Die Öffentlichkeitsarbeit vieler Banken und ihrer Verbände funktioniert nach dem Motto: Sie ist dann gut, wenn nicht negativ berichtet wird. Erfolge sprechen sich quasi von allein bei denen herum, die es wissen müssen. Die ZEIT schrieb jüngst:

"In Deutschland herrscht eine Kultur der öffentlichen Bestrafung, die sich aus etwas typisch Deutschem speist: dem Perfektionismus. Wer groß auftritt, so die Logik, soll umso höher fallen. ---[W]ehe dem, der eine große These wagt! Das Denken in großen Zusammenhängen, das Spekulative, das Verallgemeinernde vertragen sich nicht mit dem Perfektionismus."

Diese Überlegung lässt sich fast 1:1 auf den Umgang deutscher Banken mit dem neuen Online-Bezahlsystem Paydirekt übertragen. Seit mindestens eineinhalb Jahren arbeiten die Deutsche Kreditwirtschaft (DK), Verbände und Banken an diesem dem vermeintlichen PayPal-Killer, lassen aber erst jetzt tröpfchenweise Informationen an die Öffentlichkeit. Das, was seit Monaten über Leaks an negative Stimmung verbreitet wird, dürfte so gar nicht dem Selbstverständnis der Kreditwirtschaft entsprechen. Banken inszenieren sich gern als fehlerfrei und allwissend. Die Schlagzeilen zum neuen Verfahren haben aber bisher eher eine negative Konnotation. Einige Beispiele gefällig:

  • Süddeutsche: Deutsche Paypal-Konkurrenz Es wird ein bisschen später


  • Stern: Warum deutsche Banken mit ihrer Paypal-Alternative zu spät kommen


  • Handelsblatt: Stotterstart für Paydirekt

  • Wirtschaftswoche: Gegenangriff auf PayPal wird zum Flop


  • t3n: Paydirekt - Ein Schneckenrennen Made in Germany


  • Wirtschaftswoche: Händler lehnen Online-Zahlsystem deutscher Banken ab


  • Auf Seite 2: Ein paar Fakten





    Mittlerweile kommuniziert Paydirekt über eine eigene Webseite direkt (www.paydirekt.de) und mit der Presse. So wissen wir, dass die erste erfolgreiche Kauftransaktion per Paydirekt am 17. August um 10.46 Uhr durch einen Mitarbeiter erfolgte, der eine Dartscheibe beim Online-Händler D-Living, kaufte. Wir erfahren das, weil die Transaktion tatsächlich erfolgreich gewesen ist. Wäre dabei etwas schief gegangen, hätten wir gar nichts erfahren.

    Bevor ich auf ein paar dieser negativen Erwartungen eingehe, ein paar Fakten, die aber mittlerweile auch bekannt sein dürften.

  • An Paydirekt sollen die Postbank, die Deutsche Bank, die Commerzbank, die Beteiligungsgesellschaft der privaten Banken (BGPB), die genossenschaftlichen Institute WGZ und DZ Bank und die Sparkassen über eine Beteiligungsgesellschaft, die sich noch in Gründung und Genehmigung befinden soll, partizipieren.


  • Technisch basiert der Dienst auf dem etablierten Lastschriftverfahren und ist direkt mit dem Girokonto des Zahlenden verknüpft. Fällige Beträge werden dem zugeordneten Girokonto des mit Paydirekt zahlenden Kunden belastet.


  • Die Freigabe von Zahlungen erfolgt wie bei PayPal per Benutzername und Passwort. Ob es auch wirklich so bequem wird, wird man sehen.


  • Als Starttermin wird häufig der 8. November genannt. Paydirekt selbst spricht vom Ende des Jahres. Klar ist, dass längst nicht alle Banken zum Start dabei sein können und die Zahl der Händler wohl anfangs ebenfalls überschaubar sein dürfte.


