In den Wahllokalen auf den abgelegenen schottischen Atlantik-Inseln bis in die städtischen Zentren wie Glasgow und Edinburgh herrschte reger Betrieb. Es wurde mit einer hohen Beteiligung gerechnet. 97 Prozent der Wahlberechtigten haben sich zur Wahl registrieren lassen. "Darauf habe ich mein ganzes Leben gewartet", sagte ein Geschäftsmann, der in seinem Wahllokal in Edinburgh als erster die Stimme abgab. "Es ist Zeit, mit England zu brechen. Ja zur Unabhängigkeit!" Unterbrochen wurde der Geschäftsmann von mehreren Arbeitern, die riefen: "Stimmt mit nein!"

Insgesamt sind knapp 4,3 Millionen Wahlberechtigte zur Entscheidung aufgerufen. International wird mit großer Spannung verfolgt, ob sich die Schotten nach mehr als 300 Jahren aus der Union mit England lösen. Die Aussicht auf ein Auseinanderbrechen der weltweit sechstgrößten Volkswirtschaft und einer Atommacht mit ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat hat weit über die Insel hinaus Besorgnis ausgelöst. Ein "Yes" zur Unabhängigkeit würde eine Reihe von Fragen aufwerfen. So ist unklar, welche Währung dann in Schottland gelten würde, was aus der EU- und Nato-Mitgliedschaft würde, wie etwa die Öl-Vorkommen in der Nordsee aufgeteilt würden und was mit der Atom-U-Boot-Flotte passiert, die derzeit in Schottland ankert. Eine Abspaltung könnte auch eine Art Domino-Effekt für weitere nach Unabhängigkeit strebende europäische Regionen wie etwa Katalonien in Spanien haben.

Die Befürworter einer Abspaltung von Großbritannien führen ins Feld, dass Schottland reif für die Selbstbestimmung ohne Einfluss der Zentralregierung in London sei. Sollte Schottland einen eigenen Weg gehen, könnte dies auch den britischen Premierminister David Cameron das Amt kosten, der es nicht geschafft hätte, Großbritannien zusammenzuhalten.

Auf Seite 2: Ex-Premier Brown - Salmond führt uns in die Falle

EX-PREMIER BROWN - SALMOND FÜHRT UNS IN DIE FALLE

"Es ist die Gelegenheit unseres Lebens, und wir müssen sie mit beiden Händen ergreifen", rief Schottlands Erster Minister Alex Salmond kurz vor Beginn des Votums hunderten Anhängern im östlichen Perth zu, die die weiß-blaue schottische Flagge schwenkten. Salmond führe die Schotten "in eine Falle" erklärte hingegen der frühere britische Premier Gordon Brown, ebenfalls ein Schotte.

Wie sehr die Schotten in der Frage gespalten sind, zeigte auch eine am Abstimmungstag veröffentlichte Umfrage des Instituts Ipsos Mori. Danach wollen 53 Prozent für einen Verbleib im Vereinigten Königreich stimmen, 47 Prozent dagegen. Dieses Ergebnis entspricht in etwa anderen Erhebungen, die in den vergangenen Tagen veröffentlicht wurden. Allerdings hatten auch rund 600.000 Wahlberechtigte erklärt, noch nicht zu wissen, wo sie ihr Kreuz machen. Zuvor hatten Umfragen zeitweise auf eine Loslösung hingedeutet.

Die Wahllokale bleiben bis 23.00 Uhr (MESZ) geöffnet. Erste Trends der Abstimmung werden in der Nacht zum Freitag erwartet, ein Ergebnis am frühen Morgen. Gegen 06.00 Uhr dürfte der Wahlausgang in den Metropolen bekanntgegeben werden. In den drei größten Städten Schottlands, Glasgow, Edinburgh und Aberdeen lebt rund ein Viertel der Stimmberechtigten.

Das Referendum war auch das zentrale Thema am Aktienmarkt. Die meisten europäischen Anleger rechneten damit, dass Schottland auch in Zukunft Teil Großbritanniens bleiben wird. Sollte sich dies am Freitag bestätigen, könnte es an den Aktienmärkten eine Erleichterungsrally geben, mutmaßten Händler in Frankfurt. Vor allem das Pfund Sterling GBP=D4 dürfte dann den zuletzt verlorengegangenen Boden wiedergutmachen. Im entgegengesetzten Fall könnte die britische Währung bis zu zehn Prozent an Wert einbüßen, warnten die Analysten der Bayern LB. Das Pfund, das seit Anfang September in der Spitze mehr als drei Prozent verloren hat, notierte am Donnerstag kaum verändert bei 1,6306 Dollar.

Reuters