Das vielleicht meistbenutzte Attribut für die Börsenentwicklung der zurückliegenden Wochen war wohl der schöne Begriff "Allzeithoch". Zumindest für die Anleger, die investiert waren und sind, sei es im DAX, Dow Jones oder Nasdaq, oder auch an den Börsen in Fernost, in China etwa. Denn ein Rekord folgte auf den anderen. Vielleicht ist auch deswegen so langsam aber sicher Vorsicht angesagt. Kurzfristig jedenfalls. Denn was die Bewertung am Markt angeht, ebenso wie den Ausblick für die Zinsen, das Wirtschaftswachstum und die Börsenpsychologie, nehmen die Warnsignale nun doch zu.

Demgegenüber steht die politische Entwicklung - gerade die in Washington. Denn die wird anscheinend immer noch als positiv für die Börse eingeschätzt, zumal in einer neulich gemachten Umfrage gleich drei Viertel der US-Anleger angaben, dass sie den Faktor Politik als ausschlaggebend für die kommenden sechs Monate an der Börse sehen. Es scheint klar: Alles was da an Vorstößen kommt in Sachen Steuer- und Fiskalpolitik dürfte für ordentlich Volatilität am Markt sorgen.

Doch zu den Warnsignalen. Natürlich kann man trefflich streiten, was denn nun eine angemessene Bewertung ist und was nicht. Und es gibt viele Methoden, wie man sie messen kann. Etwa mit dem Fair-Value-Ansatz von Morningstar, der von aktuell vier Prozent Überbewertung ausgeht. In der Vergangenheit war es eigentlich immer so, dass ab diesem Stadium weitere Kursgewinne eher schwierig zu erreichen waren.

Ein weiterer Punkt für Vorsicht ist die Zinsentwicklung. Die in den USA jedenfalls, in Europa ist ja von einer Zinswende eigentlich so gar nichts zu sehen. Auffällig ist derweil, dass der doch deutliche Anstieg der US-Renditen kaum jemanden zu kümmern scheint. Dabei war das Thema Zinswende und mögliche negative Folgen in den Jahren zuvor doch fast schon eine Obsession der Anleger. Und jetzt soll das tatsächlich keine Rolle mehr spielen? Auch nicht die sehr wahrscheinliche nächste Zinserhöhung der US-Notenbank Fed in diesem Monat? Sehr seltsam.

Nun kann man natürlich argumentieren, dass in der Anfangsphase eines Zinserhöhungszyklus die negativen Effekte für Unternehmensergebnisse und damit letztlich auch für die Bewertung der Aktien (über-)kompensiert werden durch das bessere Wirtschaftswachstum. Das ist schon korrekt. Allerdings muss man sich aktuell fragen, was denn da kurzfristig noch drin ist an positiven Konjunkturüberraschungen? Erwarten die Investoren denn nicht längst schon die beste aller Welten? Der Global Economic Surprise Index der Citigroup notiert jedenfalls so hoch wie noch nie seit der Lehman-Krise. Ist man da vielleicht nicht einen Tick zu positiv gestimmt?

Doch um es gleich mal richtig einzuordnen: Die Crash- und Rezessionsgefahr ist (noch) gering. Ebenso ist der mittelfristige Ausblick nach wie vor nicht schlecht, was auch daran liegt, dass die Entwicklung der Unternehmensergebnisse tatsächlich erfreulich ist. Letztlich geht es also zunächst darum, ob der Markt aktuell und auf Sicht von ein paar Wochen nicht überreif ist für eine nun doch etwas deutlichere Korrektur. Längerfristig wiederum geht es darum, ob die Steuer- und Fiskalpolitik - und jetzt sind wir wieder bei US-Präsident Trumps Versprechungen - so ausfallen werden, dass sie zu den inzwischen hohen Notierungen und Bewertungen passen. Also dran bleiben.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com