Der DAX kämpft weiter mit der 10000-Punkte-Marke, der S&P-500 schafft ein neues Rekordhoch. Wenn man so will, dann sind die zurückliegenden Börsentage in diesem einen Satz ganz schnell zusammengefasst. Dass die Entwicklung der Börsen hüben wie drüben dieses Jahr gewaltig auseinanderklafft, haben wir ja schon einige Male thematisiert. Mal sehen, ob dies so bleibt.

Klar, Großbritannien hat nun doch erstaunlich schnell eine neue Regierung bekommen. Und Premierministerin Theresa May hat auch ganz fix deutlich gemacht, dass es beim Brexit bleiben soll. Doch noch ist unklar, wie dieser denn ausgestaltet wird. Frau May will so schnell nicht den Antrag auf Austritt stellen, das ist inzwischen auch evident. Zeit gewinnen, die Emotionen runterfahren - so lautet wohl jetzt erst einmal die Devise. Was diese Hängepartie indes für den DAX bedeutet, ist schwer zu sagen. Vielleicht wird die britische Affäre irgendwann ignoriert, im Vertrauen darauf, dass schon vernünftige Lösungen gefunden werden.

Derweil ist der britische Leitindex FTSE-100 auf ein Jahreshoch gestiegen. Der Grund ist simpel: Die im Index zusammengefassten Unternehmen erzielen zu drei Viertel ihre Umsätze außerhalb Großbritanniens. Und da das Pfund schwächelt, hilft das natürlich gewaltig beim Absatz und beim Gewinn. Und weil die britische Notenbank, die Bank of England, außerdem geldpolitische Lockerungen in Aussicht gestellt hat, ist der Kursanstieg nicht weiter verwunderlich.

Ob dies nachhaltig ist, darf aber bezweifelt werden. Letztlich will die Insel mit Steuer-, Sozial- und Währungs-Dumping wettbewerbsfähig bleiben. Ob die derzeitige Pfund-Schwäche auch weiterhin anhält, ist ebenfalls fraglich, inzwischen scheint die Währung nämlich einen stabilen Boden gefunden zu haben.

Derweil läuft es auch an anderen Marktplätzen wieder besser. In den USA etwa, auch in Japan. Man kauft wieder Aktien. Und den Grund für den zunehmenden Risikoappetit liefert tatsächlich die Weltkonjunktur selbst. Der Arbeitsmarkt in den USA verbessert sich immer mehr, Chinas Wachstum hat sich im zweiten Quartal bei offiziell 6,7 Prozent stabilisiert, und im Euroraum signalisieren die Einkaufsmanagerindizes weiterhin gute Wachstumsperspektiven. Gleichzeitig hat die italienische Bankenkrise offensichtlich viel von ihrem Schrecken verloren. Auch wenn es fahrlässig wäre, diese Krise als tatsächlich und endgültig abgehakt zu betrachten.

In Japan wiederum hat die Regierung von Premierminister Shinzo Abe nach den gewonnenen Oberhauswahlen deutlich mehr politischen Gestaltungsspielraum. Ohnehin wurde ja schon die geplante Mehrwertsteuererhöhung auf Ende 2019 verschoben. Zudem soll die Inlandsnachfrage durch einen Nachtragshaushalt angekurbelt werden. Inzwischen geht man in Japan von einem Wirtschaftswachstum von 1,7 Prozent in diesem Jahr aus (mehr dazu auf den Seiten 20 und 21).

Bleibt die Frage, inwieweit die Vorgänge in der Türkei sich auf den Risikoappetit der internationalen Investoren auswirken. Die Börse in Istanbul jedenfalls hat darunter zu leiden - die Aktienkurse sind stark gefallen. Ebenso schwächelt die türkische Lira. Gravierende Folgen für die Börsenplätze der EU-Staaten sind jedoch bislang nicht zu beobachten. Es ist auch fraglich, ob es zu solchen kommt, sollten die Beitrittsgespräche mit der Europäischen Union platzen. Man wird sehen. Letztlich bleibt es wohl dabei, dass auch in den kommenden Wochen die US-Börse eine stetigere Entwicklung verspricht als die Märkte diesseits des Atlantiks. Dafür bieten DAX und Co vermutlich den größeren Hebel, sollten sich die aktuellen Probleme in Luft auflösen.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com