von Robert Halver
Wenn Frühjahrsmüdigkeit irgendwo zutrifft, dann wohl auf den Europawahlkampf. So verbreiten beispielsweise die Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker von den Konservativen und Martin Schulz von den Sozialdemokraten in ihren Fernsehdebatten eher Kuschelatmosphäre. Wer inhaltliche Differenzierung sucht, wird sie nur in punkto Brillenfassung, Mentalität und Dialekt finden. Und bei der Wahlentscheidung sind auch die Wahlplakate nicht hilfreich. Jedes verspricht eigentlich parteiübergreifend dasselbe: Europa müsse sozialer, chancenreicher, wachstumsstärker oder einfach nur besser werden. Eigentlich hätte man ein uniformes Wahlplakat zeigen können: "Es muss von allem mehr sein!"

Auf Seite 2: Nach der Europawahl gibt es keinen Euro-Stress

Nach der Europawahl gibt es keinen Euro-Stress

Für unsere Euro-Finanzwelt ist entscheidend, welcher finanz- und geldpolitische Kurs nach der Wahl gefahren wird. Eine stärker konservativ oder sozialdemokratisch ausgerichtete Parlamentsarbeit - je nach Wahlausgang - wird es jedoch nicht geben. Im Europaparlament suchte wohl auch ein Elite-Spürhund Parteiengezänk vergebens. Denn als in der jetzigen Legislaturperiode das Euro-Kind in den Brunnen gefallen war, musste es so schnell wie möglich wieder heraus. Bei Rettungsaktionen ist für ideologische Befindlichkeiten wie rechts, links, oben, unten kein Platz. Kein Fraktionszwang, sondern pragmatischer, einvernehmlicher Konsens. Und da die Eurozone in punkto Rettung noch nicht ganz durch ist, spricht auch nach der Europawahl wenig für europaparlamentarische Differenzen oder Aufgeregtheiten.

Im Gegenteil, die Euro-Rettungsmission geht parlamentarisch in die nächste Runde. Denn laut aktuellen Hochrechnungen könnten Euro-kritische Parteien in einzelnen EU-Ländern stärkste politische Kraft werden. So erhielten sie im Europaparlament auch eine größere Plattform für ihre Positionen. Die konsensorientierte Gegenreaktion der etablierten Parteien im Europaparlament würde dann nicht lange auf sich warten lassen. Die werden alles dafür tun, dass Europa, Euroland und Euro nicht mehr mit Krise in Verbindung gebracht werden. An den Stammtischen, bei Familienfeiern, beim Treffen mit Freunden soll wieder primär über Fußball, den nächsten Urlaub oder das Wetter geredet werden. Es geht um Gute Euro-Laune, koste es, was es wolle.

Auf Seite 3: Wenn demokratisches Europaparlament auf geldpolitische Alleinherrschaft trifft

Wenn demokratisches Europaparlament auf geldpolitische Alleinherrschaft trifft

Die frühere Stabilitätsschelte an bonitätsarmen Euro-Ländern wird durch eine stillschweigende Neuschulden-Duldung ersetzt. Der MdEP weiß, dass wegen schwacher Investitionen, Konsumausgaben oder Exporten nur die öffentliche Schulden-Hand sozialen Problemen und damit schließlich Euro-kritischen Tendenzen entgegen wirken kann.

In diesem Zusammenhang hat der demokratisch gewählte Otto Normal-Parlamentarier auch nichts gegen die absolute Herrschaft der Geldpolitik. Immerhin sorgt sie machtvoll für zinsgünstige Staatsschuldenfinanzierungen und hält die Euro-Schuldenkrise kraftvoll in Schach. Übrigens, wenn die EZB sich des Schuldenproblems annimmt, brauchen es nicht die Euro-Finanzminister in Form einer Schuldenversicherung auf Gegenseitigkeit zu lösen. Jeder ist sich selbst der Nächste.

Die Mehrheit der Europaparlamentarier wird diese europäische Harmonie nicht aufs Spiel setzen. Diese Geldpolitik hat zwar mit der gesunden Stabilitätspolitik einer Deutschen Bundesbank nicht mehr viel gemeinsam. Aber der Zweck heiligt die Mittel. Und der Zweck heißt Stabilität, aber Stabilität für die Euro-Finanzwelt.

Also, wenn Mario Draghi nach der Europawahl im Doppelpack Zinssenkungen und Liquiditätsausweitungen vornimmt, wird dies bei der Parlamentsmehrheit sicherlich keinen Sturm der Entrüstung auslösen. Warum auch? Es schwächt ja auch den viel zu starken Euro. Und wenn es wegen der geldpolitischen Dauerberieselung früher oder später Preisauftrieb geben sollte? Warum sich im Parlament darüber grämen? Inflation frisst doch Staatsschulden auf, zumindest solange, wie die Renditen unterhalb der Preissteigerung liegen. Aber dafür wird die EZB schon sorgen.

Geldpolitisch wird alles gut. Zu Risiken und Nebenwirkungen wird man die Parlamentarier später ohnehin nicht mehr befragen können.

Auf Seite 4: Wenn Ruhe im Euro-Karton ist, haben Euro-Aktien auch die Ruhe für steigende Kurse

Wenn Ruhe im Euro-Karton ist, haben Euro-Aktien auch die Ruhe für steigende Kurse

Wie auch immer, die Aktienmärkte der Eurozone wird es erfreuen, dass man im Europaparlament so viel Herz, so viel Verständnis für die fortgesetzte Euro-Rettung über die EZB und damit die Liquiditätshausse hat.

Liebe Mitglieder des neu gewählten Europaparlaments, der Dank der Aktienanleger ist Euch gewiss.

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.