Dass es an den Börsen der Welt im August und Anfang September viel zu ruhig zuging, hatten wir in den zurückliegenden Wochen an dieser Stelle ja immer wieder geschrieben. Also kam, was kommen musste: ein in dieser Dimension nicht mehr gewohnter Kursrutsch. Der DAX fiel zu Beginn der 37. Kalenderwoche von 10 800 auf 10 300 Punkte, der Dow Jones schon am Freitag davor von 18 550 auf 18 000 Zähler. Das Minus an der Wall Street war dabei der größte Rückschlag seit dem Brexit-Entscheid.

Auslöser der Verkaufswelle: Eric Rosengren, Chef der regionalen US-Notenbank in Boston - und bisher eigentlich geldpolitisch als Taube und nicht als Falke bekannt -, plädierte unerwartet für eine baldige weitere US-Leitzinserhöhung. Ein denkbar seltsamer Zeitpunkt, waren doch die knapp zuvor veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes sowie die Arbeitsmarktdaten im August recht schwach ausgefallen.

Zudem hatte Fed-Chefin Janet Yellen auf dem Notenbanker-Symposium in Jackson Hole Ende August zwar festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit für eine weitere Leitzinserhöhung gestiegen sei, es dabei aber tunlichst vermieden, einen Zeitpunkt dafür zu nennen. Die Börsianer glaubten sich daher auf der sicheren Seite, man ging vom Dezember als frühestmöglichem Datum für eine Aktion aus.

Was soll man nun vom Börsenrutsch halten? War das nur ein Ausreißer? Oder beginnt jetzt ein Abwärtstrend, der etwas länger andauern könnte? Fakt ist, dass sich die Kurse nach dem Rutsch erst mal wieder berappelten. Und man könnte dabei durchaus zu dem Schluss kommen, dass das Hin und Her nur Börsengeplänkel war. Frei nach dem Motto: wie zerronnen, so gewonnen.

Ironischerweise war es nämlich eine weitere Person aus der Führungsriege der US-Notenbank, die den Anstieg nach dem Rutsch auslöste: Lael Brainard ließ wissen, dass bei der Abkehr von der lange Jahre so lockeren Geldpolitik doch bitteschön "Vorsicht geboten" sei. Nun ja. Die Aussage des Kollegen Rosengren hatte sich damit fast neutralisiert.

Die gute Nachricht: Das war es damit erst einmal mit Geplänkel - am Montag hat die offizielle "Schweigephase" begonnen, die bis zur tatsächlichen Sitzung des Fed-Offenmarktausschusses am 20. und 21. September Bestand hat. Es darf schlicht nichts mehr gesagt werden. Mehr oder weniger sinnvolle Kommentare aus dem Notenbankgremium wird es bis dahin also nicht mehr geben. Gut so. Summa summarum sieht es jedenfalls danach aus, als ob der Kursrutsch für Anleger mehr Chance als Risiko darstellt, dass wir es eher mit günstigeren Kaufkursen zu tun haben als mit einem Signal, das Angesparte auf die sichere Seite zu bringen.

Denn so schlecht sieht es nicht aus in der Weltwirtschaft. Die Unternehmensgewinne sind tendenziell am Wachsen, die Unternehmenschefs zeigen sich nach neuesten Umfragen eher optimistisch, der Konsum legt in Europa wie auch in den USA zu, die Lager sind eher leer als voll. Das sind gute Zutaten für ein Andauern des Bullenmarkts. Zudem hat der ebenso plötzliche wie unerwartete Kursrutsch auch etwas Gutes. Zum einen ist das enervierende Seitwärtsgeschiebe beendet und zum anderen eine womöglich vorhandene Überhitzung zumindest teilweise abgebaut. Wir bleiben also bei unserer Meinung: Sicher wird -irgendwann mal wieder eine Rezession kommen, doch noch scheint es dafür zu früh zu sein. Aktien bleiben also erste Wahl beim Geldanlegen.

Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com