von Axel Retz

Irgendwie erinnert das Griechenlanddebakel an Tarifverhandlungen der übleren Art: Obwohl beide Seiten wissen, dass am Ende nur ein Kompromiss die Lösung bringen kann, jagt ein Verhandlungsmarathon den nächsten; gegenseitig bezichtigt man sich der Unbeweglichkeit, stellt unerfüllbare Bedingungen und skizziert der Gegenseite die vernichtenden Folgen ihres Tuns. Das lähmt die Anleger. Dabei gibt doch auch Besseres!

Für Griechenland ist die Sache recht einfach: Angeboten werden Athen von "den Institutionen" weitere Milliarden, die das Land aber gar nicht bekommt, sondern die einfach auf die Konten eben dieser Institutionen (vornehmlich des IWF) gebucht werden. Griechenland hätte nach Auszahlung der nächsten Tranche des sgn. Rettungspakets also nicht einen einzigen Euro mehr, dafür aber noch einmal neue Schulden. Und wenn es nach dem Willen der Geldgeber geht, weitere Rentenkürzungen, Steuererhöhungen und Privatisierungen zu verkraften, um dann in ein paar Monaten wieder zum Bittsteller werden zu müssen. Dass Athen eine derartige Hilfe nicht als solche empfindet, ist nachvollziehbar.

Griechenlands Schulden, ich schreibe es schon sehr lange, kann man in den Wind schreiben. Wie hoch die Summe dabei ist, das hängt einzig davon ab, wie lange sich die Verantwortlichen dieser Erkenntnis noch verweigern. Und der im April aus dem Amt scheidende Ifo-Chef Sinn hat natürlich Recht mit dem Hinweis, dass jeder weitere Tag der Insolvenzverschleppung nur noch mehr Geld kostet.

Einen etwas hinter den Kulissen wirkenden Verbündeten hat Griechenland allemal. Die USA. Was aus dem Blickwinkel geo- und machtpolitischer Interessen nachvollziehbar ist. Den Vereinigten Staaten kann nicht daran gelegen sein, dass sich an der Südflanke der NATO Lücken öffnet und Athen sich gar dem als Erzfeind wiederbelebten Russland zuwendet. Die recht unverhohlene Drohung der USA, die Wirtschaftsbeziehungen zu Europa ggf. auf den Prüfstand zu stellen und sich vermehrt im asiatisch-pazifischen Raum zu engagieren, sollte aber nicht allzu ernst genommen werden.

Denn erstens würden sich die Vereinigten Staaten damit selbst ins Knie schießen und zweitens bildet sich im asiatisch-pazifischen Raum seit einigen Monaten ein neues Wirtschafts- und Finanzkonglomerat heraus, das sich ausdrücklich als Alternative zu Dominanz des US-Dollars, der Weltbank und des IWF sieht.

Die Chance bzw. das Risiko, dass sich Europa auf weitere Kredite für Griechenland einigt, ist daher m. E. ausgesprochen hoch, zumal Kanzlerin und Finanzminister im Falle der "Pleite" Griechenlands politisch erheblichen Schaden nähmen. Grexit oder nicht - das ist auch ein Votum über das Verhältnis Europas und der USA. Der DAX konnte sich faktisch nie aus dem Schatten des Dow Jones lösen, egal wie konträr die Wirtschaftsentwicklung der USA und Deutschlands war. Kein Gesetz der Welt aber besagt, dass die europäische und auch die deutsche Politik weiterhin ohne Selbstbewusstsein auftreten muss. Wenn die USA EU-Sanktionen gegen Russland einfordern und im Gegenzug ihren eigenen Handel mit Russland massiv ausweiten, dann passt (auch da) etwas nicht mehr im europäisch-amerikanischen Verhältnis. Oder anders gesagt: Sanktionen einzufordern, um selbst davon zu profitieren, das geht gar nicht unter Freunden. Anscheinend aber doch, Frau Merkel, Herr Schäuble, Herr Juncker und Herr Schulz.

Auf Seite 2: DAX: Bären am Elektrozaun



DAX: Bären am Elektrozaun

Wer schon wirklich einmal einen richtigen Bullen gesehen hat, der im Stall mit einem mit massiven Ketten am Nasenring in Zaum gehalten wird, der ahnt, dass 1.200 kg irritiertes Rindfleisch auch ungemütlich werden könnten. Was die Masse betrifft, sind alle auf diesem Globus lebenden vierbeinigen Rindviecher in etwa doppelt so schwer wie ihre zweibeinigen Pendants. An der Börse liegt ihr "Übergewicht" seit geraumer Zeit vergleichsweise noch viel höher als das der Bären, die am Markt so langsam Artenschutz verdient hätten. Ein wenig übersehen wird dabei, dass die Bullen ihre Dominanz vor allem aufgrund der durchaus umstrittenen Hormontherapie der Notenbanken zu verdanken haben, denen außer Gelddrucken und emsiger werdenden Diskussionen über die Abschaffung des Bargelds und Strafzinsen nichts mehr einfällt.



