Warren Buffett ist wegen der nachhaltigen Rendite seiner Investments an der Wall Street hoch angesehen. Doch auch hinsichtlich des Timings der Investments genießt die US-Investorenlegende einen ziemlich guten Ruf. Das jüngste Lieblingsobjekt Buffetts: Aktien von US-Ölkonzernen. Das Finanzgenie stockte seine Position an Chevron im ersten Quartal massiv auf. Daneben kaufte Buffett kürzlich für 582 Millionen Dollar weitere Papiere von Occidental Petroleum. Seit Monaten sammelt der Value-Investor wie besessen Aktien des Konzerns. Der Anteil der Holding Berkshire Hathaway ist inzwischen auf 17,4 Prozent gestiegen. Analysten mutmaßen bereits, dass eine komplette Übernahme anstehen könnte.

Buffetts Gier nach Ölaktien hat gute Gründe. Auch nach dem jüngsten Anstieg sieht der Leiter der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, die Öl- und Gaspreise in den kommenden Jahren weiter auf hohem Niveau. Das liegt laut Birol am komplizierten Übergang zu sauberen Energiequellen. Zwar werde mehr in grüne Technologien investiert, um den Klimawandel zu bekämpfen und die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas zu reduzieren. Doch reiche das alles noch nicht aus, um fossile Brennstoffe zu ersetzen.

Zu beobachten ist der Trend längst im breiten US-Index S & P 500. Die besten Performer der vergangenen zwölf Monate sind fast ausnahmslos Öl- und Erdgaskonzerne. Devon Energy und Occidental Petroleum stehen an der Spitze, beide Kurse haben sich verdoppelt.

Das Plus der US-Player

Der Vorteil der US-Unternehmen: Sie haben nicht nur gigantische Ressourcen im Land, sondern auch Zugang zu den modernsten Such- und Fördertechniken - einschließlich Fracking. Hinzu kommt: Die US-Bundessteuer ist mit 21 Prozent im internationalen Vergleich recht moderat. Selbst einschließlich der Steuern auf Bundesstaatenebene ergibt sich ein moderater maximaler Steuersatz von im Schnitt 25,8 Prozent.

Vor allem der Anstieg der Kraftstoffpreise beschert den Öl- und Gasfirmen unerwartete Gewinne. US-Branchenprimus ExxonMobil prognostizierte soeben für das zweite Quartal bis zu 18 Milliarden Dollar Gewinn statt bis dahin erwarteter 13 Milliarden - es wäre der höchste Profit seit 25 Jahren. Die Einnahmen des gesamten Sektors werden 2022 wohl vier Billionen US-Dollar erreichen, mehr als das Doppelte des Fünfjahresdurchschnitts, so Birol. Der IEA-Chef forderte die großen Öl- und Gasproduzenten auf, die "einmalige Gelegenheit" zu nutzen, um die massiven Gewinne in den Übergang zu sauberen Energien zu stecken.

Die US-Verbraucher hingegen leiden. Der Preis für eine Gallone Sprit tendiert Richtung sechs Dollar, das sind über 50 Prozent mehr als im Januar. Die Demokraten unterstellen den Ölfirmen Profitgier. In einem Brief an sieben Energiekonzerne betonte Präsident Joe Biden, übermäßige Margen würden "den Schmerz" für die US-Verbraucher "verschärfen". Er forderte sie auf, mehr Sprit in den Raffinerien herzustellen.

Fakt ist: Die Vereinigten Staaten haben seit 2019 sechs Prozent ihrer Raffineriekapazität verloren. Viele Anlagen wurden umgebaut, um neue Produkte wie Diesel aus Pflanzenöl herzustellen. Andere schlossen dauerhaft, weil sie defizitär waren und kein Ausweg in Sicht war. Das Weiße Haus gab Ende Mai aus dem nationalen strategischen Ölvorrat die Rekordmenge von einer Million Barrel pro Tag für die nächsten sechs Monate frei. Damit will es die grassierende Ölinflation, die durch den Krieg in der Ukraine weiter angeheizt wurde, dämpfen. Außerdem verhandelt Biden mit anderen Förderstaaten, um das Angebot wenigstens etwas zu stärken.

Der hohe Ölpreis ist auch eine Spätfolge der Pandemie. Besonders das Jahr 2020 war bitter für die Branche. Flugzeuge ruhten in der Wüste, Schiffe lagen im Hafen, Autos staubten in Garagen ein - entsprechend wenig Sprit wurde verbraucht. Der Preis für das Fass Öl der US-Sorte WTI wurde kurzfristig sogar negativ, weil die Lager voll waren und im April 2020 kaum jemand den Rohstoff haben wollte. Viele Konzerne kämpften ums Überleben. Covid-19 halbierte den Wert von Fracking-Firmen. Die Chefs von Exxon und Chevron berieten bereits vertraulich über eine Fusion. Doch beide Konzerne stürzten in eine schwere Krise, der Plan scheiterte.

