Bereits vor mehr als 150 Jahren wurden sie ins Leben gerufen: Wandelanleihen. Damals dienten sie der Finanzierung von Eisenbahngesellschaften in den Vereinigten Staaten. Heute sind diese Papiere interessanter denn je. Denn Wandelanleihen, auch Wandler oder Convertibles genannt, verfügen über eine einmalige Konstruktion: Mit ihnen können Anleger bei einem Anstieg des Aktienkurses an den Gewinnen partizipieren, bei Kursverlusten bieten sie die Sicherheit von Anleihen. Faustregel: An Aufwärtsbewegungen von Aktien sind Anleger zu zwei Drittel beteiligt, an Abwärtsbewegungen nur zu einem Drittel.
Die Besonderheit dieser festverzinslichen Wertpapiere besteht in der Zusatzoption, die Anleihe in einem bestimmten Zeitraum in eine vorher festgelegte Anzahl Aktien umwandeln zu können. Das wichtigste Merkmal ist aber das asymmetrische Kursverhalten, also die Kombination aus garantiertem Rückzahlungspreis (Kapitalschutz) und Kurspotenzial. Denn über das Wandlungsrecht kann der Anleger an steigenden Kursen der unterliegenden Aktie partizipieren. So sind es seit rund drei Jahren vor allem die Aktienkursgewinne, die bei Convertibles zu guten Renditen führten. Auch das bisherige Anlagejahr 2015 verlief für Wandelanleihen- Investoren erfreulich. Entsprechende Portfolios weisen bis Ende Juni Kurssteigerungen von rund drei bis fünf Prozent auf - je nach Strategie von defensiv bis offensiv. Die jüngsten Kursverluste der Aktienmärkte wirkten sich aber auch auf Convertibles aus. Dabei zeigte sich wieder einmal der gewünschte Schutzmechanismus, und die Kurskorrekturen bei den Wandlern fielen im Schnitt um zwei Drittel geringer aus als die bei Aktien.
Aus diesem asymmetrischen Kursverhalten der Wandelanleihe ergibt sich zusätzlich ein von Anlegern häufig wenig beachteter Effekt. Die Asymmetrie ist gleichbedeutend mit einer Timinghilfe und entspricht einer Anlagestrategie, die Verluste begrenzt und Gewinne laufen lässt. Schwierige Investmententscheidungen werden dem Investor dadurch teilweise abgenommen. Der Wandler reduziert sozusagen "selbstständig" das Aktienexposure bei fallenden Märkten und erhöht es bei steigenden Börsen. Für die äußerst angenehme Eigenschaft der Asymmetrie beziehungsweise der Timinghilfe ist selbstverständlich ein Preis zu zahlen. Denn Wandelanleihen verzeichnen gegenüber gewöhnlichen Anleihen eine niedrigere Verzinsung sowie einen - allerdings nur leichten - Zeitwertverfall, wenn sich an der Börse nicht viel tut.
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Doch wie sieht es bei Wandelanleihen mit Gefahren durch die im Herbst erwartete Zinswende aus? Denn schließlich verfügen auch Wandler wie normale Anleihen über einen Kupon. Allerdings besteht eine deutlich niedrigere Zinssensitivität. Zum einen gilt: je höher die Zinsen, desto höher der Wert des Wandelrechts. Das ist von Vorteil. Zum anderen ist das Umtauschrecht von Nutzen. Denn Wandelanleihe-Investoren haben nicht nur das Recht, die Aktie zu erhalten, sondern sie veräußern gleichzeitig die Anleihe. Aufgrund ihrer Konstruktion und dieses Ablaufs können Wandler einen Kursverlust aus steigenden Zinsen bei gleichzeitig positiven Aktienmärkten vermeiden.
Insbesondere Wandler mit einer durchschnittlichen Restlaufzeit von bis zu drei Jahren reagieren deutlich weniger auf Zinserhöhungen als andere Anleihegattungen. Das belegen allein seit 1999 fünf Perioden mit steigenden Zinsen. Jedes Mal konnten Wandler nicht nur eine Rendite erwirtschaften, sondern erzielten zudem auch eine Outperformance gegenüber deutschen Staatsanleihen und globalen Unternehmensanleihen sowie viermal gegenüber globalen Hochzinsanleihen. Das gilt auch im jüngsten Fall, als die Rendite der zehnjährigen US-Staatsanleihen beginnend im Mai 2013 rasant von 1,7 auf drei Prozent anstieg.
Wegen all dieser Gründe sind Wandelanleihen eine attraktive Beimischung im Depot. Und auf lange Sicht liefern sie Erträge, bei denen selbst viele Aktieninvestments nicht mithalten können.
Beat Thoma
Thoma, Jahrgang 1963, ist Chief Investment Officer und Mitglied der Geschäftsleitung bei der auf Wandelanleihen spezialisierten Fisch Asset Management mit Sitz in Zürich. Er arbeitet seit dem Jahr 2000 bei dem Unternehmen. Fisch Asset Management gehört zu den weltweit führenden Anbietern von Anlagelösungen im Bereich Wandelanleihen. Das Unternehmen wurde 1994 von Kurt Fisch und Pius Fisch gegründet.