"Der Aufschwung in Deutschland gewinnt an Fahrt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Allerdings könnte die Hängepartie beim Freihandelsabkommen Ceta zwischen der EU und Kanada die Exporteure mittelfristig belasten.

Der Ifo-Index gilt als wichtigster Gradmesser für die Konjunktur in Deutschland. In den zehn Monaten dieses Jahres ging es bisher fünf Mal rauf und fünf Mal runter. Dies zeigt, dass die Stimmung der Wirtschaft auch stark von außenpolitischen Konflikten abhängt, etwa dem Syrien-Krieg und der Flüchtlingskrise, der Sorge um ein Schwächeln der chinesischen Konjunktur oder dem geplanten EU-Austritt Großbritanniens. Dennoch steckt die deutsche Wirtschaft diese globalen Herausforderungen vergleichsweise gut weg. Die Führungskräfte beurteilten im Oktober sowohl ihre Geschäftslage als auch die Aussichten für die kommenden sechs Monate günstiger als zuletzt.

Vor allem die Industrie blickt wieder optimistischer nach vorn. "Die Erwartungen stiegen auf den höchsten Wert seit mehr als zwei Jahren", erklärte das Ifo-Institut. Investitionsgüter wie Maschinen und Anlagen seien gefragt. Während das Geschäftsklima im Großhandel nachließ, stagnierte es im Einzelhandel. Zum siebten Mal in Folge hellte sich die Stimmung am Bau auf. "Das Bauhauptgewerbe eilt weiterhin von Rekord zu Rekord." Insgesamt sei die Lage am Jobmarkt vielversprechend, sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe zu Reuters. "Es wird eingestellt ohne Ende."

"RISIKOFAKTOREN PERLEN AN DEUTSCHER WIRTSCHAFT AB"



Fachleute reagierten positiv auf die Daten. "Die deutsche Konjunktur läuft wieder deutlich stärker", sagte Analystin Ulrike Kastens vom Bankhaus Sal. Oppenheim. Dies liege vor allem an der Belebung in der Industrie. "Es sieht nach einem guten Jahresendspurt aus." Auch NordLB-Experte Christian Lips gab sich optimistisch: "Die deutsche Wirtschaft steht vor einem goldenen Herbst." Dies habe auch den Aktienindex Dax auf ein neues Jahreshoch von 10.827 Punkten gehievt. "Brexit, Trump, Ceta-Hängepartie - alle vermeintlichen Risikofaktoren scheinen an der deutschen Wirtschaft geradezu abzuperlen", betonte Lips mit Blick auf das britische Anti-EU-Referendum und den republikanischen Kandidaten Donald Trump bei der anstehenden US-Präsidentenwahl.

Andere Volkswirte sind allerdings skeptischer und befürchten, dass ein Scheitern von Ceta auch das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA infragestellen könnte. "Der um sich greifende Protektionismus nimmt den deutschen Unternehmen den Wind aus den Segeln", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Auch BayernLB-Analyst Stefan Kipar macht noch "politische Fallstricke" wie das Referendum in Italien und die US-Wahl aus. "All dies dürfte die Konjunktur tendenziell belasten."

Die erste Unsicherheit nach dem Brexit-Votum haben die Unternehmen aber relativ gut verdaut. Der absehbare EU-Austritt der Briten dürfte nach Berechnungen des IW-Instituts aus Köln das deutsche Wirtschaftswachstum 2017 um rund einen Viertelprozentpunkt schmälern. Die Regierung peilt für nächstes Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von 1,4 Prozent an, nach 1,8 Prozent in diesem Jahr. Die Wirtschaft hatte Anfang 2016 um 0,7 Prozent zugelegt und im Frühjahr um 0,4 Prozent. Im abgelaufenen dritten Quartal dürfte sich das Wachstum laut Bundesbank allerdings etwas verlangsamt haben. Daten dazu werden Mitte November veröffentlicht.

rtr