Historisch betrachtet sind die Aktienmärkte derzeit hoch bewertet. Das Potenzial für weitere Kursgewinne dürfte aktuell begrenzt sein. Wie die ersten Wochen dieses Jahres deutlich gezeigt haben, sind auch Verluste nicht ausgeschlossen. Für Anleger stellt sich die Frage, ob sie weiter mutig investieren oder doch lieber Gewonnenes sichern. Ein Produkt, das beiden Strömungen gerecht wird, ist das Expresszertifikat.

Anders als der Name suggeriert, eignen sich Expresszertifikate nicht für Haussemärkte. Dann unterzeichnen sie das Potenzial. Sie spielen ihre Stärke in leicht steigenden oder seitwärts tendierenden Märkten aus - und haben wegen ihrer Struktur auch die Fähigkeit, große Verluste zu absorbieren. Damit eignen sie sich für Buy-and-hold-Investments und ebenso für Turnaroundspekulationen.

Sie funktionieren, wie folgt: Expresszertifikate haben bei Auflegung eine Laufzeit von mehreren Jahren. Es gibt verschiedene Varianten, das Grundmuster ist allerdings immer ähnlich. Bei der Emission werden die Bedingungen für Ausschüttung und Tilgung festgelegt. Bis zum Ende der Laufzeit wird an vorher festgelegten Terminen meist einmal im Jahr - der Startwert des Basiswerts mit dem vorgegebenen Wert des Stichtags (Tilgungslevel) verglichen. Sobald der Kurs des Basiswerts am Beobachtungstag höher liegt, wird das Zertifikat vorzeitig zurückgezahlt und der Investor erhält sein angelegtes Kapital zuzüglich Kupon aufs Konto. Diese schnelle Gewinnmöglichkeit hat dem Produkt seinen Namen verliehen.

Auf die Bedingungen achten



Aber nicht immer läuft es, wie geplant: Wird das Tilgungslevel nicht erreicht, geht es in eine neue Runde. Dieses Muster hält so lange an, bis das Tilgungslevel erreicht wird oder die Laufzeit endet. Notiert der Basiswert am Ende der Laufzeit unter dem Tilgungslevel, erhalten Anleger einen Barausgleich oder eine entsprechende Anzahl von Aktien ausgezahlt. Dabei können die Verluste erheblich sein.

Um das Risiko zu minimieren, achten Anleger auf die Bedingungen des Investments. Auch wenn die Strukturen im Grundsatz ähnlich sind, hat jeder Emittent eigene Varianten. Hier muss der Weg über Emittenten und Emissionsprospekt gewählt werden. Einige Papiere zahlen einen festen Kupon, bei anderen muss ein bestimmtes Niveau erreicht werden, bevor es eine Zahlung gibt.

Das empfehlenswerte Expresszertifikat hat ein innerhalb der Laufzeit erreichbares Tilgungslevel. Im Idealfall sollten diese Levels im Zeitablauf abnehmen. Damit steigt die Chance einer vorzeitigen Tilgung. Unabdingbar ist eine deutlich tiefere Barriere zum Laufzeitende. Das sichert das Investment noch einmal ab. Anleger achten auch darauf, dass die Gewinnchance in Form eines Kupons oder Bonus nicht verloren geht, wenn einmal ein Ausschüttungslevel nicht erreicht wurde.

Erfüllt das Produkt die Anforderungen von sinkenden Tilgungsschwellen, tiefen Schlussbarrieren und nicht verlorenen Ausschüttungen, entsteht ein Investment mit einer kontinuierlichen Verzinsung und einem Sicherheitspuffer. Anleger setzen das Expresszertifikat als Ersatz für Fonds, als Alternative zur Aktie und zur Turnaroundspekulation ein. In den nebenstehenden Kästen haben wir dazu drei Anlagevorschläge herausgesucht.

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Für Vorsichtige Anleger: Express statt Fonds