Quelle: www.secretz-online.de

Den DAX haben die Irrungen und Wirrungen der letzten Monate auf Konsolidierungskurs geschickt, wie es so schön heißt. Und charttechnisch nun bis auf die untere Begrenzung des seit Sommer 2011 etablierten Haussekorridors. Der so eine Art Elektrozaun für die Bären ist. Wohin die Reise von hier aus geht, hängt kurzfristig vom Thema Griechenland ab. Kommt es für die Insolvenzverschleppung zu künstlich lebensverlängernden Maßnahmen, wird es so gut wie sicher noch einmal nach oben gehen. Die Einsicht in die Hilflosigkeit der Notenbanken bei der Wirtschaftsbelebung ist mittlerweile jedoch fast omnipräsent. In den Himmel wächst hier gewiss nichts mehr. Umgekehrt wird ein Rückfall unter die genannte, jetzt angelaufene Trendgerade so gut wie sicher einen Test der 10.000er Marke provozieren. Was sollten Sie tun? Ich meine: wenn Sie keine Glaskugel haben, fast nichts. Die Leute aber, die Ihnen am "Day after" erklären werden, warum das alles ja völlig klar war und gar nicht anders kommen konnte, die sollten Sie dann vielleicht künftig einmal ignorieren. Nichts zu tun, ist manchmal eine gute Alternative. Immer nichts zu tun, nicht.

Auf Seite 3: Kupfer & Co



Kupferpreis & Co

Kupfer, von mir hier ja wiederholt vorgestellt, ist aus seiner charttechnischen "Flagge" vehement nach unten ausgebrochen. Ich hoffe, Sie haben etwas daraus mache können. Falls ja, setzen Sie jetzt Ihren Stopp auf den Kaufkurs, wenn Sie ganz vorsichtig sein wollen.



Quelle: www. secretz-online.de

Die nächste Anlaufmarke für Kupfer liegt nun bei 5.500 USD/to. Dort kann es Gegenwehr geben. Aber in einer nicht anspringen wollenden Weltwirtschaft wird diese Verteidigungslinie auf Dauer nicht halten. Und wer bei Kupfer noch nicht eingestiegen ist, sollte das unterhalb von 5.500 USD/to nachholen. Mit engem Stopp.

Kupfer, ich stelle das mal so in Raum, kann sich halbieren. Und Rohöl kann das auch. Bei 145 USD/barrel wurde uns kundgetan, dass Öl nie mehr billiger werden würde, unter 50 USD/barrel herrschte dann Katastrophenstimmung, ab 60 USD/barrel regiert nun wieder der schierer Optimismus.



Quelle: www.secretz-online.de

Gerechtfertigt ist das wohl kaum. Denn ebenso wie bei Kupfer sehen wir im seit 1998 geführten Langfristchart des Ölpreises seit Jahresbeginn eine "Aufwärtsflagge". Ich lehne mich mal ein wenig weit aus dem Fenster: Wird sie nach unten durchbrochen, wird es mit einem erneuten Test der seit 17 Jahren etablierten Aufwärtstrendlinie evtl. (ich meine: gewiss!) nicht getan sein.



Quelle. www.private-profits.de

Wie eng es hier zugeht, sehen Sie im Wochenchart: Noch ist die Aufwärtsflagge intakt. Charttechnisch muss man eingestehen, dass sie perfekt verlaufen ist. Ein Barrelpreis (Brent) unter 62 USS ist aus charttechnischem Blickwinkel nichts anderes als eine Einladung, der Folge zu leisten ist. Eintüten, engen Stopp drüber legen und als erstes Ziel die langfristige Aufwärtstrendlinie ins Visier nehmen. Wenn Sie hier mitgehen wollen: Wählen Sie bitte bei der Laufzeit nichts unter zwölf Monaten.

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

PS: Natürlich gibt es auch Ideen, wie die aktuelle Schuldenkrise und Wachstumsschwäche zu überwinden wäre. Besser gesagt, wie sich der zu befürchtende Meltdown verhindern ließe. Eine dieser Ideen stelle ich Ihnen am Samstagabend in meinem kostenlosen wöchentlichen pp-Newsletter (https://www.private-profits.de/newsletter.html) vor.

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt die Portale www.private-profits.de und www.moneyversum.de .