Die deutsche Bauindustrie erwartet für das Bauhauptgewerbe in diesem Jahr aktuell eine nominale Stagnation des Umsatzes. Dies würde real einen Rückgang von drei Prozent bedeuten, so der VDMA Baumaschinen und Baustoffanlagen und der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) in einer gemeinsamen Pressekonferenz vergangene Woche. Die Verbände wiesen zwar darauf hin, dass die Aussagekraft von Prognosen derzeit recht eingeschränkt sei. Doch wenn es bei den minus drei Prozent bleibe, wäre im Vergleich zu anderen Branchen insbesondere die Baustoffindustrie damit von den Pandemie- und Lockdown-Folgen erstaunlich wenig betroffen.

Spurlos wird die Rezession an der Baubranche - und damit auch an den Herstellern von Baustoffen - freilich nicht vorübergehen. "Im Dezember 2019 waren wir noch von einem nominalen Umsatzplus für 2020 von 5,5 Prozent ausgegangen", erklärte Dieter Babiel, Geschäftsführer des HDB, Ende April bei der Vorstellung der Konjunkturindikatoren für die Bauwirtschaft. In den ersten zwei Monaten des Jahres war der Umsatz der Branche nominal noch um 12,6 Prozent (real: plus 8,9 Prozent) gestiegen. Gestützt werden solche Zahlen etwa vom Ergebnis des Agrarhandelskonzerns Baywa, der auch im Baustoffvertrieb tätig ist. Demnach wuchs der Baywa-Umsatz im Segment Bau im ersten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 16,8 Prozent auf gut 334 Millionen Euro. Die milde Witterung am Jahresanfang habe die Tätigkeit auf den Baustellen gefördert.

Kommunale Aufträge stocken

Doch Babiel warnte, dass Januar und Februar noch nicht einmal zehn Prozent der gesamten Jahresbauleistung ausmachen würden, die Bedeutung der zwei Monate deshalb vergleichsweise gering sei. "Die Baubetriebe sind zwar mit einem sehr hohen Auftragsbestand in das neue Jahr gestartet, wir befürchten aber, dass dieser zunehmend abschmilzt. Als Gründe nennt er Baustellenschließungen, einen hohen Krankenstand, zunehmende Kosten aufgrund eines höheren Aufwands bei der Organisation sowie fehlende Lieferungen von Material. Die wegen Grenzschließungen ausbleibenden Nachunternehmer oder Bauarbeiter vor allem aus Ost- und Südosteuropa beeinträchtigen die Branche ebenfalls.

Auch das plötzliche Ausbleiben von Ausschreibungen der deutschen Kommunen für Bauaufträge, wichtige Treiber im Geschäft, sind wohl Corona-bedingt. Knapp sechs Prozent der jüngst vom Branchendienst "baustoffmarkt-online.de" befragten Unternehmen gaben an, dass in ihrer Kommune eine Haushaltssperre verhängt wurde. Und bei mehr als der Hälfte der Unternehmen gehen sowohl öffentliche als auch private Auftragseingänge zurück. Hier lässt sich nur mutmaßen, dass entweder die Amtsstuben derzeit zu spärlich besetzt sind, um die Aufträge für die nötigen Investitionen der Städte und Gemeinden paragrafenkonform anzubieten. Oder es wird aufgrund der zu erwartenden sinkenden Steuereinnahmen bereits bei den Ausgaben auf die Bremse gedrückt.

Die großen international tätigen Bau- stoffkonzerne wie LafargeHolcim, ansässig in der Schweiz, die deutsche HeidelbergCement oder Cemex mit Sitz in Mexiko bekamen im ersten Quartal die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie schon zu spüren. Vor allem in Asien, wo alle drei Konzerne stark vertreten sind, war der Absatz von Zement und Baustoffen rückläufig. In anderen Regionen wie Nord- und Südamerika wurden die Lockdown-Maßnahmen allerdings erst später ergriffen. Inwiefern das die Nachfrage trifft, ist noch unklar. Doch immerhin stimmte die Erholung des Bauwesens in China im April die Branche wieder etwas zuversichtlicher. Denn: Sobald es irgendwo Wachstum gibt, ist die Baustoffbranche sofort mit dabei.

