von Axel Retz

Heute ist es also wieder so weit: Wir begehen den Tag des Katers. Ein schönes Brauchtum, das vor allem im Rheinland viele Anhänger hat und dem ganz in der Nähe Kölns beheimateten BAYER-Konzern Jahr für Jahr einen schönen Umsatzschub beschert. Wer hinsichtlich der letzten Tage hier und da so ein paar kleine Erinnerungslücken hat, für den hier der schönste Beitrag aus einer vermutlich nicht ganz ernst gemeinten Büttenrede:

"Du fällst einfach nicht unter erfundenen Gründen in ein anderes Land ein, um dort Deine Interessen durchzusetzen." Tusch! Dieser Satz stammt von Rosenmontag. Und er stammt von US-Außenminister John Kerry. Eben jenem John Kerry, der 2002, damals noch als Senator, den Angriff auf den Irak befürwortet hat. Dass die Gründe dafür frei erfunden waren, daran hat selbst der US-Kongress keinen Zweifel gelassen, und der damalige US-Außenminister Collin Powell bezeichnete seinen kriegsvorbereitenden Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat in Nachhinein als größten "Schandfleck" seiner Laufbahn.

Als Bonmot in die Geschichte eingehen könnte aber auch US-Präsident Barack Obamas ebenfalls von Rosenmontag stammender Ausspruch, in dem er Russland "auf der falschen Seite der Geschichte" sieht. Dass diese Formulierung Klasse hat, erkenne ich neidlos an. Diese Klasse relativiert sich allerdings erheblich, wenn man sie mit einer Aussage des früheren US-Präsidenten George W. Bush unterlegt. Denn der hatte am 26. Februar 2003 das kühne Wort gesprochen "A part of history has been written by others. The rest will be written by us".

Sowohl im Fall Edward Snowden als auch in der laufenden Ukraine-Krise zeigt sich Russland allerdings durchaus daran interessiert, an diesem Rest der Geschichte ein wenig mitzuschreiben. Und in beiden Fällen tut sich Präsident Putin durchaus mit unerwartetem kaligraphischem Geschick hervor.

Niemand im Westen, der auch nur ein klein wenig von der Geschichte der Krim weiß, konnte zu irgendeinem Zeitpunkt wirklich glauben, dass Moskau seelenruhig zusehen würde, wie sich die Brüssel Einfluss auf den größten Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte erkauft. Und niemand der auch nur ein klein wenig von der Geschichte der Krim weiß, kann auch nur den Hauch eines Zweifels daran hegen, wie sich die Bewohner der Krim beim auf den 30. März vorverlegten Referendum zur Zukunft der Halbinsel aussprechen werden. Anders als die Amerikaner 2003 im Irak werden die Russen heute auf der Krim willkommen geheißen. Ob es dem Westen gefällt oder nicht.

Auf Seite 2: Krim: Kleine Halbinsel mit großer Wirkung

Krim: Kleine Halbinsel mit großer Wirkung

Bundeskanzlerin Merkels Zurückhaltung, von den USA bereits offen missbilligt, zeugt von politischer Klugheit. Davon abgesehen wissen auch Washington und die G7, dass sie es sich sehr tief ins eigene Fleisch schneiden, wenn sie nun auf einen wirkungsvollen wirtschaftlichen Isolationskurs gegenüber Russland gehen. Ein Drittel der deutschen Öl- und Gasimporte stammt aus Russland. Und macht Moskau damit Ernst, seinen Großanlegern den Verkauf aller US-Staatsanleihen zu empfehlen, wird das US-Schatzamt zur gefühlten Sauna werden, erst recht, falls China auch einmal ein paar Treasuries und Bonds verhökert. Den Lesern meines Kapitalschutz-Briefs https://www.private-profits.de/kapitalschutz-brief.html hatte ich daher am hypernervösen Montag geraten, sich mal nicht nervös machen zu lassen, Emotionen zurückzustellen und den Medien ein gerüttelt Maß an Skepsis gegenüber zu entwickeln. Früher galt, dass im Krieg zuerst die Wahrheit stirbt. Heutzutage stirbt sie schon lange vorher. Und selbst zu Friedenszeiten wird ihr von den großen Medien bestenfalls noch das künstliche Koma zugestanden. Lassen wir lieber die Fakten sprechen:

Diesen Chart will ich gar nicht erst mit irgendwelchem Gekritzel oder hinzu gefügten Indikatoren "veredeln"; er spricht für sich. Seit Ende 2000 hat der Rubel gegenüber dem Euro satte 53 Prozent eingebüßt. Und seit Ausbruch der "Ukraine-Krise" ist er auch unter das bisherige Tief von Anfang 2009 abgetaucht. Zur Stützung der Währung hat die russische Notenbank heute den Leitzins angehoben. Steigende Zinsen sind entgegen eines weit verbreiteten Vorurteils keineswegs immer Gift für den Aktienmarkt. Zumeist sind bzw. besser waren sie ja Ausdruck einer anziehenden Konjunktur. Werden die Zinsen jedoch aus Gründen wir hier nach oben gesetzt, sind sie für den Aktienmarkt so giftig wie Blausäure. Und den RTX trifft es entsprechend deutlich:

Diesen Chart hatte ich bereits am Samstag in meinem kostenlosen, wöchentlich erscheinenden pp-Newsletter abgebildet. Da war die hübsche waagerechte Unterstützung allerdings noch intakt. Als Zielzone sprach ich am Samstag von zunächst einmal 1.200 Punkten. Leser meines kostenpflichten Kapitalschutz-Briefes bekamen mein Verkaufssignal für den RTX bereits am 10. Januar bei 1.995 Punkten. Nun muss man ja nicht immer alles abonnieren, was es gibt. Mit dem kostenlosen pp-Newsletter haben Sie die Nase in jedem Falle auch schon einmal ein Stück weiter vorne (statt oben).

