von Martin Blümel

War es das mit dem Abwärtstrend? Der DAX hat das ja ganz schulbuchmäßig gemacht seit Mitte April: Korrektur in drei Schüben, jeweils unterbrochen von einer Zwischenrally. Und alles verbunden mit richtig hoher Volatilität - Tagesbewegungen von mehreren Hundert Punkten. Und dazu noch ein panikartiger Abverkauf bis unter 11 200 Punkte. War es das also jetzt?

"Deutsche Aktien waren Anfang April überkauft", meint Robert Halver, Aktienexperte von der Baader Bank. "Was wir jetzt sehen, ist ein reinigendes Gewitter, eine vorübergehende Korrektur", sagt er. Und in der Tat, es sieht nicht schlecht aus. Gerade der starke Anstieg am Freitag der Vorwoche macht Hoffnung. Vor allem zwei Gründe gab es dafür: Da war der überraschende Wahlsieg der Konservativen in Großbritannien, der die Sorge vor einem Austritt des Königreichs aus der Europäischen Union erst einmal verdrängt hat. Und da waren die durchwachsenen Arbeitsmarktdaten aus den USA, die die Hoffnung nähren, dass die US-Notenbank Fed doch eher vorsichtig mit Zinserhöhungen umgehen wird. Hinzu kommt ein dritter Punkt: Auch wenn der Ukraine-Konflikt ein wenig aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit gerückt ist, so ist es doch beruhigend, dass es Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin am Wochenende gelungen ist, trotz aller Differenzen weiterhin mit ihm im Gespräch zu bleiben.

Die Überhitzungen bei DAX und Euro Stoxx scheinen sich also abgebaut zu haben. Ähnliches gilt für den US-Dollar, der gegenüber dem Euro in der ersten Jahreshälfte ja immens aufgewertet hat. Von kommender Wechselkursparität war da wochenlang die Rede. Investmentbanken wie Goldman Sachs gaben gar Kursziele von 0,85 Euro für den Dollar aus. Das Gegenteil aber ist passiert, der Euro hat sich gefangen. Mit zwei Effekten. Der erste: Die Trendumkehr hat den DAX erst mal ausgebremst, war man doch dank des immer billiger werdenden Euro von fantastischen Gewinnschüben bei den Exportunternehmen ausgegangen. Effekt zwei: In den USA ist man inzwischen recht erleichtert, mussten sich die dortigen Exportunternehmen doch immer mehr Sorgen um ihre Wettbewerbsfähigkeit machen. Letztlich gilt für den Dollar, was auch auf den Ölpreis zutrifft: Dramatische Preis- und Kursänderungen sorgen hier immer auch für dramatische Verwerfungen am Aktienmarkt. Dass sich das Auf und Ab nun beim Öl wie beim Dollar beruhigt hat, ist daher ein gutes Zeichen für die Börsen weltweit.

Also: Es ist ruhiger am Ölmarkt, und es ist ruhiger am Devisenmarkt. Die Politik der Europäischen Zentralbank EZB ist weiterhin klar expansiv. Ähnliches gilt für die Politik der US-Notenbank - egal, wann die Zinserhöhung nun kommt, scheint doch klar, dass absolut gesehen das Niveau der amerikanischen Leitzinsen langfristig auf richtig niedrigem Niveau bleiben wird. Das Fundament für eine positive Entwicklung der Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte ist damit eigentlich gelegt. Und das wiederum dürfte viele überraschen, ging man doch nach den schwachen Zahlen des ersten Quartals - gerade in den USA - bisher eher von einer Abschwächung aus. Die Börsenstimmung - sowohl in Europa als auch in den USA - zeigt dies auch durchaus an. Die Mehrzahl der Anleger ist eher neutral, hat keine Meinung zum weiteren Marktgeschehen oder ist gar pessimistisch - ein Kontraindikator, denn bei Pessimismus gibt es noch Potenzial für Käufe. Für die weitere Entwicklung der Aktienkurse ist das ein gutes Zeichen.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com