Es war ein Leben reich an Dramen. Seine erste Frau starb 1987 an Brustkrebs. Seine zweite Ehe scheiterte. Sein bester Freund starb 2002, als eine von Clines Kohleminen einstürzte und den Freund begrub. 2012 wurde Cline Opfer eines brutalen Erpressungsversuchs: Ein Unbekannter forderte, er solle 13 Millionen Dollar auf ein Offshorekonto überweisen. Hielte er sich nicht daran, würden Mitglieder seiner Familie umgebracht. Der Erpresser, ein gescheiterter Hollywood- Schauspieler, wurde gefasst. Am 4. Juli 2019 stürzte der Hubschrauber von Chris Cline kurz nach dem Start auf seiner Bahamas-Insel Big Grand Cay ins Meer. Alle sieben Insassen waren tot, darunter Cline, seine Tochter Cameron und zwei ihrer Freundinnen. Ein Schock für die USA. Selbst US-Präsident Donald Trump kondolierte der Familie. Der Tod von Chris Cline kam zu einem Zeitpunkt, als er auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Es war das bittere Ende eines dramatischen Lebens - das Leben eines armen Jungen, der bereits mit 15 in Kohleminen unter Tage schuften musste und zum Milliardär und unbestrittenen amerikanischen Kohlebaron aufstieg.

Cline hatte kurz nach der Jahrtausendwende ein Vermögen mit Kohlevorkommen gemacht, die einen hohen Schwefelgehalt aufwiesen. Viele Investoren schreckten damals angesichts der Auflagen der Umweltbehörde vor dieser schmutzigen Energie zurück. Nicht so Cline. Schon sehr früh ahnte er, dass dank neuer Technologien die Kohle in den Kraftwerken von den toxischen Bestandteilen gereinigt werden könne.

Retter der Kohleindustrie


Er hatte recht, wie sich später herausstellte. Seine Firma Foresight Reserves investierte damals zwei Milliarden Dollar in vier Minenkomplexe im Bundesstaat ­Illinois, die bald 20 Millionen Tonnen pro Jahr förderten und damit die produktivsten unterirdischen Bergwerksanlagen in den USA wurden. In Illinois hatte Cline schon fast Heldenstatus, wurde als Retter der dortigen Kohleindustrie gefeiert.

Cline kaufte Docks am Mississippi und baute eine direkte Eisenbahnverbindung zu seinen Minen. Die Kohle konnte jetzt direkt zu den Häfen transportiert und dann auf Frachter nach Europa oder Indien verladen werden. 2014 wurde Foresight an der New Yorker Börse gelistet, zwei Jahre später verkaufte Cline den größten Teil seiner Aktien für 1,4 Milliarden Dollar.

Der Kohletycoon war sich bewusst, dass er angesichts der weltweiten Sorgen um den Klimawandel als Produzent von schmutziger Kohle zu den unpopulärsten Kapitalisten überhaupt gehörte. Er argumentierte stets, dass die Kohle 40 Prozent des globalen Energiebedarfs decke. "Die Menschen haben ein Anrecht auf die billigste Energie, die es gibt", pflegte er zu sagen. Wer wolle schon den armen Menschen in Indien oder China diesen billigen Kohlestrom vorenthalten.

Kohle seit Generationen


Chris Cline kam 1958 in dem Provinznest Beckley im Kohlerevier von West Virginia zur Welt. Bereits sein Großvater hatte in den Minen mit einer Spitzhacke Kohle abgebaut, sein Vater Paul Cline arbeitete als sogenannter Contract ­Miner. Als Chris Cline sechs Jahre alt war, bezahlte ihm sein Vater einen Penny für jeden Sack, den er mit Erde abgefüllt hatte. Mit diesen Säcken wurde unter Tage der Sprengstoff in den Kohleflözen abgedichtet. Als eines Tages die Veranda des Elternhauses einstürzte, war klar, woher die Erde stammte - Chris Cline hatte das Fundament des Hauses untergraben.

