Der wöchentliche Lagebericht, der auf Basis der Daten vom Dienstag über die long bzw. short positionierten Gold-Futures kommerzieller Branchenangehöriger (Commercials), Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) informiert, wies für die Woche zum 30. Juni unter den spekulativen Marktakteuren eine völlig gegensätzliche Entwicklung aus. Überdurchschnittlich stark bergauf ging es lediglich mit dem allgemeinen Interesse an Terminkontrakten auf Gold - ablesbar an der Anzahl offener Kontrakte (Open Interest). Diese kletterte nämlich gegenüber der Vorwoche um 2,6 Prozent von 430.978 auf 442.301 Kontrakte bergauf, den höchsten Stand seit Mitte November.

Bei der kumulierten Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) großer und kleiner Spekulanten kam es im Berichtszeitraum zu einem regelrechten Einbruch von 100.888 auf 74.769 Futures (-25,9 Prozent). Dies stellte den niedrigsten Wert seit acht Wochen dar. Hierfür verantwortlich waren vor allem die Großspekulanten (Non-Commercials), bei denen die Netto-Long-Position von 95.114 auf 67.155 Futures (-29,4 Prozent) absackte. Weil die short positionierten Gold-Futures deutlich erhöht wurden und auf der Long-Seite zugleich ein signifikanter Rückgang zu beobachten war, fiel der "Aderlass" relativ heftig aus.

Die Kleinspekulanten (Non-Reportables) wurden zwar optimistischer, da sie allerdings deutlich weniger Gold "bewegen" als die großen Adressen waren ihre Transaktionen lediglich von kosmetischer Natur. Auf Wochensicht fuhren sie ihre Netto-Long-Position von 5.774 auf 7.614 Futures (+31,9 Prozent) nach oben - immerhin auf das höchste Niveau seit Mitte Mai. Dass bei einer solchen Gemengelage der Goldpreis zu keiner Kursrally ansetzen kann, liegt auf der Hand. Seit Jahren fällt der Terminmarkt ohnehin eher als Bremsfaktor und weniger als Kurstreiber auf. Eines dürfte dabei klar sein, die großen Notenbanken dürften trotz ihrer hohen Goldreserven kein Interesse an einem allzu starken Goldpreis haben, schließlich würde dies das Vertrauen in unterminieren. Eines ist unumstritten: Manipulieren lässt sich der Goldpreis dank der Hebelwirkung vor allem über die Terminmärkte. Beim Londonder Fixing dürfte dies mittlerweile schwieriger geworden sein. Dort setzt man nach dem im März vollzogenen Systemwechsel bei der Preisfindung auf zwei bislang eher vernachlässigte Aspekte: Transparenz und Fairness.

Auf Seite 2: Charttechnische Spannung steigt

Angesichts der jüngsten Geschehnisse hinsichtlich Griechenlands kann die Entwicklung des Goldpreises zwar als enttäuschend bezeichnet werden, seiner Funktion als sicherer Hafen ist er 2015 angesichts der stabilen Tendenz und der niedrigen Volatilität in gewisser Weise dennoch nachgekommen. Mit einer historischen 100-Tage-Volatilität in Höhe von aktuell 14 Prozent ging es in den vergangenen Wochen sogar spürbar bergab, so dass man bei Gold einerseits das Risiko als relativ gering einstufen kann. Andererseits kann man aber auch die aktuelle Höhe des Krisen-Bonus als enttäuschend und somit ebenfalls in die Kategorie "relativ gering" einordnen.

Aus charttechnischer Sicht sieht die Lage derzeit relativ prekär aus. Nachdem das gelbe Edelmetall in diesem Jahr bereits mehrfach am Überwinden der 100- und der 200-Tage-Linie gescheitert war, droht nun ein echter Härtetest. Seit mittlerweile fast zwei Jahren versucht sich Gold an einer Bodenbildung. Dessen untere Begrenzung verläuft im Bereich von 1.140 Dollar, wovon man derzeit nicht mehr weit entfernt ist. Ein Verletzen dieser Marke könnte erheblichen chartinduzierten Verkaufsdruck generieren.

Goldanleger haben seit den Geschehnissen im April 2013 gelernt, in charttechnisch spannenden Phasen besonders wachsam zu sein. Damals drückte nämlich an einem Freitagnachmittag jemand mit richtig viel Geld bzw. Gold im Rücken ohne Rücksicht auf Verluste auf den Verkaufsknopf und ließ das edle Metall innerhalb von zwei Handelstagen in der Spitze um 15 Prozent einstürzen. Von dieser Aktion hat sich der Goldpreis übrigens bis heute nicht erholen können.

Auf Seite 3: Zum Commitments of Traders-Report





Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat.

Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.