Das ist zwar sehr unwahrscheinlich. Denn davor liegen nicht nur eine, sondern zwei Hürden. Die eine ist, dass Frau Le Pen Präsidentin wird. Die zweite ist, dass es zu einem Refe­rendum kommt und sich die Franzosen gegen Europa ent­scheiden. Beides ist schwer vorstellbar. Aber am Kapital­markt, wie überall sonst, sollte man niemals nie sagen.

Was würde passieren, wenn der Fall doch eintritt? Könnte es so ausgehen wie beim Brexit oder bei Trump? Die Märk­te hatten beides als Risiken eingeschätzt. Als es eintrat, ha­ben sie sich aber rasch mit den Fakten arrangiert und am Ende sogar mit Kurssteigerungen reagiert.

Bei einem Austritt Frankreichs kann man auf so etwas nicht hoffen. Es käme im Gegenteil zum größten anzunehmen­den Unfall für die Gemeinschaft und ihre Mitglieder. Er wäre schlimmer als alles, was wir bisher in der Union erlebt ha­ben.



Das Wichtigste: Wenn Frankreich die EU und den Euro ver­lassen würde, würden beide Institutionen zerbrechen, nicht sofort, aber als langfristige Konsequenz. Denn Frankreich ist die zweitgrößte Volkswirtschaft des Euroraums. Ohne das Land blieben als größere Volkswirtschaften neben Deutschland nur noch Italien, Spanien und die Niederlande. Das deutsche Sozialprodukt ist dabei größer als das von Italien und Spanien zusammengenommen. Das ist keine Grundlage für eine auf dem Gleichgewicht der Kräfte basie­rende Union.

Der Binnenmarkt und die Währungsunion müssten auf Dau­er durch neue Systeme ersetzt werden. Der Handel wäre mit Sicherheit nicht mehr so frei wie bisher. Das würde das Wachstum verringern. Im Währungsbereich würden sich vermutlich neue Blöcke bilden. Einer wäre vielleicht ein DM-Block, dem dann auch Österreich, die Niederlande und ei­nige andere angehören würden. Ein anderer könnten die südeuropäischen Staaten Italien, Spanien und Portugal sein sowie einige kleinere Mitglieder. Ob Frankreich alleine bleibt oder sich dem Süd-Block anschließt, ist schwer zu sagen.

Die europäischen Institutionen einschließlich Zentralbank und Banken- und Wertpapieraufsicht würden obsolet. Damit fehlen den Kapitalmärkten wichtige Orientierungspunkte. Wie würden die neuen Regulierungen aussehen? Wird es gemeinsame Regeln geben oder kocht jeder seine eigene Suppe? Was geschieht mit grenzüberschreitenden Finanz­gruppen? Die alten nationalen Zentralbanken und Banken­aufsichtsbehörden kann man nicht einfach revitalisieren. Sie haben in den letzten 20 Jahren viel Know-how verloren.

Auf Seite 2: Der größte Verlierer bei einem Austritt Frankreichs wäre ....



Der größte Verlierer bei einem Austritt Frankreichs



Größter Verlierer wäre Frankreich. Es müsste sicher höhere Zahlungen leisten, als derzeit für Großbritannien im Ge­spräch sind (EUR 60 Mrd.). Denn es war länger in der Uni­on. Es war auch Mitglied des Euros. Allein aus den aufge­laufenen Targetsalden ergibt sich eine Verbindlichkeit Frankreichs von EUR 24 Mrd.

Die neue Währung Frankreichs würde sich erheblich ab­werten. Das Britische Pfund ist im vorigen Sommer um 15 % schwächer geworden. Im Falle Frankreichs dürfte es mehr werden. Das hilft zwar kurzfristig der Wettbewerbs­­fähigkeit. Es würde aber auch die Inflation und Zinsen nach oben treiben. Es ist auch zu erwarten, dass die Last der Staatsschulden (derzeit EUR 2,2 Billionen) steigen würde, weil sie zumindest zum Teil in Euro bedient werden müsste. Eine Insolvenz des Staates oder einer seiner Institutionen ist nicht auszuschließen. Das Rating Frankreichs (AA be­ziehungsweise Aa2) würde sich verschlechtern, was den Schuldendienst weiter verteuert.

Auch die Partner Frankreichs in der EU würden verlieren. Deutschland müsste wohl seine Forderungen im Targetsys­tem zum größten Teil abschreiben (über EUR 800 Mrd.). Ob die sonstigen Kredite innerhalb der Gemeinschaft ordentlich bedient würden, ist fraglich. Die Währung eines DM-Blocks würde drastisch aufgewertet. Das würde die Exportwirt­schaft belasten und zu einer Rezession führen. Das ist be­sonders schmerzlich, weil es dann an handlungsfähigen In­stitutionen fehlt, die Gegenmaßnahmen ergreifen könnten. Die neue Währung würde auf den Devisenmärkten zum Spielball der internationalen Spekulation.

Last but not least ist die europäische Friedensordnung in Frage gestellt. Wir stünden wieder da, wo wir vor sechzig Jahren angefangen haben. Die Partner Europas (auch die USA) würden die Schwäche der Europäer nutzen. Dass es auch zwischen den bisherigen Mitgliedern der EU zu größe­ren Auseinandersetzungen kommen könnte, ist nicht auszu­schließen.

Auf Seite 3: Für den Anleger





Für den Anleger



Gut, dass es dazu - hoffentlich - nicht kommt. Auf den eu­ropäischen Finanzmärkten wäre sonst mit Chaos zu rech­nen. Keiner wüsste mehr, an was er sich halten kann. Auch der deutsche Markt wäre kein sicherer Hafen mehr. Zwar gäbe es hier Aufwertungsgewinne. Andererseits gäbe es ei­ne Rezession und auf Jahre hinaus die Perspektive hoher Unsicherheit. Die Aktienkurse an den europäischen Börsen gingen in den Keller. An den Rentenmärkten gingen die Bo­nitätsrisiken nach oben. Es fehlte eine Institution, die den Anlegern Halt geben könnte. Last but not least würde Euro­pa auch seinen Appeal für internationales Kapital verlieren.