Grünen-Co-Chef Robert Habeck sagte, es müsse nach Brücken gesucht werden. Die SPD beanspruchte für sich, die nächste Bundesregierung anzuführen, Kanzlerkandidat Olaf Scholz will mit Grünen und FDP eine "sozial-ökologisch-liberale Koalition" bilden. Aber auch CDU-Chef Armin Laschet kündigte an, mit Grünen und FDP sondieren zu wollen. "Keine Partei kann aus diesem Ergebnis einen klaren Regierungsauftrag ableiten", sagte Laschet.
Habeck sagte, es gehe jetzt darum, alle Möglichkeiten auszuloten und Gemeinsamkeiten zu finden. Mit der FDP werde dies aber nicht einfach. In der Sozial- oder Wirtschaftspolitik seien beide Parteien weit auseinander. "Da treffen Welten aufeinander." Bei Bürgerrechten und in der Innenpolitik gebe es aber Gemeinsamkeiten. Mit Blick auf eine mögliche Koalition betonte Habeck für die Grünen: "Die Nähe zur SPD ist nun wirklich größer als zur Union." Das Wahlergebnis vom Sonntag gebe eine gewisse Logik vor, weil die SPD vor der Union liege. Das müsse ernstgenommen werden, sei aber noch keine finale Lösung. Es sei aber vergleichsweise sicher, dass FDP und Grüne in die nächste Regierung kämen. Hier müsse nun nach Wegen gesucht werden, wie Brücken gebaut werden könnten.
Ähnlich äußerte sich FDP-Chef Lindner. Zwischen FDP und Grünen gebe es einerseits die größten inhaltlichen Unterschiede, andererseits hätten sich beide Parteien aber am stärksten gegen den Status quo der großen Koalition gewandt, sagte Lindner. Es gelte daher zu prüfen, ob aus FDP und Grünen ein "fortschrittliches Zentrum" einer neuen Koalition werden könne. Danach sei die FDP offen für eine Einladung von CDU/CSU und SPD zu weitergehenden Gesprächen. Zweifel äußerte Lindner allerdings erneut an der Bildung einer Ampel-Koalition. Es fehle ihm die Vorstellungskraft, welche Angebote Scholz der FDP machen könne, die zugleich auch auf Begeisterung der SPD-Linken Kevin Kühnert und Saskia Esken stoßen würden. Er bekräftigte, mit der FDP werde es keine höheren Steuern und kein Aufweichen der Schuldenbremse geben.
"SICHTBARER AUFTRAG"
SPD-Kanzlerkandidat Scholz sagte, neben seiner Partei hätten auch Grüne und FDP bei der Wahl gewonnen. "Und deshalb ist das der sichtbare Auftrag, den die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes formuliert haben", unterstrich Scholz. "Diese drei sollen die nächste Regierung führen." Er ließ allerdings offen, in welchem Format nun erste Gespräche und Sondierungen geführt werden sollen. "Wir wollen vertrauensvoll mit denen reden, mit denen wir uns zusammentun wollen." Laut Parteikreisen soll für die SPD ein sechsköpfiges Team erste Gespräche führen: neben Scholz die Parteivorsitzenden Esken und Norbert Walter-Borjans, Generalsekretär Lars Klingbeil, Fraktionschef Rolf Mützenich und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Laschet sagte, er habe die Rückendeckung von CDU-Präsidium und -Bundesvorstand bekommen, mit Grünen und FDP ein "Zukunftsbündnis" zu schmieden. CSU-Chef Markus Söder sagte in München: "Ich könnte mir vorstellen, dass man mit Jamaika einen Aufbruch formuliert." Allerdings wäre ein solches Bündnis ein Spagat für alle Beteiligten. In der Sitzung der CDU-Gremien räumte Laschet laut Teilnehmerkreisen persönliche Fehler ein. "Wir werden dieses Ergebnis analysieren und unbedingt aufarbeiten, nicht nur in den Gremien, sondern unter Beteiligung der Kreisverbände und der Basis - und zwar unabhängig von einer möglichen Regierungsbildung", betonte Laschet demnach. Er wisse, dass er einen persönlichen Anteil an der Niederlage habe.
Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis ging die SPD mit 25,7 Prozent als stärkste Kraft aus der Wahl hervor. CDU/CSU erreichten 24,1 Prozent. Die Grünen kamen auf 14,8 Prozent, die FDP auf 11,5 Prozent. Für die AfD stimmten 10,3 Prozent. Die Linkspartei erhielt zwar nur 4,9 Prozent, zieht aber durch den Gewinn von drei Direktmandaten auch mit Listenkandidaten in den Bundestag ein. Bei der Sitzverteilung kommt die SPD demnach auf 206 des insgesamt 735 Sitze umfassenden Bundestages, die Union auf 196 Sitze, die Grünen 118 Sitze und die FDP auf 92 Sitze. Die AfD belegt 83 Mandate, die Linke 39. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) erhält nach einer Sonderregel einen Sitz.
rtr