  • Was Öffentlichkeit und Beobachter als Stotterstart empfinden, drehen die Banken so um: "Wir wollen technisch sauber sein und das können wir nicht, wenn wir einen Big Bang machen. Deswegen werden wir das kontrolliert nach oben fahren." (Handelsblatt)

    Auf Seite 3: Warum Paydirekt die Konkurrenz überholen könnte





    Einige zweifeln am Erfolg und fragen sich, warum Anwender ihr Bezahlverhalten ändern sollen. Es gibt aber mindestens drei Punkte, die dazu führen könnten, dass Paydirekt zumindest in Deutschland in zwei bis drei Jahren sogar PayPal im ECommerce überholen könnte:

    1. Die Gebühren: Händler erwarten, dass das neue System deutlich billiger als PayPal wird. Allerdings müssen Händler die Gebühren jeweils direkt mit den teilnehmenden Banken und Sparkassen verhandeln.

    2. Bei Paydirekt wird sofort die Bonität des Kunden nach bankenüblichen Verfahren geprüft, was die Kosten der Nachbearbeitung senken könnte.

    3. Punkten will man mit hohen Sicherheitsstandards und Datenschutz. Die Server von Paydirekt stehen in Deutschland. Das kommt in Deutschland einerseits gut an, andererseits ist das vielen netzaffinen Nutzern egal. Wer sich den Datenschutz groß in sein Programm schreib, der muss dann natürlich auch liefern. Die Häme ist schon jetzt programmiert, wenn Sicherheitslöcher oder Datenschutztpannen bekannt werden.

    Aber apropos Deutschland. Das System ist offenbar auf Kunden und Händler mit Bankverbindung in Deutschland beschränkt. Das könnte ein Nachteil sein, wenn man große internationale Anbieter gewinnen will. Die mögen international angebotene Verfahren, wie PayPal oder Kreditkarten.

    Auf Seite 4: Kommt Paydirekt zu spät?





    Kommt Paydirekt zu spät? Eine Online Alternative der Banken kommt spät, aber nicht zu spät. Banken haben das Online-Bezahlen stark unterschätzt und spielen in dem Markt, in dem sich seit Jahren längst andere Akteure breit gemacht haben, nur noch im Hintergrund eine Rolle. Es ist daher höchste Zeit, aus dieser Defensive zu reagieren, denn längst sind die Zahlungsdienstleister dabei ihre Angebote weiter auszudehnen und mit Zusatzleistungen anzureichern.

    Skeptiker führen ins Feld, dass es mit PayPal, Sofortüberweisung, Kreditkarten und vielen anderen Zahlungsarten bereits genügend etablierte Dienste im E-Commerce gäbe und im Online-Handel zu bezahlen für Konsumenten keine Hürde mehr sei. Allerdings wird bei diesem Argument übersehen, dass trotz beeindruckender Wachstumszahlen viele Kunden immer noch nicht gern online einkaufen, u.a. weil sie die bisherigen Zahlungsverfahren nicht mögen oder ihnen nicht trauen. Laut Statista machte in Deutschland der Online-Handel im Jahr 2014 rund 11% des Einzelhandelsumsatzes aus. Hier gibt es sicher noch Potenzial nach oben.

    Ja, Paydirekt ist defensiv ausgerichtet. Es enttäuscht, dass man hier nur im ECommerce startet. Noch gibt es keine offiziellen Pläne, wann Paydirekt auch für das mobile Bezahlen verwendet werden kann. Ich bin aber ziemlich sicher, dass wir das sehen werden. Mobil Bezahlen ist aber derzeit nicht die Priorität, zumindest nicht in Deutschland. Bedauerlicher finde ich, dass man nicht Peer-2-Peer Zahlungen (also Zahlungen an andere Nutzer) bzw. ein Feature für die schnelle Rechnungsüberweisung integriert hat. Es fehlen also viele kreativere Elemente, die wir bei den FinTechs schon kennengelernt haben. Wer allerdings die Verhältnisse im deutschen Bankenwesen kennt, der sollte mit mir überrascht sein, dass eine bankübergreifende Kooperation bereits nach so kurzer Zeit ein Verfahren auf die Beine stellt.

    Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.