Mit der Kombination aus schnellen Gewinnen und Absicherung, ist das Expresszertifikat auch als Daueranlage geeignet. Wird etwa ein Indexfonds zu Höchstkursen gekauft, kann eine Börsenflaute das Kapital über viele Jahre hinweg reduzieren. Wer etwa Ende 2007 einen Euro-Stoxx-50-ETF gekauft hat, liegt immer noch in der Verlustzone. Alle Euro-Stoxx-50-Expresszertifikate hingegen mit sinkenden Tilgungsschwellen brachten ihren Anlegern Geld. Wie das funktioniert, zeigt der Euro-Stoxx-50-Express der HVB. Der nächste Tilgungstermin ist der 10. November. Wird die Schwelle bei 3361 Punkten erreicht oder überschritten, erhält der Anleger 106 Euro ausgezahlt. Im Moment kostet das Wertpapier 98,80 Euro. Wird das Niveau nicht erreicht, sinkt das Tilgungslevel im kommenden Jahr auf 3025 Punkte und der Anleger erhält 112 Euro. Beim letzten Überprüfungstermin im Jahr 2020 ist das Tilgungslevel auf 2184 Punkte gefallen. Das heißt: Selbst bei einem Kurs, der um gut ein Viertel unterm aktuellen Niveau liegt, hätte der Anleger immer noch eine Verzinsung von jährlich sechs Prozent erreicht. Das gleiche Muster, also sinkende Schwellen und steigende Auszahlungen, gilt für den Express auf den Basiswert Stoxx Global Select Dividend. Etwas anders läuft es beim Produkt auf die Ölwerte aus Europa. Hier fällt die Tilgungsschwelle erst zum letzten Termin, dann aber auf 70 Prozent vom Startwert. Dafür ist die Gesamtverzinsung höher.



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Für Renditehungrige Anleger: Besser als die Aktie



Wer einzelne Aktien im Depot hat, ist gut beraten, auch einmal die Expresszertifikatewelt zu durchleuchten. Zumindest ist das Produkt als Langfristanlage geeignet, und es verzeiht sogar manchen Investmentfehler. Gewinnpotenzial und Absicherung zeigt als Beispiel der Express auf die Aktie von Airbus. Die erste Rückzahlung wäre am 21. Oktober zu 107 Euro, wenn die Aktie dann bei 56,96 Euro notiert. Aktuell kostet sie über 60 Euro. Klappt das mit der Tilgung nicht, gibt es nächstes Jahr im Oktober 114 Euro, wenn die Aktie dann bei 54,11 Euro notiert. Letzter Termin ist der 16. Oktober 2020. Hier gäbe es bei einem Kurs von 45,56 Euro eine Rückzahlung von 135 Euro. Angesichts des Flugzeugbedarfs ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass Anleger diesen Siebenprozenter einfahren. Und sollte selbst der letzte Termin platzen, gibt es noch eine Barriere bei 34,17 Euro, welche die Rückzahlung von zumindest 100 Euro ermöglicht. Der Express auf Lufthansa hat schon einen Zahlungstermin verstreichen lassen. Deshalb gibt es am 10. Mai 113 Euro, wenn die Aktie dann bei 15,93 Euro notiert. Bis zum Ende der Laufzeit würde der Rückzahlungsbetrag bei nicht erfolgter Tilgung auf 132,50 Euro steigen, die Tilgungsschwelle auf 10,62 Euro sinken. Etwas anders läuft es beim Memory Express auf Nokia. Hier gibt es eine Schwelle bei 4,38 Euro bei welcher der Kupon von 8,5 Prozent gezahlt wird. Die Tilgungsschwelle sinkt am Ende der Laufzeit auf die Kuponschwelle.



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Für spekulative Anleger: Turnaroundwetten



Wenn Aktien fallen, wird eine vorzeitige Rückzahlung unwahrscheinlich. Nicht immer werden Expresspapiere dann richtig bewertet. Der spanische Ölwert Repsol ist so ein Kandidat. Das Unternehmen hat mit die geringsten Förderkosten und sollte von einem Anstieg des Ölpreises profitieren. Nach dem Kursrutsch notieren die Expresszertifikate deutlich unter Rückzahlungswert. Doch wird der Ölpreis immer so niedrig bleiben? Wenn nicht, wird der Express seine Stärke ausspielen. In der Zwischenzeit sammelt er pro Jahr einen Bonus von 7,5 Prozent an. Letzte Überprüfung ist am 12. Juni 2020. Bei einem Aktienkurs von 10,14 Euro oder darüber gibt es eine Rückzahlung von 137,50 Euro. Der Express kostet gerade einmal 69 Euro, macht eine Rendite von über 16 Prozent pro Jahr. Wer sich vor Dollaranlagen nicht scheut, kann sich an den Alcoa-Express wagen. Hier liegt der Kupon bei 9,5 Prozent, und die Tilgungsschwelle sinkt von 13,43 auf 8,05 Dollar. Das ist weniger als der aktuelle Kurs. Wird diese Marke erreicht oder übertroffen, bringt das Papier in Dollar gerechnet über 16,5 Prozent pro Jahr. Die Bonuszahlung bei Intesa Sanpaolo beträgt zehn Prozent. Im Moment ist die Tilgungsschwelle deutlich über dem Aktienkurs. Aber das war im Jahresverlauf auch schon anders. Und zum letzten Überprüfungstermin sinkt die Rückzahlungsschwelle deutlich. Es gibt eine Gesamtverzinsung, wenn es dann klappt: über 15 Prozent pro Jahr.