Wie geht es weiter? Ich weiß es nicht. (Fast) niemand kann wirklich ein Interesse daran haben, dass die Lage eskaliert. Aber es gibt eben auch Leute, die genau das wollen. Unter dem Stichwort "militärisch-industrieller Komplex" finden Sie bei Google schon einmal eine gute Einleitung. Ausführlicheres fand sich - schon wieder - in meinem kostenlosen pp-Newsletter, wo ich auch auf die warnenden Worte der ehemaligen US-Präsidenten Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy verwies. Wer Rüstungsartikel verkaufen oder ersetzen will, braucht nun einmal alles Andere als einen nur "Kalten Krieg" geschweige denn Frieden. Am Montag warnte ich davor, sich nervös machen zu lassen. Heute aber möchte ich auch davor warnen, sich in Sicherheit zu wiegen. Denn denken Sie immer an Horst Seehofers bemerkenswertesten Ausflug in die Wirklichkeit: "Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt, und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden."

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Auf dem Strich

Nun aber einmal Butter bei die Fische. Wo liegen denn die wirklichen Risiken. Und ab wann wird es eng? Dazu zuerst einmal wie gewohnt nach jedem Monats-Ultimo der Blick auf den Monatschart des Dow Jones.

Das durchaus als extrem zu bezeichnende Abwärtsrisiko an der Wall Street (das der DAX dann noch viel stärker abbilden würde), besteht unverändert fort. Wann der "Spaß" losgehen könnte, darüber entscheidet die im Chart in Rot eingezeichnete Aufwärtstrendlinie aus dem Frühjahr 2009. Und das zoomen wir uns im Wochenchart einmal etwas näher heran.

Auf zunehmenden Spaßverlust müssen sich die Bullen danach, Ukraine hin oder her, erst dann einstellen , wenn der Kurs auf Wochenschlussbasis unter die aus Frühjahr 2009 stammende Aufwärtstrendlinie fällt. Aber das sehen wir ja dann. Noch ist trotz allen Getöses alles im grünen Bereich.

Auf Seite 4: BRIC: Fast Totalausfall

BRIC: Fast Totalausfall

Während die Börsengemeinde wie gebannt auf Nachrichten von der Krim schaut, schaue ich gerne auch mal auf die nachfolgenden Charts. Die BRIC-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien und China spuken immer noch in den Köpfen der Anleger herum als die neuen Heilsbringer. Dort wird man schon alles kaufen, was wir aufgrund unserer fehlkonstruierten Wachstumsideologie, die wir nun auch noch den global kaufkraftbremsenden Wettbewerbs-Blabla ergänzt haben, sonst nicht mehr über die Theke bringen.

An diesen Mist (sorry) können nur noch Menschen wie IWF-Chefin Christine Lagarde glauben, wobei ich mir völlig sicher bin, dass sie es auch nicht tut. Ihre Reden sind wahre Perlen des politisch-ökonomischen Gefasels, Schätze unermesslichen Wertes für unsere Nachfahren, die das einmal zu bezahlen haben werden. Immer ist der Aufschwung voraus, immer bestehen erhebliche Risiken, immer darf mit Reformen nicht nachgelassen werden. Wenn sie mal abdankt, wird der nächste wohlgekleidete Sprachcomputer an ihre Stelle treten.

Den RTX hatten wir ja schon. Der BOVESPA, sieht der toll aus? 120.000 Polizisten will/muss das Land zur kommenden Fußballweltmeisterschaft aufbieten. Brasilien steht vor der sozialen Explosion. So wie China. Dass dort der Ofen ausgeht, dürfte sich herum gesprochen haben. Sehen wir uns also den letzten verbliebenen BRIC-Staat an, Indien.

Hoppla, werden Sie sagen. Und das ist auch gut so. Denn hier "knallt" es bald. Entweder mit dem Ausbruch über das seit 2008 etablierte Dreifachhoch oder aber mit dem Rückfall unter die seit 2003 bestehende Aufwärtstrendlinie.

Auf der Krim gibt es, wie ich weiß, sehr gute Musiker. Für die Weltbörsen spielt die Musik aber ganz wo anders. Setzen sich in der Ukraine "böse Mächte" durch, kippt die Sache halt früher. Ansonsten: Immer schön auf den Strich der Trendlinie im Wochenchart des Dow Jones achten!

Viel Erfolg und beste Grüße

Axel Retz

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal www.private-profits.de.

Axel Retz ist seit über 25 Jahren als Chefredakteur von Börsenmagazinen und Börsendiensten tätig und betreibt das Portal www.private-profits.de.