Mit dem am Mittwoch in Karlsruhe veröffentlichten Grundsatzurteil des BGH wurden zwei britische Aktienhändler rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung und Beihilfe zur Steuerhinterziehung verurteilt. Aber auch die beteiligte Hamburger Privatbank Warburg muss 176 Millionen Euro an die Staatskasse zahlen. Das höchstrichterliche Urteil gilt als richtungsweisend, denn immer noch beschäftigen zahlreiche Cum-Ex-Fälle die Justiz, insgesamt geht es um Milliardensummen.

Die Verteidiger hatten argumentiert, die Geschäfte seien wegen einer Gesetzeslücke nicht strafbar gewesen. Das bewertete der BGH aber anders. Die Angeklagten hätten vorsätzlich gehandelt und die Geschäfte nur betrieben, um die Finanzämter zu Steuererstattungen zu veranlassen. Es habe sich um vorsätzliche Steuerhinterziehung gehandelt. "Eine Lücke gab es hier nicht", sagte der Vorsitzende Richter Rolf Raum. Die Taten, die zwischen 2007 und 2011 von den Angeklagten verübt wurden, seien auch nicht verjährt.

Bei Cum-Ex-Geschäften ließen sich Anleger eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden mit Hilfe von Banken mehrfach erstatten. Dazu verschoben sie um den Stichtag der Dividendenzahlung herum untereinander Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch. Zahlreiche Banken sind deswegen ins Visier der Ermittler geraten, wiederholt gab es Durchsuchungen bei Geldhäusern und Anwaltskanzleien.

"Das Urteil bleibt ohne wirtschaftliche Auswirkungen für die Warburg Bank, denn schon im Jahr 2020 hat sie alle von den Steuerbehörden wegen der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte gegen sie geltend gemachten Steuerforderungen beglichen", teilte das Geldhaus mit.

LINKE - DER STAAT MUSS AUFRÜSTEN GEGEN STEUERBETRÜGER


Grünen-Chef Robert Habeck forderte strukturelle Konsequenzen. "Es braucht handlungsfähigere Institutionen und mehr Einsatz gegen Steuertricks, Steuerbetrug und Steuerraub", sagte er der "Rheinischen Post". Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi warf der Bundesregierung vor, noch nicht alle Schlupflöcher geschlossen zu haben. "Bisher haben es Bundesregierung und Aufsichtsbehörden nicht geschafft, Cum-Ex-ähnliche Gestaltungen endgültig zu unterbinden. Wir brauchen daher einen automatisierten, IT-gestützten Abgleich zwischen Anträgen auf Erstattung von Kapitalertragssteuern und gezahlten Kapitalertragssteuern." Staatsanwaltschaften und Ermittlungsbehörden müssten mehr Personal bekommen, um die Fälle aufzuklären. Der Finanzexperte Konrad Duffy von der Nichtregierungsorganisation Finanzwende sagte, es gebe erst drei strafrechtliche Urteile gegen Cum-Ex-Täter und nur eine Gefängnisstrafe, aber noch über 1000 Beschuldigte. Insofern sei das BGH-Urteil ein wichtiges Zeichen.

Das SPD-geführte Bundesfinanzministerium teilte mit, sich durch die BGH-Entscheidung bestätigt zu sehen. "Die Bundesregierung hat bereits vor Jahren mit mehreren Gesetzen steuerliche Regelungen geschaffen, um Cum-Ex-Modelle zu unterbinden. Zudem hat die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um auch neue Steuerbetrugsmodelle zu verhindern." Beispielsweise gelte seit Anfang Juli die Pflicht zur größeren Transparenz bei grenzüberschreitenden Steuerpraktiken. "Das ist ein wichtiges Instrument zur Aufdeckung von missbräuchlichen Gestaltungen zur Steuervermeidung beziehungsweise Steuerhinterziehung. Im Bundeszentralamt für Steuern hat das Bundesfinanzministerium zudem eine Sondereinheit eingerichtet, um die Betrugsfälle aufzuarbeiten und neuen Steuerbetrugsmodellen schnell einen Riegel vorzuschieben."

Das Landgericht Bonn hatte im März 2020 in einem Pilotverfahren die zwei britischen Aktienhändler Markus S. und Nicholas D. zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Tatsache, dass sie im Prozess ausgesagt und wesentlich zur Aufklärung beigetragen hatten, wertete das Gericht dabei als strafmildernd. Das Landgericht verfügte auch die Einziehung der Gewinne aus den illegalen Geschäften. Neben der Warburg Bank wurde der Angeklagte S. zur Zahlung von 14 Millionen Euro verurteilt. Dagegen hatten sowohl die Angeklagten als auch die Warburg Bank Revision eingelegt, die am Mittwoch aber im Wesentlichen erfolglos blieb.

rtr