Um das verloren gegangene Kundenvertrauen wiederzuerlangen, werden von den Automobilherstellern teilweise kostenlose Softwareupdates durchgeführt und Prämien für den Austausch älterer Dieselmodelle gegen moderne Dieselfahrzeuge sowie für Fahrzeuge mit deutlich geringeren Emissionswerten gezahlt.

Durch die sinkende Dieselquote wird es für die Automobilhersteller schwerer, die Ziele des Pariser Klimaabkommens hinsichtlich niedrigerer CO2-Emissionen zu erfüllen. Dies liegt daran, dass Fahrzeuge mit Dieselantrieb rund 15% weniger CO2-Emissionen emittieren als vergleichbare Fahrzeuge mit Benzinantrieb. Auch die zunehmende Regulatorik mit realitätsnäheren Fahrzyklen, einer Emissionsmessung im Realbetrieb und weiter verschärfter Grenzwerte erschwert die Situation der Autoindustrie. Dies gilt für alle Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren und führt zwangsläufig zu einer Verteuerung dieser Antriebsarten. Eine Lösung über die Ausweitung alternativer Antriebsarten mit Hybrid- und Elektrofahrzeugen drängt sich auf.

Doch was bedeutet diese Entwicklung für die Zukunft der Automobilindustrie?

1. Noch verzeichnen die Hersteller steigende Absatzzahlen, und die Ergebnismargen befinden sich in der Nähe ihrer Höchststände. Die Befürchtungen deutlich sinkender Fahrzeugverkäufe haben sich trotz der Vertrauenskrise nicht bewahrheitet.

2. Sinkende Dieselquoten, drohende Fahrverbote und die Forderungen nach einem Ende des Verbrennungsmotors zwingen die Automobilindustrie zum Handeln. Nur mit einer stark steigenden Quote alternativer Antriebslösungen können die EU-Emissionsziele ab 2020/21 erfüllt werden.

3. Die Hersteller haben bereits heute eine Vielzahl von Hybridfahrzeugen und reinen Elektrofahrzeugen in der Pipeline. Ein starkes Wachstum der E-Mobilität zeichnet sich ab. Dennoch werden uns Verbrennungsmotoren noch lange begleiten.

4. Die Vorteilhaftigkeit verschiedener Antriebsarten entscheidet sich oft an der Perspektive in der vergleichenden Betrachtung. Wichtige Determinanten sind Nutzerprofile, Testumgebungen (Labor oder reale Bedingungen) sowie die Betrachtung der Emissionen (CO2, NOx, Feinstaub). Bei der Ermittlung der CO2-Emissionen werden oft nur diejenigen Werte betrachtet, welche im reinen Fahrbetrieb (Tank-to-Wheel) entstehen. So sind Elektrofahrzeuge bei diesem Ansatz völlig CO2-frei. Deutlich weiter greift der Well-to-Wheel-Ansatz, der auch die Emissionen für die Erzeugung der Energie einbezieht. Damit bleiben nur E-Fahrzeuge mit regenerativ erzeugtem Strom emissionsfrei. Durch den länderspezifischen Strommix variieren die Vorteile von E-Fahrzeuge bereits heute (Norwegen vs. Polen). Noch weiter greift die Ökobilanz, welche sämtliche Phasen über den Lebenszyklus eines Fahrzeuges hinweg betrachtet, von der Fahrzeugherstellung bis zur Entsorgung. Weiter gefasst können Ressourcenverbräuche (z.B. Wasser, Abwärme) einbezogen werden.

5. Mit der alleinigen Konzentration auf Emissionen bleiben die Kosten für den Autofahrer als entscheidender Faktor für die Wahl der Antriebsart unberücksichtigt. Auf Gesamtkostenbasis zeichnet sich ab, dass E-Fahrzeuge erst in den nächsten zehn Jahren den Tipping Point erreicht haben dürften, d.h. günstiger sein werden als Autos mit Verbrennungsmotor.

6. Hohe Investitionen und Aufwendungen für den Umbau zum umweltfreundlichen Mobilitätsdienstleister werden die Automobilhersteller in den nächsten Jahren stark belasten. Mit ihrer Innovationskraft und Kapitalstärke ist die deutsche Automobilindustrie jedoch gut gerüstet, den Strukturwandel aktiv anzugehen.

7. Neue Elektrofahrzeuge, Mobilitätsdienste, vernetzte und autonome Fahrzeuge bieten Chancen auf neue Geschäftspotenziale. Dies steht den Risiken aus dem Rückgang der Verbrennungstechnologie gegenüber. Damit dürfte zumindest ein Teil der entfallenden Arbeitsplätze für Verbrennungsmotoren kompensiert werden.

Wer das Rennen um neue Antriebe und Mobilitätskonzepte gewinnen wird, ist noch völlig offen. Die Industrie erfindet sich gerade neu. Ständig neue, negative Nachrichten über Betrugsvorwürfe und illegale Kartellabsprachen erschweren es der Branche, das verloren gegangene Vertrauen wieder zurückzugewinnen. Das lastet auf den Aktien und Bonds der Automobilhersteller und Zulieferer. Während die Aktienkurse schon seit geraumer Zeit leiden, halten sich die Bonds noch relativ stabil. Strategisch langfristig orientierten Bond-Investoren empfehlen wir, Gewinne mitzunehmen und den Sektor unterzugewichten. Zwar sehen wir nach den jüngsten Spreadausweitungen durchaus kurzfristig Tradingchancen. Die langfristigen Branchenherausforderungen dürften u.E. jedoch Auswirkungen auf Margen, Ratings und Spreads haben. Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die Underperformance am Aktienmarkt sich auch am Credit-Markt niederschlägt."



Frank Biller, Senior Analyst für Aktien und Bonds der Automobilindustrie, Research der Landesbank Baden-Württemberg