Staatliche Konjunkturhilfen

So ist auch die Aktie des Zementherstellers HeidelbergCement von den Analysten der DZ Bank sowie der UBS jüngst als Kauf empfohlen worden. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben den Konzern wegen seiner internationalen Ausrichtung im ersten Quartal zwar erheblich getroffen. Doch weil staatliche Aufträge für Infrastrukturprojekte rund um den Globus als probates Mittel zur Konjunkturförderung angesehen werden, sollte HeidelbergCement in der zweiten Jahreshälfte einer der Profiteure solcher Hilfen sein. Selbst wenn weitere Kursaufschwünge noch auf sich warten lassen, ist das Papier für defensive Anleger interessant, denn die Baden-Württemberger bieten aktuell eine Dividendenrendite von mehr als sechs Prozent.

Auch wenn Anleger in Deutschland den sogenannten Home Bias eigentlich vermeiden und global breit streuen sollten, bieten die heimischen Kurszettel weitere attraktive Baustoffwerte. Die südbadische Sto etwa ist führend im Geschäftsfeld Wärmedämmverbundsysteme und Fassadenfarben. In diesem Jahr lockt neben der Dividende noch ein Sonderbonus. Allerdings behält sich das Management vor, diesen Vorschlag je nach Entwicklung der Märkte durch Corona noch anzupassen.

Die in Feldkirchen bei München beheimatete Steico ist ebenfalls im Dämmstoffgeschäft. Das Besondere: Ihre Bauprodukte basieren auf nachwachsenden Rohstoffen. Das passt bestens zum immer stärker werdenden Trend klimaneutrales Bauen. In den zwei Steico- Werken in Polen werden Holzfaserdämmmatten hergestellt, ebenso Doppel-T-Elemente aus Holz fu¨r den Innen- ausbau oder Fertigelemente für den Dach- und Deckenbau. 2019 stieg der Steico-Umsatz um 11,5 Prozent.

Ähnlich wie Sto und Steico ist das österreichische Unternehmen Wienerberger mit seinen Ziegelprodukten zwar international unterwegs, aber auch stark im handwerklichen Bausegment vertreten - und damit eben unabhängiger von der Konjunktur bei den großen Bauprojekten weltweit.

Selbst wenn es beim Neubau von Büros und Wohnhäusern in Deutschland und Europa Rückgänge geben wird, haben alle drei Unternehmen den Vorteil, dass ihre Produkte auch bei der Sanierung oder beim Ausbau bestehender Gebäude gefragt sind. Interessant ist bei allen die Dividende: Wienerberger etwa hat sie auf 60 Cent je Aktie angehoben. In zinslosen Zeiten ohne große Kurssprünge ist schon eine attraktive Dividendenrendite ein Kaufargument.
 


INVESTOR-INFO

Wienerberger

Primus bei Ziegeln

Gut abgesichert dürfte der österreichische Dachziegel- und Kanalrohrhersteller Wienerberger im 200. Jahr seines Bestehens durch die Corona-Krise kommen. Die Produktpalette wurde erweitert, etwa um Kunststoffrohre. 2019 fiel ein Umsatz von rund 3,5 Milliarden Euro an. Wienerberger ist der weltweit größte Ziegelhersteller, in Osteuropa führend bei Betonsteinen.



Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 24,00 Euro
Stoppkurs: 12,00 Euro

Sto

Mit Fassaden herausgeputzt

Sto ist führend im Geschäftsfeld Wärmedämmverbundsysteme, bietet Fassadenelemente, Putze und Farben. 2019 machte das Familienunternehmen damit 1,4 Milliarden Euro Umsatz, gut fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Auch das Konzern-Ebit erhöhte sich um diesen Prozentsatz. Zur Hauptversammlung am 10. Juni soll zur Basisdividende von 31 Cent wieder ein Sonderbonus von 3,78 Euro je Aktie ausgezahlt werden.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 112,00 Euro
Stoppkurs: 74,00 Euro

Baustoff Branche

Profiteure staatlicher Hilfen

Bei großen internationalen Baustoffherstellern wie Saint-Gobain macht sich die Nachfrageschwäche durch die Pandemie stärker bemerkbar als bei Firmen der zweiten Reihe. Doch ob China, Europa oder die USA - große staatliche Bauaufträge für Infrastruktur gelten als Klassiker zur Ankurbelung der Binnenkonjunktur. Die Aktien bleiben interessant.

Baustoffe Top 5

Name Sitz Umsatz in Mrd. $
Saint-Gobain Frankreich 49,3
China National B. China 33,0
CRH Irland 31,6
LafargeHolcim Schweiz 28,1
Daikin Industries Japan 22,1

Stand: 2018