Auch die Förderkapazitäten wurden in der Folge stark verringert. Seit 2020 hat sich die Zahl der Bohrtürme in den USA mehr als halbiert. Es war aber auch eine gute Zeit, um günstig angeschlagene Firmen zu kaufen: Die Nummer 2 der USA, Chevron, machte im Juli 2020 fünf Milliarden Dollar für Noble Energy locker. Auch die kleinere Devon Energy aus Oklahoma City war mutig und kaufte im September 2020 für 2,6 Milliarden Dollar den Konkurrenten WPX Energy. Das fusionierte Unternehmen nahm sich vor, 575 Millionen Dollar jährlich einzusparen. Dank der Übernahme fördert der Konzern inzwischen 575 000 Fass Öl am Tag, davon stammen fast 70 Prozent aus dem Delaware-Becken, das zwischen West-Texas und dem südlichen New Mexico liegt.

Devon-Chef Rick Muncrief senkte zugleich die Verwaltungskosten um 13 Prozent, baut weiter Schulden ab. Der harte Umbau lohnt sich: Der Öl- und Gasförderer nahm im ersten Quartal 1,3 Milliarden Dollar freien Cashflow ein, das war ein neuer Unternehmensrekord. Der Quartalsgewinn lag bei knapp einer Milliarde Dollar. Und der Börsenwert verdoppelte sich binnen Jahresfrist auf 40 Milliarden Dollar.

Fusionswelle rollt

Immer mehr Deals kommen zustan- de. Die texanische Pioneer Natural Resources schnappte sich im April 2021 für 6,2 Milliarden Dollar den Nachbarn DoublePoint Energy. Ein paar Monate zuvor kaufte Pioneer-Chef Scott Sheffield die texanische Parsley Energy für 4,5 Milliarden Dollar, die sein Sohn Bryan mitgegründet hatte. Im November verkaufte Pioneer all seine Assets im Delaware-Becken an die ebenfalls börsennotierte Continental Resources für 3,25 Milliarden Dollar in Cash.

Auf dem Höhepunkt der Pandemie griff auch der große US-Förderer ConocoPhillips zu. Die Amerikaner kauften inmitten des Ölpreisverfalls die Schieferölfirma Concho Resources für 9,7 Milliarden Dollar. Eine halbe Milliarde Dollar Einsparungen versprachen die beiden Konzerne. Im Gegensatz zu Exxon und Chevron, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken und selbst Tankstellen mit Shops betreiben, ist ConocoPhillips reiner Sucher und Förderer des schwarzen Goldes. Conoco zählt zu den weltgrößten Ölkonzernen, obwohl sich der Vorstand vor zehn Jahren vom Raffineriegeschäft trennte. Zur börsennotierten Abspaltung Phillips 66 gehört auch das europäische Tankstellennetz von Jet. Die Aktie von ConocoPhillips ist trotz klarer Ausrichtung günstig. Womöglich zählt auch dieses Papier bald zu Buffetts Lieblingen.

INVESTOR-INFO

Devon Energy

Goldene Dividende

Der Konzern produziert Öl, Erdgas und Flüssiggas, also LNG. Devon Energy Chef Richard Muncrief kauft zu, will den Ausstoß weiter steigern. Geld ist dank des reichlich sprudelnden Cashflows zur Genüge vorhanden, allein im ersten Quartal flossen 1,3 Milliarden Dollar zu. Der Verwaltungsrat baute das Aktienrückkaufprogramm um 25 Prozent auf zwei Milliarden Dollar aus. Die Aktie wird nur mit dem siebenfachen Gewinn bewertet. Zuletzt wurde die Dividende um fast ein Viertel angehoben, es könnte Sonderausschüttungen geben.

Occidental Petroleum

Buffett ist drin

Warren Buffett stockte kürzlich seine Beteiligung auf. Sein Anteil steigt, Übernahmegerüchte machen die Runde. 2019 half Buffett, Occidental die Übernahme von Anadarko Petroleum zu finanzieren. Seither erhielt Buffett Vorzugsaktien, die besonders hohe Dividenden ausschütten. Zudem bekam er Bezugsrechte. Die hohen Geldflüsse nutzt das Management, um Schulden zu tilgen. Günstig.

ConocoPhillips

Glasklar ausgerichtet

Der Riese hat mit die niedrigsten Produktionskosten in der Branche. Auch 2020 kassierte ConocoPhillips als einer der wenigen Förderer einen positiven freien Kapitalfluss. Der Konzern sichert seine Öl- und Gasproduktion nicht mit Hedges ab, wodurch es in diesem Jahr im vollen Umfang von den steigenden Energiepreisen profitiert. Im laufenden Jahr will der Vorstand über Dividenden und Aktienrückkäufe zehn Milliarden Dollar an die Aktionäre zurückgeben. Attraktiv.