Herr Beck, der Ölpreis hat sich nach tiefem Sturz etwas erholt. Damit rücken Rohstoffe wieder stärker in das Blickfeld von Investoren. Dabei stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Rohstoffe für Privatanleger überhaupt eine geeignete Anlageklasse darstellen?
Lange Zeit waren Anlageberater und Vermögensverwalter der Meinung, dass Rohstoffe in jedes Portfolio gehören. Empfohlen wurden häufig Rohstoff-Anteile zwischen fünf und 20 Prozent. Doch selbst vor dem Einbruch einiger Rohstoffpreise war die Enttäuschung bei Anlegern groß, weil sich die Erwartung, man könne sich bei steigenden Benzinpreisen wenigstens damit trösten, dass das Ölinvestment immer mehr wert wird, als Illusion erwies. Als der Sprit teurer wurde, fielen Ölzertifikate trotzdem im Wert, was viele Privatanleger überrascht und verärgert hat.

Also besser die Finger weg von Rohstoff-Investments?
Bevor man jetzt wieder in den Rohstoffmarkt einsteigt, sollte man sich darüber klar werden, warum das damals so war. Dann kann man sich immer noch überlegen, ob man Rohstoffe kaufen will.

Was heißt das konkret?
Eine Eigenheit des Rohstoffmarkts ist, dass der Privatanleger den physischen Rohstoff nicht kaufen kann, beispielsweise Rohöl. Er kann auch kein Anlageprodukt kaufen, das den Kauf von Öl widerspiegelt, weil Öl langfristig nicht zu vernünftigen Konditionen gelagert werden kann. Das Einzige, was der Anleger kaufen kann, ist ein Öl-Future - und zwar indirekt über ein Zertifikat, einen ETF oder Fonds. Ein Öl-Future ist aber etwas anderes als physisches Öl. Denn ein Öl-Future legt fest, zu welchem Preis Öl zu einem bestimmten Zeitpunkt, zum Beispiel in drei Monaten, gekauft und verkauft werden kann. Glauben nun alle Marktteilnehmer, dass Öl gegenwärtig billig ist und in ein paar Monaten wahrscheinlich wieder teurer sein wird, ist der Preis des Öl-Futures entsprechend hoch, weil die Erwartungen eingepreist sind. Dann ist auch das Zertifikat entsprechend teuer. Das führt beispielsweise zu dem auf den ersten Blick merkwürdigen Ergebnis, dass der Ölpreis möglicherweise steigt, sich das aber nicht im Preis des Zertifikats niederschlägt, weil der Öl-Future, der diesem Zertifikat zugrunde liegt, die Teuerung schon eingepreist hatte. Der Anleger liest dann in der Zeitung von einem steigenden Ölpreis und wundert sich beim Blick in sein Depot, dass er davon bei seinem Zertifikat nichts sieht. Diese Rohstoff-Anlageprodukte sind, von Edelmetallen abgesehen, reine Wetten auf Preisentwicklungen in der Zukunft. Sie hängen nicht zwingend davon ab, ob er Spotpreis steigt oder fällt. Wenn man bedenkt, dass sich auf diesem Markt Privatanleger und hochprofessionelle Akteure wie Goldman Sachs gegenüberstehen, darf man sich nicht wundern, wenn Privatanleger im Durchschnitt diese Wetten verlieren.

Auf Seite 2: Rollverlust bei Rohstoff-Zertifikaten





Wie wichtig ist das Thema Rollverluste bei Rohstoff-Zertifikaten?
Es ist bemerkenswert, dass die meisten Produkte fest vorschreiben, ab welcher Laufzeit der Future verkauft werden muss und in welche Laufzeit dann "gerollt", sprich neu investiert werden muss. Dadurch wird es für die Gegenpartei einfach, Geld zu verdienen. Sie verkauft sozusagen Bezugsrechtsscheine mit zum Beispiel 3 Monaten Laufzeit auf Öl an jemanden, von dem sie weiß, dass er dieses Bezugsrecht gar nicht wahrnehmen kann, sondern sie kurz vor Fälligkeit wieder verkaufen muss, um neue .Bezugsrechtsscheine mit wieder 3 Monaten Laufzeit zu kaufen. Die sich dabei aufsummierenden Rollkosten können erheblich sein. Man darf als Anleger deshalb nicht naiv investieren und denken, wenn der Preis des Rohstoffs steigt, steigt automatisch auch der Wert meines Investments.

