"Im Unterhaus gibt es eine deutliche Mehrheit gegen eine Ausstieg ohne Deal", sagte Premierministerin Theresa May. Nun müsse diese Verpflichtung auch umgesetzt werden. Zudem brachte das Parlament einen längeren Verbleib in der EU ins Spiel - allerdings unter bestimmten Bedingungen. Großbritannien will die Staatengemeinschaft bislang in gut zwei Wochen am 29. März verlassen. Das Pfund legt nach der Abstimmung zum Dollar zu und erreicht den Höchststand des Tages.

Die EU-Kommission erklärte umgehend, dass ein Abschied ohne schwere Verwerfungen nicht durch ein Votum, sondern nur durch die Annahme des Brexit-Abkommens sichergestellt werden könne. In der EU wächst insgesamt angesichts der Blockadehaltung in London der Unmut und die Ratlosigkeit. Der Vertrag sei die "einzige Möglichkeit" für das Vereinigte Königreich, die EU in geordneter Weise zu verlassen, sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier im EU-Parlament vor der Abstimmung. Nun müssten die Briten bald sagen, was sie wollen, um den Brexit-Deal zum Abschluss zu bringen, sagte Außenminister Heiko Maas. "Denn die Zeit läuft aus." Er beschrieb das Votum vom Mittwochabend als "Signal der Vernunft".

Allerdings hatten die Abgeordneten in London genau den über Monate ausgehandelten Vertrag am Dienstagabend mit großer Mehrheit abgelehnt. Es war bereits die zweite große Niederlage für Mays Plan. Der von ihr mühsam voriges Jahr ausgehandelte Ausstiegsvertrag wurde bereits im Januar vom Parlament in Westminster zu Fall gebracht. Daraufhin sicherte sie den aufgebrachten Abgeordneten verbindliche Änderungen am Vertragswerk zu. In Verhandlungen in letzter Minute rang sie der EU am Montagabend Zusicherungen in der Frage der Nordirland-Grenze ab.

VERLÄNGERUNG MIT WENN UND ABER



Am Donnerstag soll das Unterhaus nun über eine Verlängerung der EU-Mitgliedschaft abstimmen. Parlamentspräsident John Bercow erklärte, die Regierung wolle die EU-Mitgliedschaft bis 30. Juni ausdehnen. Voraussetzung sei aber, dass das Londoner Parlament das Ausstiegsabkommen bis zum 20. März bestätigt. Ansonsten würden die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel am 21. und 22. März einer Verlängerung wohl kaum zustimmen. Die Zeit bis Ende Juni werde gebraucht, um die nötige Brexit-Gesetze durch das Parlament zu bekommen.

Die übrigen 27 EU-Länder müssen eine Verlängerung einstimmig billigen. Barnier stellte einen Aufschub zuvor in Frage. "Diese Verhandlung verlängern - wofür?" fragte er. "Es ist vorbei." Eine Verschiebung des Brexit-Termins "auch nur um 24 Stunden" sollte es nach Ansicht des Chefunterhändlers des Europäischen Parlaments, Guy Verhofstadt, nur dann geben, wenn das britische Unterhaus seine weiteren Ziele klar darstellt. Der Chef der europäischen Liberalen warnte zugleich, eine Verlängerung über die Europawahl im Mai hinaus würde es Brexit-Befürwortern ermöglichen, die Debatte in Europa an sich zu reißen.

Großbritannien soll die EU nach gut 45 Jahren Mitgliedschaft Ende des Monats verlassen. Bis Ende 2020 ist eine Übergangsphase geplant, in der noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn London vor dem Austritt den Scheidungsvertrag mit Brüssel unterzeichnet.

rtr