Der Nasdaq steht aktuell bei rund 4700 Punkten - und damit auf dem höchsten Stand seit sieben Jahren. Seit dem Beginn der aktuellen Rallye hat sich der Indexstand damit praktisch verdreifacht. Das letzte Mal, dass ein solcher Wert erreicht wurde, war kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahre 2000. Zum Vergleich: Der Dow Jones stieg im selben Zeitraum nur halb so stark.

Ursache für diesen Anstieg ist eine bislang noch nie dagewesene Anzahl an Finanzierungen durch Venture Capital. Laut CB Insights betrug die Finanzierung durch Risikokapital 2011 weltweit knapp 50 Milliarden US-Dollar. 2014 waren es fast 90 Milliarden Dollar. Und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2015 flossen bereits 100 Milliarden Dollar Risikokapital in Tech-Firmen. Die Mehrheit dieser Finanzierungen machen dabei große Deals aus. Während es im dritten Quartal 2014 noch 28 Finanzierungsrunden im Wert von jeweils 100 Millionen Dollar gegeben hatte, waren es im dritten Quartal 2015 bereits 68 Deals.

Diese großen Wetten haben satte Bewertungen zur Folge. Die Zahl der "unicorns" (deutsch: "Einhörner"), also Unternehmen mit einer Bewertung von über einer Milliarde Dollar, explodierte im Laufe der vergangenen sieben Jahre. Laut Credit Suisse gab es 2009 nur vier "Einhörner". Die Anzahl stiegt bis Juni 2015 auf 124 mit einer kumulierten Bewertung von 468 Milliarden Dollar. Und die Zahl wächst weiter: CB Insights berichtet, dass 46 neue "unicorns" in den vergangenen zwei Quartalen hinzukamen, womit die Anzahl auf 142 "unicorns" bis Ende Oktober 2015 stieg.

Natürlich ist es nicht alleine der enorme Anstieg des Risikokapitals, der auf eine Korrektur hindeutet. Insider beteuern regelmäßig, dass diese Investments durch starke Fundamentaldaten gerechtfertigt seien und dass hinter der Finanzierung "smart money" stecke, also clevere Profis, und eben nicht das Geld von blauäugigen Privatanlegern wie in den späten 90er Jahren. Doch schauen wir uns diese Aussagen etwas genauer an.

Die meisten "Einhörner" verlieren über die Zeit Geld. Didi Kuaidi, eine Taxi-App, die den chinesischen Markt dominiert, sammelte zu Beginn des Jahres drei Milliarden Dollar Risikokapital ein. Das war der weltweit größte Venture-Capital-Deal im dritten Quartal 2015. Didi Kuaidi-CEO Cheng Wei verkündete stolz, dass sein Unternehmen keinen Gewinnplan für die nächsten drei bis fünf Jahre habe und nennt sein Unternehmen "das Internet Start-up, das am meisten Geld verbrannt hat".

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Gewinne scheinen bei vielen Tech-Unternehmen aus der Mode zu sein



Jet.com - ein im Juli 2015 gegründetes Internetunternehmen - hat ein ambitioniertes Geschäftsmodell: Das Unternehmen hatte ursprünglich geplant, alles 10 bis 15 Prozent billiger als die Konkurrenz zu verkaufen und dies durch den jährlichen Mitgliedsbeitrag von 49,99 Dollar als einzige Gewinnquelle zu finanzieren. Nach einigen Monaten entschied sich Jet.com, die Mitgliedsbeiträge abzuschaffen und verlor so Geld bei den meisten Bestellungen.

Das Wall Street Journal berichtet, dass einer ihrer Reporter 22 Artikel für 275 US-Dollar von Jet.com kaufte, Jet.com aber viele der 22 Artikel nicht auf Lager hatte und folglich diese bei Konkurrenten kaufen musste. So betrug der Einkaufspreis der Artikel für Jet.com 518 Dollar, was dann einem Verlust von 245 Dollar für das Unternehmen entspricht. Marc Lore, der CEO von Jet.com, lässt sich davon nicht beirren: "Unterm Strich verdienen wir keinen Cent mit unseren Verkäufen. Wir geben alles an die Konsumenten zurück."

Allmähliche Risse



Beispiel Twitter: Die Bemühungen von Twitter, neue und aktive Nutzer zu gewinnen, gefährdet die Fähigkeit des Kurznachrichtendiensts neue Werbeeinnahmen zu generieren. Die Werbeeinahmen pro Nutzer sind in den letzten vier aufeinanderfolgenden Quartalen gefallen. Der Aktienkurs von Twitter brach gegenüber dem Höchstkurs um über die Hälfte ein und liegt inzwischen deutlich unter dem Emissionspreis. Zudem kündigte Twitter Mitte Oktober an, acht Prozent der Stellen zu streichen. Dennoch ist das Unternehmen noch immer mit knapp 20 Milliarden Dollar bewertet.

