang seine Lippen zusammen, knetet an der Armlehne.

CHAMPIONS LEAGUE SCHAFFT LINDERUNG

Am dritten Prozesstag ist die Anspannung anfangs etwas aus seinem meist geröteten Gesicht gewichen. Am Abend zuvor war er nach einem langen Prozesstag noch im Stadion. In der Allianz -Arena, für die er so leidenschaftlich stritt, bejubelte er den Einzug seiner Bayern ins Viertelfinale der Champions League.

Am nächsten Morgen im Gerichtssaal geht es nicht so streng zu wie am Vortag. Ein EDV-Experte der Steuerfahndung wird befragt. Der Mann, der zufällig den gleichen Namen wie ein prominenter Steuersünder der Vergangenheit trägt, sagt in einem Seitenaspekt eher zugunsten von Hoeneß aus. Ihm folgt ein Betriebsprüfer des Finanzamts Miesbach, der vor ein paar Jahren die Steuererklärungen des Angeklagten unter die Lupe nahm.

Der Mann wirkt freundlich, erinnert sich wohlwollend an seine Zeit in Hoeneß' Anwesen am Tegernsee. Ob er mit dem Steuerpflichtigen sich über Einzelheiten seiner - versteuerten - Finanzgeschäfte unterhalten habe, will der Richter von dem Beamten wissen. Nein. "Ich habe nur ein paar Fußballfragen gestellt", antwortet er. Fachliches habe er nur mit dem Steuerberater besprochen. Hoeneß lächelt und zieht ein, zwei Mal die Schultern nach oben wie einst Franz Josef Strauß.

Aber ihm ist klar: Der Ernst der Lage wird sehr bald zurückkehren. Am Donnerstag will Richter Heindl die Beweisaufnahme abschließen. Unter Juristen wird erwartet, dass er Verteidiger und Staatsanwalt zu den Plädoyers auffordern wird. Hoeneß sollte nicht auf Milde hoffen. Heindl erwarb sich mit seinen Urteilen einen Ruf als strenger Richter. Gleich am ersten Verhandlungstag quälte er Hoeneß mit bohrenden Nachfragen. Der Fußballmanager hatte Mühe, dem erfahrenen Wirtschaftsrichter zu folgen. Er kam aus dem Rhythmus seiner zurechtgelegten Erklärung. Sein Anwalt Hanns Feigen rüffelte ihn. "Herr Hoeneß, jetzt kommen Sie mal auf den Punkt", blaffte der Jurist. Er widersprach seinem Mandanten, als der sich einließ, Recherchen eines Reporters hätten ihn gar nicht so sehr zur Selbstanzeige angespornt. "Natürlich, da sind sie gerannt wie ein Verrückter", rief Feigen.

UNTER SPEZLN

Der Blick in die Details der komplizierten Devisentermingeschäfte, mit denen Hoeneß allein auf dem Vontobel-Konto ein Vermögen von mehr als 150 Millionen Euro anhäufte, verrät eigentlich keinen heißblütigen Spekulanten, der vom Fieber des Sekundenhandels fortgetragen wird. Hoeneß sagt zwar, es sei "der pure Kick, das pure Adrenalin" gewesen, das ihn getrieben habe. Auf 50.000 Transaktionen kam er in den Jahren zwischen 2003 und 2009. Doch die allermeisten davon liefen völlig automatisiert ab. Der Manager legte vorab die Investitionsstrategie fest und griff dann nur punktuell ein.

Der Blick in die Finanzdetails bringt vielmehr eine Zeitreise in die bessere Gesellschaft des vergangenen Jahrzehnts. Mit dem Chefdevisenhändler von Vontobel war Hoeneß befreundet, zusammen entwarfen sie die Anlagepläne. Auch bei seiner deutschen Hausbank spekulierte er mit Devisenpapieren, die traditionsreiche Münchner Reuschel-Bank bereitete alle Abrechnungen brav fürs Finanzamt auf. Die Eidgenossen belästigten ihren bayerischen Kunden hingegen nicht mit Auszügen oder Belegen. Sie fragten nicht, woher das viele Geld stammt - der Richter später allerdings auch nicht. Als ein Reporter dann die Pressestelle der Bank mit einer Anfrage aufschreckt, setzt sie Hoeneß über den Anruf ins Bilde.

Die laxe Dokumentationspraxis in der Schweiz könnte Hoeneß nun maßgeblich zum Verhängnis werden. Als er sich vor gut einem Jahr, unterstützt von seinem Steuerberater, einem Anwalt und einem befreundeten pensionierten Steuerfahnder, zu seiner Selbstanzeige durchrang, hielt er nur wenig mehr als ein paar eilig zusammengetippte Saldenlisten in Händen. Die Bank vertröstete ihn mit Details, erst gut ein Jahr später war er im Besitz der vollständigen Unterlagen - kurz vor Prozessbeginn.

LANDSBERG ODER LIGA

Das dauerte Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft zu lange, um ihn in den Genuss der Strafverschonung nach einer Selbstanzeige kommen zu lassen. Verteidiger Feigen ficht das nicht an. Mit der Selbstanzeige seien neben den verifizierten Summen auch weitere, in ihrer Höhe seinerzeit noch unbekannte Beträge abgedeckt, äußerte sich der Jurist siegessicher, der seinerzeit auch Post-Chef Klaus Zumwinkel in dessen Steuerverfahren vertrat.

Wie erwartet kommt nun alles auf die Rechtsmeinung von Richter Heindl, seiner beiden Kollegen und den zwei Schöffinnen an. Den Saal 134 ziert ein frisch renovierter Fries. Die Figuren zeigen allegorisch Epochen der abendländischen Rechtsgeschichte. Über dem Eingang, durch den Hoeneß am Donnerstag den Raum betritt, bricht ein germanischer Richter den Stab über einem Beschuldigten. Noch ist nichts entschieden, beides ist möglich: Landsberg oder Liga.

Reuters