Von Prof. Ferdinand Dudenhöffer*

Es war eine Welt von schönen Werbebildern mit Jürgen Klopp, Stars und Sternchen, mit Design-Studien, die auf Hochganz-Messeständen in Frankfurt, Paris oder Genf gezeigt werden. Aber es hat nicht so richtig geholfen, wie der Vergleich mit der fast ähnlichen Marke Ford in Europa zeigt. Schöne Werbebilder verkaufen keine Autos, wenn die Wettbewerber attraktivere Fahrzeuge haben, wie etwa SUV. Beim Autokäufer steht das Produkt im Mittelpunkt und die Werbung ist die Petersilie um das Schnitzel. Petersilie allein oder zu viel Petersilie ohne richtiges Schnitzel funktionieren nicht. Und schöne Design-Studien lassen sich eben auch nicht verkaufen, sondern dazu braucht es Serienmodelle.

Opel und Ford sind beide in Europe, beide sind mit dem Brexit - der noch gar nicht da ist - konfrontiert, Ford sogar stärker, beide waren in tiefen Verlusten bis vor drei Jahren. Der Unterschied, Ford hat sich in Europa auf strenge Produktsubstanz konzentriert, hat die Finger weggelassen von hohen Eigenzulassungen, die jede Gewinnmarge zerstören, hatte keine glänzenden Messeauftritte, etwa bei der Paris Motor Show hingelegt, und hat auch nicht über den Brexit lamentiert. Die Ergebnisse der beiden unterschiedlichen Marken, die doch so ähnliche in ihren Ursprung und Müttern sind, könnten nicht unterschiedlicher sein (siehe Grafiken).




Während Ford in den beiden Jahren 2015 und 2016 in Summe 1,5 Milliarden US-Dollar Gewinn in Europa gemacht hat, mußte Opel eine Milliarde Verlust einstecken. 2,5 Milliarden Dollar Gewinnunterschied in zwei Jahren sind der Ergebnisunterschied zwischen Opel und Ford. Das Uralt-Argument, Opel wäre von GM auf Europa "gefesselt" und deshalb nicht lebensfähig, ist damit empirisch eindeutig widerlegt. Es geht, man muß es nur richtig machen. Offensichtlich war nicht nur für Detroit die Brexit-Erklärung für die erneuten Opel-Verluste wenig überzeugend. Genau deshalb ist man in Verkaufsverhandlungen mit Peugeot-Citroen eingestiegen.

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Szenario 1: Kein Verkauf - Trotzdem: "Opel bleibt nicht Opel"



Geht der Verkauf von Opel an PSA-Peugeot-Citroen schief, bleibt Opel "lame duck". Der Werbeslogan "Umparken im Kopf" wird zum "Angekommen in der Realität". Das öffentliche Renommee, mühsam aufgebaut, bleibt zu großen Teilen auf der Strecke. Die Verkaufsverhandlungen signalisieren, Opel kommt nicht aus den Problemen raus, daher will GM sich trennen. Wer kauft schon gerne eine Marke, die Probleme hat. Wer kauft ein langlebendes Produkt, wie ein Auto, bei dem man nicht genau weiß, wie die Zukunft der Marke aussieht. Das kann man nicht so leicht mit einem neuen Werbespruch übertünchen.

Die alten Probleme liegen wieder auf dem Tisch. Und Käufer haben ein Elefantengedächtnis. Also muß man Kunden mit noch höheren Rabatten, mit noch höheren Eigenzulassungen locken. Also wird die Gewinnschwelle noch schwieriger. Also müssen weitere Restrukturierungen angestoßen werden. Sollte der Verkauf an Peugeot-Citroen nicht gelingen leidet die Marke länger. Auch das wissen die GM-Manager um Mary Barra, die GM-Chefin. Trotz dieses Risikos sind sie in die Verhandlungen gegangen, weil man eben auch von den Argumenten, wie dem Brexit als Verlustursache nicht überzeugt ist. Also auch im Konzern würde eine Zukunft von Opel nicht leicht. Man wir also alles daran setzen, den Deal zu machen

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Szenario 2: Verkauf klappt - Opel könnte eine Markenhülle werden



Welches Szenario ergibt sich bei erfolgreichem Verkauf? Dazu muß man sich nur anschauen, wie der heutige PSA-Chef Tavares die Marken Peugeot, Citroen und DS, die angebliche neue Premiummarke, führt.

Keine eigene Opel-Produktion



Das gilt nicht nur für PSA, sondern mittlerweile für fast alle Mehr-Marken-Autobauer: Es gibt keine Markenwerke, sondern nur Konzernwerke, in denen alle Markenprodukte gefertigt werden.

