"Alle Spekulationen mit riesigen Milliardenbeträgen sind aus der Luft gegriffen", sagte Kanzlerin Angela Merkel am Montag in Berlin. Wie Finanzminister Wolfgang Schäuble betonte sie, selbst bei einem Zahlungsstopp der Griechen sei der ausgeglichene Bundeshaushalt nicht in Gefahr. Platzen die Hilfskredite, könnten allerdings in einigen Jahren Kosten auf die Deutschen zukommen.

Merkel sagte nach einem Krisentreffen mit den Partei- und Fraktionschefs der Bundestagsparteien, Schäuble habe deutlich gemacht, dass man sich über die finanziellen Herausforderungen für Deutschland "keinerlei Sorgen zu machen braucht". So sei der Euro-Rettungsschirm EFSF auf lange Zeit finanziert: "Wenn Belastungen kommen, dann sehr spät und in überschaubarer Form."

Nach dem Scheitern der Reformverhandlungen der Euro-Zone und des IWF mit Griechenland steht das Land kurz vor der Pleite. Damit droht auch ein Zahlungsstopp für die bereits ausgezahlten Hilfskredite von fast 240 Milliarden Euro, von denen Deutschland rund 53 Milliarden verbürgt. Als weitere Ausfallrisiken kommen theoretisch weitere Posten wie der deutsche Anteil an den Forderungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EZB hinzu. Unterm Strich kommen die Volkswirte des Münchner Ifo-Instituts auf einen maximales Risiko von 87 Milliarden Euro.

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KREDITE AN GRIECHENLAND WERDEN ERST IN JAHREN FÄLLIG



Schäuble machte allerdings in einem Brief an die Bundestag-Abgeordneten klar, dass ein Zahlungsstopp der Griechen nicht auf einen Schlag und außerdem auch erst in Jahren auf den Bundesetat durchschlagen würde. So beginnt die Kreditrückzahlung erst 2020 und dauert bis in die 50er-Jahre. Zahlungsausfälle würden sich also nur schrittweise und verteilt über viele Jahre auf den Bund auswirken: "Die damit verbundenen finanziellen Herausforderungen werden die Leitlinie ausgeglichener Bundeshaushalt auf absehbare Zeit nicht gefährden", schrieb Schäuble den Parlamentariern.

Aus Sicht der Bundesregierung läuft die griechische Drohung mit einer Staatspleite damit ins Leere. Vize-Kanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Regierung in Athen vor, sie habe die Absicht gehabt, Hilfe ohne Gegenleistung zu bekommen.

SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider warnte allerdings auch vor der Illusion, ein Staatsbankrott werde Deutschland nicht belasten. "Dass das was kostet, ist vollkommen klar", sagte er der ARD.

Auch die Kurseinbrüche an den Finanzmärkten sorgten in der deutschen Politik nicht für große Unruhe. Die Börsenreaktion sei "eher psychologisch motiviert" gewesen, sagte ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums. Es werde sich schnell wieder eine rationale Betrachtung durchsetzen. Die Eskalation der Krise löste zwar ein Börsenbeben aus, aber keine Panik (ID:nL5N0ZF1KX]. Der Dax brach zunächst um 4,6 Prozent ein, lag am Nachmittag aber nur noch mit 2,3 Prozent im Minus. In Athen blieb die Börse geschlossen.

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KAUM HANDEL MIT GRIECHENLAND - BANKEN SIND LÄNGST WEG



Die Wirtschaft geht von überschaubaren Konsequenzen aus. Für die deutsche Industrie wären die unmittelbaren Folgen aufgrund des vergleichsweise geringen Handelsvolumens beschränkt, sagte Industriepräsident Ulrich Grillo. Weniger als ein Prozent der deutschen Exporte gehen in die Ägäis. Auch ein anderer Infektionskanal birgt nur noch vergleichsweise geringe Ansteckungsrisiken. So haben die deutschen Banken der Bundesbank zufolge nur noch Forderungen von 2,4 Milliarden Euro gegenüber griechischen Banken, Unternehmen und dem Staat in ihren Büchern.

Schwer einzuschätzen sind jedoch die indirekten Folgen eines Grexit, etwa wenn es doch noch zu schweren Turbulenzen an den Märkten oder zu einem rapiden Anstieg der Zinskosten anderer Euro-Länder kommt. Das gewerkschaftsnahe IMK-Institut warnte, die Krise könnte den Aufschwung in diesem und im kommenden Jahr schwer schädigen. Eine Ansteckung weiterer Länder und eine Destabilisierung der Euro-Zone seien nicht unwahrscheinlich.

Deutsche Touristen lässt die Zuspitzung der Krise bisher weitgehend unbeeindruckt. Die Marktführer TUI und Thomas Cook betonten, die bei ihnen gebuchten Pauschalreisen seien nicht beeinträchtigt. TUI rechnet unverändert damit, 2015 die Buchungszahlen des Rekordjahrs 2014 zu übertreffen. "Griechenland zählt jetzt im Sommer weiterhin zu den am stärksten gebuchten Zielen", erklärte auch DER Touristik.

Reuters