Das klingt ziemlich ernüchternd. Sind solche Rohstoff-Produkte dann nicht gänzlich überflüssig?
Das alles spricht dagegen, solche Anlageprodukte langfristig als strategischen Kern ins Portfolio zu nehmen. Aber kurzfristig sind sie durchaus interessant. Denn die Preisschwankungen sind so stark, dass die Rollkosten keine große Rolle spielen, wenn ich das Investment unter kurzfristigen taktischen Gesichtspunkten betrachte. Die Finanzindustrie ist ja sehr kreativ, hat zum Beispiel rolloptimierte Lösungen geschaffen, bei denen nicht zu festen Bedingungen gerollt werden muss, sondern Spielraum besteht, die Rollkosten gering zu halten. Außerdem gibt es auch Phasen von Backwardation, also Zeiten, in denen der zukünftige Preis unterhalb des Spotpreises liegt, was Rollgewinne bedeutet. Aber es handelt sich um einen komplexen Markt, dessen Produkte sicher nicht dazu geeignet sind, am Bankschalter für Zwecke der Altersvorsorge eingesetzt zu werden.

Ist es in der gegenwärtigen Situation auf den Rohstoffmärkten interessant, kurzfristige Rohstoffinvestments einzugehen?
Ja, momentan sind Rohstoff-Engagements für den kurzfristigen Investor interessant. Die Future-Kurven sind bei vielen Rohstoffen nicht anormal steil. Relativ kurzfristige politische Entscheidungen, zum Beispiel in Saudi Arabien, können einen Sprung des Ölpreises bewirken. Dass er noch einmal stark fällt, ist unwahrscheinlich. Das Gewinn/Verlust-Chancenverhältnis bei Rohstoffen, insbesondere bei Öl, ist momentan durchaus attraktiv. Damit bieten sich Rohstoff-Anlagen als kurzfristige spekulative Beimischung im Moment an.

Und wenn ein Anleger langfristig in Rohstoffe investieren will, weil er annimmt, dass die Weltwirtschaft weiter wächst und mit ihr die Nachfrage nach Rohstoffen. Spricht das nicht für steigende Preise?
Das spricht dann dafür, dass die Rohstoffpreise steigen, wenn es keine technischen Innovationen mehr gibt. Die gab es aber bisher immer. Alle Voraussagen, dass die Ressourcen zur Neige gehen, sind bisher nicht bestätigt worden. Vieles hängt von der Innovationskraft der Menschen ab. Unabhängig davon spielen Rohstoffe in der Wirtschaft jedoch eine wichtige Rolle. Deshalb sollten sie im Depot vertreten sein. Das sind sie in jedem Fall, wenn ich als Anleger breit am Aktienmarkt investiere, weil ich dann auch in Rohstoff-Unternehmen investiere. Wenn ich die Emerging Markets in mein Portfolio nehme, habe ich zum Beispiel über Brasilien und Russland auch Volkswirtschaften im Depot, die sehr stark von steigenden Rohstoffpreisen profitieren.

Auf Seite 3: Abwärtstrend bei Rohöl gestoppt?





Betrachtet man die aktuelle Entwicklung bei Rohöl, sieht es so aus, als sei der Abwärtstrend gestoppt. Was würden Sie Anlegern empfehlen, die von der Preiserholung profitieren möchten?
Rechnet man damit, dass der Ölpreis kurzfristig wieder steigt, kann man kurzfristig profitieren, indem man nachrangige Anleihen von Fracking-Unternehmen kauft. Die bekommt man im Moment noch mit deutlichen Abschlägen, weil viele Marktteilnehmer davon ausgehen, dass diese Firmen insolvenzbedroht sind. Das wäre die heißeste Wette auf einen steigenden Ölpreis.