Mit 15 begann er, in den Minen zu arbeiten. Er war noch so jung, dass die älteren Kollegen ihn verstecken mussten, wenn die Inspektoren ihre Kontrollbesuche machten. Er wuchs in bitterer Armut auf. 1980, als Chris Cline 22 war, wurde sein Vater am Herzen operiert. Sein damaliger Partner wollte ihn auszahlen und bot ihm 50 000 Dollar. "Mein Vater war einverstanden", erzählte Cline später. Aber der ehrgeizige Sohn, abgehärtet in den vielen brutalen Jahren unter Tage, traute sich zu, härter arbeiten zu können als alle anderen im Revier. "Also sagte ich: Warum kaufen wir eigentlich nicht seinen Anteil?" So geschah es denn auch. Vater und Sohn kratzten jeden Penny zusammen, Chris Cline arbeitete 16 Stunden pro Tag, ohne jemals das Sonnenlicht zu sehen. Er tat alles, um Rechnungen bezahlen zu können.

1990 gründete der rastlose Workaholic sein eigenes Unternehmen, die Cline Group. Sein erster großer Coup war die Pioneer Fuel Mine, die er für eine Million Dollar gekauft und für 17 Millionen weiterverkauft hatte. Seinen Kindern zeigte er gern Fotos aus jener Zeit. Mit dem Gewinn kaufte er sich einen Lamborghini-Sportwagen und eine Jacht. Aber den größten Teil des Geldes investierte er in neue Minen in den malerischen Bergbaugebieten der Appalachen in West Virginia. Seine Geschäftsmethoden waren aggressiv, die Erfolge spektakulär.

Als Chef war er beliebt. Er verbesserte die Arbeitsbedingungen der Arbeiter, führte beispielsweise Klimaanlagen in den Abbaumaschinen ein und führte das System der täglichen Bonuszahlungen in Form von Dollarmünzen ein, die er an die Arbeiter je nach täglicher Fördermenge verteilte. "Ein Mann kann dann nach Hause gehen und die Dollar seiner Frau geben oder sich ein Bier gönnen", sagte Cline. Am Jahresende händigte er seinen Arbeitern Schecks aus, damit sie die Steuerrechnungen bezahlen konnten. "Diese Typen wären für ihn durch dick und dünn gegangen", so ein Mineningenieur, der damals für Cline arbeitete.

Cline begann, Amerikas Kohlegeschäft neu zu ordnen. 2003 verkaufte er seine Minen in den Appalachen und konzen­trierte sich nun auf die Kohleabbaugebiete im Illinois-Becken. Nach dem Börsengang und dem Verkauf von Foresight Energy 2015 zog er nach Kanada, wo er 150 Millionen Dollar in eine neue Mine in der Provinz Nova Scotia investierte.

Trump-Anhänger


Cline war mittlerweile Milliardär und entschlossen, das Leben zu genießen. Er kaufte sich ein großes Anwesen in Beckley, West Virginia, dem Ort seiner Kindheit. Seine Herkunft aber vergaß er nicht: Über den Kamin hängte er seinen ersten Bergarbeiterhelm, den er als 15-Jähriger getragen hatte. Zudem kaufte er die Insel Big Grand Cay auf den Bahamas. Er besaß zudem eine 62-Meter-Jacht mit fünf Wohnräumen und einem eigenen U-Boot sowie mehrere Business Jets. In Palm Beach, Floridas mondänem Prominentenresort, erwarb er eine über 3000 Quadratmeter große Strandvilla. Cline war ein aktiver Unterstützer von Präsident Donald Trump und anderer republikanischer Politiker. 2017 beteiligte er sich mit einer Million an den Kosten von Trumps Amtseinführungsfeier. Der Präsident ehrte ihn in seiner Kondolenzbotschaft als "großen Geschäftsmann", der unvergessen bleiben werde.