Beispiel Fab.com: Der Internetversandhandel Plattform Fab.com - ein ehemaliges "Einhorn" - musste massenhaft Personal entlassen, bevor es im März für eine unbekannte Summe aufgekauft wurde. Sogar der Tech-Investing Pionier Mark Cuban sieht den immer rasanteren Anstieg des Risikokapitals mit wachsender Sorge. Es gebe, mahnte er, "keine Liquidität für diese Investments".

Doch diese Zeiten nähern sich ihrem Ende.

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Vier Gründe, warum ein Platzen der Tech-Blase gut ist



Ich sage voraus, dass die Korrektur die nächsten 14 Monate, also bis Ende 2016 geschieht. Das hört sich oberflächlich zunächst wie eine schlechte Nachricht für alle an. Die Kurse der Tech-Aktien brechen ein und die Märkte werden durch die deutlichen Verluste der Indizes in Mitleidenschaften gezogen. Die Risikokapital-Finanzierung wird austrocknen und Hunderttausende werden ihre Jobs verlieren. Das ist wahrlich kein schönes Bild.

Aber es gibt Gründe, warum ein Platzen der Tech-Blase gut ist: Erstens wird das die Wettbewerbslandschaft bereinigen. Im Moment nutzen Tech-Unternehmen die Finanzierung durch Venture Capital und die hohen Bewertungen, um nicht-nachhaltige Unternehmen wie Jet.com oder Didi Kuaidi aus dem Boden zu stampfen. Diese werden im Moment belohnt für höhenflugartige Strategien und eine fragwürdige Entscheidungsfindung. In der Zwischenzeit werden die rationalen Märkte verzerrt und die traditionellen Gesellschaften werden zu minderwertigen unternehmerischen Entscheidungen gezwungen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine Korrektur wird diese Ungleichheit sehr wahrscheinlich verringern.

Zweitens werden sich die Bewertungen angleichen. Der Fahrdienst Uber ist ein großartiges Unternehmen, aber es gibt keine rationale Begründung, die eine Bewertung von 50 oder 60 Milliarden Dollar zu rechtfertigen würde. Das ist so hoch wie Honda oder DuPont, wohingegen Uber immer noch keinen Umsatz macht. Der Bilderdienst Snapchat hat 100 Millionen Nutzer, aber auch hier fällt es schwer, die Bewertung von 12 Milliarden Dollar für ein Unternehmen zu rechtfertigen, das fast keinen Umsatz macht, geschweige denn einen Gewinn.

Drittens wird anders als jetzt nur noch eine geringe Anzahl an Talenten für Tech-Start-ups und Internetgiganten arbeiten wollen. Die Unternehmen mit überzeugenden Fundamentaldaten und vernünftigen Strategien verzeichnen seit längerem einen Abgang ihrer Tech-Talente und taten sich bisher schwer, die besten Nachwuchskräfte für sich gewinnen zu können. Nach dem Platzen der Blase wird es für diese traditionellen Unternehmen einfacher, junge Talente zu rekrutieren, die ihnen helfen, die notwendige digitale Transformation zu vollziehen.

Viertens werden sich für etablierte Unternehmen Möglichkeiten bieten, neue Märkte zu erschließen. Natürlich wird das Platzen der Tech-Blase schmerzhaft. Aber auf lange Sicht wird es der Wirtschaft wie beim kontrollierten Abbrennen eines Feuers durch die Feuerwehr besser gehen. Das Verschwinden der vielen Newcomer, die die traditionellen Strukturen aufgebrochen haben, schafft Raum für die bestehenden Unternehmen, diese Strukturen selbst aufzubrechen.

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Eine neue Chance für die Etablierten



Für die traditionellen Unternehmen ist jetzt die Zeit gekommen, sich vorzubereiten. Viele "Einhörner" mögen zwar keine Geschäftsmodelle haben, die dauerhaft tragfähig sind, aber sie sind dennoch wegweisend für die Wertschöpfungsmöglichkeiten, die die Etablierten ergreifen können. Intelligente Unternehmen rüsten sich bereits jetzt durch die Schaffung einer digitalen Basis ihrer Geschäftsmodelle und sichern so ihre rasche Anpassungsfähigkeit.

Nur so können sie schnell und effektiv auf die anstehenden Marktturbulenzen reagieren. Prozesse werden digitalisiert, digitale Plattformen werden umgesetzt, die Belegschaft wird weitergebildet und die Digitalisierung wird Bestandteil ihrer Strategien. Die Digitalisierung des Markts ist unaufhaltsam, doch die absehbare Korrektur macht diese Digitalisierung noch attraktiver für die etablierten Unternehmen.

Michael Wade ist Vorsitzender des Stiftungslehrstuhls von Cisco Systems für "Digital Business Transformation" und Professor für Innovation und Strategie am IMD in Lausanne, Schweiz. Er ist zudem Direktor und Koordinator des "Digital Business Transformation"-Centers und des Programme "Leading Digital Business Transformation" (LDBT), das sich an mittlere Führungskräfte und Unternehmensführer aller Geschäftsbereiche richtet, die einen strategischen Fahrplan für die digitale Transformation ihrer Unternehmen erarbeiten möchten.