Und wenn es jemand nicht ganz so heiß mag, sondern gemäßigter einsteigen will?
Der ist ganz gut aufgehoben, wenn er in die breit aufgestellten, führenden Rohstoff-Firmen investiert.

Empfiehlt es sich da, direkt in Unternehmen zu investieren oder lieber über einen Fonds?
Die singulären Risiken dieser Rohstoff-Unternehmen sind erheblich, etwa politischer Natur, da sich ein Großteil der Rohstoffreserven in politisch schwierigen Gebieten befindet. Außerdem können Unfälle passieren, wie das Beispiel BP gezeigt hat. Deshalb ist es hier besonders sinnvoll, breit zu streuen, beispielsweise über Fonds oder Indexfonds.

Neben Öl könnte ein anderer Rohstoff wieder stärker in den Mittelpunkt des Interesses rücken, nämlich Gold. Angesichts der Geldschwemme durch die großen Notenbanken haben viele Anleger Angst, dass auf längere Sicht eine Geldentwertung unvermeidlich ist. Ist vor diesem Hintergrund nicht mit steigenden Goldpreisen zu rechnen, vor allem in Euro gerechnet, weil die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar an Wert einbüßt?
Ich halte das Argument, Gold sei die ultimative Krisenwährung, für falsch. Zwar weist Gold historisch gesehen eine gewisse Stabilität auf. Man kann aber nicht einfach von der Vergangenheit auf die Zukunft schließen. Wir haben heute ein anderes Währungssystem als zu Zeiten der Golddeckung. Wir haben eine Währung, die im Sinne eines Vertrags konzipiert ist. Ein Geldschein ist ein staatliches garantiertes Anrecht auf Eigentumserwerb, also ein Vertrag. Einen Vertrag in Gold zu ritzen ist komplett sinnlos, es wird nie wieder eine Goldwährung geben. Wir haben heute einen Rechtsstaat - und daraufhin ist die Währung konzipiert. Außerdem ist alles Gold, das bisher gefördert wurde, noch immer da. Es ist schon absurd: Da wird unter Missachtung der Menschenrechte und unter Inkaufnahme verheerender Umweltschäden mühsam Gold aus dem Boden geholt, um es anschließend in Tresoren verschwinden zu lassen, weil niemand es braucht. Fast alles einmal geförderte Gold wird mehr oder weniger sinnlos verwahrt. Warum sollte ausgerechnet Gold wertvoll werden, wenn irgendwo eine Krise entsteht? Kann sein, dass es so ist, kann aber auch sein, dass es ganz anders kommt.

Auf Seite 4: Das Vertrauen der Anleger





Vielleicht weil eine Menge Menschen daran glauben, dass das passiert.
Viele Zentralbanken, die in der nächsten Krise eventuell Probleme bekommen, verfügen über Goldreserven. Die werden sie in einem solchen Fall wahrscheinlich auf den Markt werfen. Das wird dem Goldpreis nicht guttun. Andererseits gibt es bei vielen Menschen dieses Grundvertrauen in Gold. Es wird sicherlich nie wertlos werden. Als absolut letzte Rettung vor dem Weltuntergang mag es großartig sein. Aber Investments in Gold sind hochspekulativ, weil es eben eine willkürliche Entscheidung ist, ob man einen Goldpreis von 200 Dollar, 1.000 Dollar oder 2.000 Dollar als angemessen ansieht. Es gibt keine fundamentale Begründung dafür, welcher Preis der richtige ist.

Also ist ein Investment in Gold keine Absicherung, sondern reine Spekulation?
Ja, dabei kaufen gerade viele extrem risikoscheue Anleger, die ein hohes Maß an Sicherheit wollen, Gold. Das ist meines Erachtens eine klare Fehlpositionierung, weil reine Spekulation das Gegenteil von Sicherheit ist.