von Harald Preißler, Chefökonom und Leiter Anlagemanagement Bantleon

Für Anleger war 2014 lange Zeit in jeglicher Hinsicht erfreulich: Alle wichtigen Assetklassen lagen bis Ende Juli mehr oder weniger deutlich im Plus. Die Ukraine-Krise und die zuletzt schwachen Konjunkturdaten der Eurozone (speziell in Deutschland) forderten nunmehr aber ihr erstes Opfer. In den vergangenen Tagen erlitten die Aktienmärkte einen heftigen Rücksetzer (DAX gegenüber Hochpunkt minus 8,5 Prozent) - nur ein Zwischentief oder der Beginn einer Baisse?

Unsere weit in die Zukunft blickenden Frühindikatoren zeigen bereits seit geraumer Zeit eine Abkühlung des Wirtschaftswachstums an, die inzwischen in den offiziellen Indikatoren (z.B. Ifo-Index) zu sehen ist. Aus unserer Sicht kündigt sich aber keine Rezession, sondern nur ein Durchschnaufer im übergeordneten Aufwärtstrend an. Diesem Szenario entsprechend erwarten wir bei den Aktienmärkten mittelfristig wieder eine positive Entwicklung. Kurzfristig könnte sich die Abkühlung beim DAX zwar noch geringfügig ausweiten - auf 8500 bis 9000 Punkte. Nicht zuletzt wegen der Rückendeckung durch die EZB ist jedoch kein großer Einbruch zu befürchten. Und mit der nächsten konjunkturellen Wiederbelebung sollten die Aktienkurse neue Höchststände erklimmen. Der DAX könnte im ersten Halbjahr 2015 ein Niveau von 12 000 Punkten erreichen, der Euro Stoxx 50 Richtung 4000 Punkte marschieren.

Potenzial nach oben haben auch Rohstoffe. Obwohl deren Preise 2014, gemessen am Rogers-International-Commodity-Index, zwischenzeitlich bereits um fünf Prozent gestiegen waren, könnte eine Wiederbelebung der chinesischen beziehungsweise asiatischen Konjunkturdynamik die Preise zyklischer Rohstoffe auf Zwölfmonatssicht um weitere zehn Prozent in die Höhe treiben.

Deutliche Kursverluste sind mittelfristig bei Staatsanleihen hoher Qualität zu erwarten, weil deren Renditen schon bald steigen dürften. Zehnjährige US-Treasuries sollten zwar in den kommenden Monaten noch in ihrem seit Mitte 2013 bestehenden Seitwärtskanal zwischen 2,4 und drei Prozent verharren, in einem Jahr jedoch bereits bei 3,5 Prozent stehen. Dieser Anstieg ist deshalb wahrscheinlich, weil am Jahresende, wenn die Unternehmen ihre Lagerbestände abgebaut haben, die Konjunkturdynamik wieder zulegen sollte. Die Folge sind gleichzeitig anziehende Wachstumsund Inflationsraten und damit steigende Leitzinserwartungen sowie Renditen. Das gilt auch für deutsche Bundesanleihen. So erwarten wir zwar für das dritte Quartal bei zehnjährigen Bundesanleihen neue Tiefstände nahe einem Prozent. Sobald die Konjunktur jedoch anzieht, ist ein Zinsschub zu erwarten, der die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen bis zum Frühjahr 2015 zurück zur Zweiprozentmarke katapultieren könnte. Mitte nächsten Jahres ist sogar ein Niveau von 2,5 Prozent möglich.

Wegen der steigenden Renditeniveaus ist auch in anderen Segmenten des Anleihemarktes mit Enttäuschungen zu rechnen. So ist bei Staatsanleihen der Peripherie, bei Pfandbriefen und Unternehmensanleihen - trotz weiter sinkender Risikoprämien - auf Jahressicht eine negative Gesamtperformance wahrscheinlich. Lediglich bei High-Yield-Anleihen erwarten wir aufgrund der relativ hohen Kupons bis Mitte 2015 noch leicht positive Erträge.

Es kann aber auch ganz anders kommen, wenn unser Risikoszenario mit einem günstigeren Konjunkturverlauf eintritt: Sollte die Weltwirtschaft, angetrieben von China und den USA, stärker wachsen als in unserem Basisszenario und das jüngste Maßnahmenbündel der EZB rascher greifen, dann würde sich im zweiten Halbjahr 2014 ein globaler Aufschwung formieren, der die bestehenden Deflationsängste ersticken und stattdessen sogar Inflationsängste nähren könnte. In diesem Szenario würden zehnjährige US-Treasuries bereits Ende 2014 bei 3,5 Prozent rentieren, lang laufende Bundesanleihen bei zwei Prozent. Gleichzeitig würde der DAX schon im zweiten Halbjahr die 11 000er-Marke ins Visier nehmen. Es gilt also, wachsam zu bleiben.

Harald Preißler

ist Chief Investment Officer, Chefvolkswirt und Leiter Anlagemanagement der Bantleon Bank. Nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Würzburg arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Würzburg und Ulm. Während seiner Promotion begann er 1999 als Senior Analyst bei der Bantleon Bank in Zug. 2001 wurde er zum Leiter der Kapitalmarktanalyse, 2005 zum Chefvolkswirt ernannt.