von Max Otte

Sehr geehrte Privatanleger,

vor vielen Jahren, so nach dem Ende der New Economy, hatte ich in meinen Seminaren einen schon älteren Rechtsanwalt, der das Investieren lernen wollte. Sein Vater habe das ganze Leben lang nur die Bayer-Aktie und deutsche Staatsanleihen gekauft. Er sei zwar insgesamt recht gut damit gefahren, aber das könne es ja wohl nicht sein.

Nun, was ist ein "sauberer Investmentprozess"?

Laut Professor Bruce Greenwald von der Columbia University beinhaltet ein solcher Prozess

1. Eine Suchstrategie

2. Robuste Bewertungsverfahren

3. Diszipliniertes Kaufen und Verkaufen

Zunächst einmal brauchen Sie eine Strategie, wo und wie Sie nach Investments suchen. Die schlechteste Strategie ist es dabei, auf Finanzmedien zu hören. Denn dann machen Sie fast immer das, was gerade Mode ist und rennen mit der Masse. Oder die Medien transportieren so viele widersprüchliche Informationen, dass es Ihnen auch nichts nützt.

Unsere Suchstrategie besteht darin, dass wir in unserer Datenbank sehr gute Unternehmen, wie zum Beispiel Fuchs Petrolub (WKN: 579040), Nestlé (WKN: A0Q4DC) oder CTS Eventim (WKN: 547030), beobachten. Leider sind diese derzeit recht teuer. Ein zweiter Teil der Strategie besteht darin, dass wir mit Hilfe der Datenanbieter in unbeliebten, hässlichen oder nicht so sichtbaren Bereichen suchen. So haben wir seit 2010 in Griechenland und Südeuropa investiert und investieren jetzt selektiv in Lateinamerika.

Mit einem robusten Bewertungsverfahren - Königsanalyse und Bestimmung des inneren Wertes - bewerten wir dann das Unternehmen. Viele Hobbyinvestoren sehen den ersten Schritt, die Suchstrategie, schon als Investmentprozess: sie haben eine Idee, die sie irgendwo aufgeschnappt haben und die sie begeistert, und sie kaufen.

Als letzten Schritt benötigt es auch diszipliniertes Kaufen und Verkaufen. Wenn durch die Suchstrategie ein Investment identifiziert wurde, das Investment bewertet wurde und es zu eine attraktiven Preis zu haben ist, kauft man. Und wenn es zu teuer geworden ist, verkauft man.

Und dann stellt sich heraus, dass der Vater unseres Anwalts eine geradezu wundervoll konsistente Investmentstrategie hatte. Er kaufte nur das, was er kannte und ließ sich durch die Finanzmedien und Gerüchte in keinerlei Weise beeinflussen: die Bayer-Aktie und die deutsche 10jährige Staatsanleihe. Das war sein Suchprozess. Als Bewertungsverfahren diente die laufende Verzinsung. War die Dividendenrendite um ein bestimmtes Maß höher als die Verzinsung der Anleihe, kaufte er die Aktie. War die Verzinsung der Anleihe um ein bestimmtes Maß höher, kaufte er die diese. Dazwischen tat er nichts. Das war sein disziplinierter Kauf- und Verkaufsprozess.

Insgesamt ein wunderbar einfacher, konsistenter und erfolgreicher Investmentprozess! Aber überhaupt nicht einfach durchzuhalten. Und sehr langweilig. Aber der Mann wollte sich nicht unterhalten, sondern Geld verdienen. Und das hat er.

Auf gute Investments,

Ihr

Prof. Dr. Max Otte