Für Opel heißt das nach einem Übergangszeitraum vollständig im PSA-Produktionsverbund eingegliedert zu werden. Die zentrale Produktionsleitung sitzt dann in Paris, in Rüsselsheim gibt es dann noch einen Werksleiter wie eben in allen anderen Produktionswerken, aber keinen Überbau mehr. Wie viele Werke man im Verbund braucht, wird aus Paris gesteuert. Ob dann etwa ein Motorenwerk Kaiserslautern oder Produktionswerk Eisenach ohne eigenen Karosseriebau "gebraucht" ist schwer zu sagen.

Klar ist, die Kapazitäten von Opel und PSA sind in Europa eher zu groß. Die Unsicherheiten in Eisennach und Kaiserslautern sind "über Nacht" hochgeschossen.

Kein eigener Einkauf



Eine Eingliederung macht nur Sinn, wenn auch der Einkauf zu 100% eingegliedert ist, sprich in der Zentrale sitzt und die ist mit hoher Wahrscheinlichkeit in Paris. Gerade im Einkauf dürfte ein hohes Einsparpotential durch zentralen Einkauf gesehen werden, und natürlich dann auch mit deutlich weniger Mitarbeitern. Damit dürfte der Verwaltungsbereich Rüsselsheim deutlich "leiden" und verkleinert werden. Das Szenario, dass der Einkauf nach Paris "wandert" hat eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit.

Kein zentraler Vertrieb



Tavares hat bei Peugeot-Citroen die lange Historie eigenständiger Vertriebseinheiten aufgelöst. In Deutschland wird der Peugeot-Citroen-Vertrieb etwa aus einem gemeinsamen Gebäude in Köln organisiert. Der Europa-Vertrieb der Marke Opel wandert damit mit großer Wahrscheinlichkeit längerfristig nach Paris. Weniger Personal, zentrale und schnellere Kommunikation im Hauptquartier sind Vorteile für PSA.

Rüsselsheim wird dann zu einer "National Sales Organisation", also zu einer Art Importeur, wie Peugeot oder Citroen in Deutschland. Der Verkauf für Deutschland bleibt, aber die Opel-Vertriebszentrale könnte mit hoher Wahrscheinlichkeit an die Seine gehen.

Kein zentrales Marketing



Die Organisation des Marketings wird nach Tavares vermutlich spiegelbildlich zum Vertrieb aufgebaut. Das zentrale Marketing sitzt in einer Zentrale mit kurzen Kommunikationswegen zwischen den einzelnen Marken. Dass dies dann in Paris sein wird erscheint nicht unrealistisch. Für Deutschland und Rüsselsheim verbliebe dann das Marketing für den Markt Deutschland, so wie es bei jedem Importeur, etwa Fiat oder Toyota in Deutschland ist.

Entwicklungszentrum



Ein wichtiger Teil des Rüsselheimer Entwicklungszentrums arbeitet an Motoren. Das gleiche wird in Paris für Citroen und Peugeot gemacht. In der neuen Einheit braucht man nur ein Zentrum für Motoren und nicht mehrere. Serienentwicklung und Plattformen. Hier ist sicher Spielraum für eigene Modelllinien mit eigenem Design-Zentrum, so wie es in Rüsselsheim steht. Ob allerdings eigenständige Fahrzeug-Plattformen in Rüsselsheim der Zukunft entwickelt werden könnte fraglich sein. Also braucht man die Anpassung des Fahrzeugs an die Plattform. Auch hier ist Eigenständigkeit vorstellbar. In der Summe schrumpft das Entwicklungszentrum erheblich.

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Fazit



Die Verkaufsverhandlungen haben Opel verändert Was mit Vauxhall passiert ist, dass es eigentlich nur eine Markenhülle für Opel in England ist, scheint nicht unrealistisch für die Opel Zukunft im PSA-Konzern zu sein. In Deutschland hat Opel derzeit knapp 18.200 Angestellte. Fast 80% davon, also 14.200 Angestellt sind in Rüsselsheim.

Langfristig muß man davon ausgehen, dass ein Großteil dieser Angestellte "doppelt" im neuen PSA-Konzern ist. Wenn tatsächlich Einkauf, zentrale Produktionssteuerung, zentraler Vertrieb, zentrales Marketing und etwa die Motoren und weitere Teile in der Serien- oder Plattformentwicklung nach Paris gehen, entfallen nach unserer Einschätzung mindestens ein Drittel der Arbeitsplätze in Rüsselsheim weg. Wie lang der Übergangszeitraum sein wird kann man schlecht sagen. Bekannt ist nur, dass Tavares auf Tempo drückt.


* Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer ist Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen sowie Inhaber des Lehrstuhls für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.