Der am Freitagabend veröffentlichte Commitments of Traders-Report der US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission war wieder einmal von heftigen Positionsveränderungen der Großspekulanten (Non-Commercials) gekennzeichnet. Sie reduzierten ihre Short-Seite deutlich stärker als ihr Long-Exposure, was summa summarum zu einem deutlichen Anstieg der Netto-Long-Position (optimistische Markterwartung) geführt hat. Sie hat sich innerhalb einer Woche von 163.464 auf 179.372 Futures (+9,7 Prozent) erhöht.

Zur Erinnerung: Zum Jahreswechsel war hier ein Wert von 196.351 Kontrakten gemeldet worden und Mitte Mai 2015 waren Großspekulanten sogar mit 343.431 Futures netto long. Trotz des erhöhten Optimismus und des Rebound beim Ölpreis sollten Anleger die fundamentale Lage weiterhin im Hinterkopf behalten. Die ist nämlich von einem sinkenden globalen Nachfragewachstum und einer auf Hochtouren laufenden Ölproduktion gekennzeichnet - keine sonderlich guten Voraussetzungen für einen Trendwechsel nach oben. So ist zu befürchten, dass die jüngste Erholungstendenz lediglich auf die Gewinnmitnahmen zahlreicher "Bären" zurückzuführen ist und somit kein Anzeichen für einen Turnaround ist.

Auf Seite 2: Horrorverluste zum Jahresstart



Unter den wichtigsten handelbaren Rohstoffen mussten die beiden Ölsorten Brent (-14,6 Prozent) und WTI (-15,7 Prozent) seit dem Jahreswechsel hohe Verluste hinnehmen - trotz der jüngsten Erholungstendenz. Zugleich ging es mit deren Kursschwankungsintensität - besser bekannt als Volatilität - steil bergauf. Mit 61,9 Prozent weist der CBOE-Volatilitätsindex auf Rohöl-ETFs sowohl im Rohstoff- als auch im Aktiensektor (Indizes und Einzelwerte) den mit Abstand höchsten Wert aus. Das heißt: Wer in Rohöl investiert, braucht derzeit ein besonders robustes Nervenkostüm.

Verkaufsgründe en masse gibt es sowohl auf der Angebots- als auch auf der Nachfrageseite. Kein Förderland ist derzeit bereit, freiwillig die Produktionskapazitäten zurückzufahren - weder innerhalb noch außerhalb der OPEC. Selbst Saudi-Arabien kann es sich aufgrund seines enormen Haushaltsdefizits und der starken Abhängigkeit von Ölexporten gar nicht leisten, auf Öleinnahmen zu verzichten. Auf Russland trifft selbiges zu und die Rückkehr der Iraner an den Ölmarkt dämpft die Hoffnung auf ein sinkendes Überangebot ebenfalls.

Die Rechnung der Saudis, dass der niedrige Ölpreis kostenintensivere Fördermethoden im Offshore- und Frackingsektor zurückdrängen wird, ging bislang nicht auf. In den USA, wo die Förderung im Golf von Mexiko bzw. in den großen Schieferölregionen deutlich teurer als die konventionelle Ölförderung an Land ist, hat die ans Tageslicht geförderte Ölmenge in den vergangenen Monaten weniger stark als erwartet abgenommen - obwohl sich die Zahl der US-Bohranlagen laut aktuellem Baker-Hughes-Wochenbericht innerhalb eines Jahres von 996 auf 637 (-36 Prozent) reduziert hat.

Auf der Nachfrageseite sieht die Lage ähnlich trostlos aus. Dort sorgt nämlich die wirtschaftliche Schwäche in China sowie in diversen weiteren Schwellenländern für ein rückläufiges globales Nachfragewachstum. So taxiert zum Beispiel die Internationale Energieagentur das Nachfragewachstum der Chinesen für 2015 auf plus 5,6 Prozent. Dieses soll sich in diesem Jahr auf plus 3,1 Prozent reduzieren. Industrieländer können diese Ausfälle, selbst im Falle einer besser als erwarteten Konjunkturentwicklung nicht ausgleichen, da deren Ölmärkte einen hohen Sättigungsgrad aufweisen. Man fragt sich, welche Faktoren den Ölpreis wieder nach oben hieven könnten? Short-Eindeckungen an den Terminmärkten oder kriegsbedingte Produktionsausfälle wären zwar denkbar, letzteres aber alles andere als wünschenswert.

Zum Commitments of Traders-Report:

Einmal pro Woche veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde Commodity Futures Trading Commission (CFTC) den sogenannten Commitments of Traders-Report (COT) für sämtliche US-Terminbörsen und deren angebotenen Futures. Im wöchentlichen Rhythmus wird unter anderem die Anzahl der offenen Kontrakte (Open Interest) für jeden Basiswert veröffentlicht. Sie bringt zum Ausdruck, wie sich das allgemeine Interesse auf Wochensicht entwickelt hat. < br>
Außerdem zeigt der COT-Report auf Basis der Marktdaten des jeweiligen Dienstags auf, wie sich die Marktpositionen der kommerziellen Branchenvertreter (Commercials) und der spekulativen Marktakteure - aufgeteilt in Großspekulanten (Non-Commercials) und Kleinspekulanten (Non-Reportables) - innerhalb einer Woche verändert haben. Für jede Gruppe von Marktakteuren werden jeweils deren Long- und Short-Positionen aufgeführt. Übertrifft die Long-Seite das Short-Engagement wird von einer Netto-Long-Position gesprochen, die eine mehrheitlich optimistische Markterwartung zum Ausdruck bringt. Im anderen Fall (mehr short als long) handelt es sich um eine Netto-Short-Position, die eine tendenziell pessimistische Markterwartung anzeigt. Für die Aktivitäten der spekulativen Marktakteure interessieren sich die Marktbeobachter normalerweise besonders stark, da ihr Handeln vor allem auf das Erzielen möglichst hoher Gewinne ausgerichtet ist und daher einen starken Einfluss auf die Preisentwicklung und das Marktsentiment ausüben kann.

Zum Autor:

Jörg Bernhard ist freier Journalist und hat sich in den vergangenen Jahren auf Zertifikate-, Rohstoff- und Edelmetallinvestments spezialisiert.