Eine Wirtschaft ohne Abgase - so soll Europa im Jahr 2050 aussehen. Doch der Weg bis dorthin ist holprig. Das zeigte sich diese Woche, als das Europäische Parlament wichtige Weichen für das Zwischenziel "Fit for 55" stellen wollte. "Fit for 55" heißt das umfangreiche Gesetzespaket, mit dessen Hilfe die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 Prozent reduziert werden sollen.
Überraschend haben die EU- Parlamentarier am Mittwoch gegen die Ausweitung des europäischen Emissionshandels gestimmt. Sie einigten sich nicht auf eine vorgeschlagene Reform, die vorsah, den Handel mit CO2-Zertifikaten auf die Bereiche Gebäude und Verkehr zu erweitern. Stattdessen verwiesen sie das Gesetz zurück an den Unterausschuss. Ebenfalls zurückverwiesen wurde der Teil über eine CO2-Grenzabgabe. Bei der geht es darum, Importe aus Ländern mit weniger strengen Klimazielen mit einer Art Klimaschutzzoll zu belegen.
Die Diskussionen um den Emissionshandel dürften sich so schnell nicht beruhigen. Zumal von der EU-Kommission ein weiterer kontroverser Vorschlag im Raum steht. Die Kommission will nämlich CO2-Zertifikate, die aktuell in der sogenannten Marktstabilitätsreserve (MSR) geparkt sind, verkaufen. Mit den Einnahmen will sie Investitionen fördern, die dabei helfen, die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu reduzieren.
Ein Plan, der vonseiten der Industrie auf Zustimmung stößt, aber auch viel Kritik auslöst. Wenn Zertifikate aus der MSR in den Markt gepumpt werden, würde dies den Preis der Verschmutzungsrechte tendenziell drücken, so ein Argument. Damit verringere sich der Anreiz für Industrie und Energiewirtschaft, in klimaschonende Technologien zu investieren. Dieses Ziel soll der 2005 eingeführte Handel von Emissionszertifikaten eigentlich verfolgen.
Unternehmen aus den Bereichen Energie und Industrie müssen seither für jede emittierte Tonne CO2 ein Zertifikat nachweisen. Überschüssige Zertifikate können die Firmen auf dem Markt verkaufen. Für eine Verknappung des Angebots sorgt unter anderem die 2019 eingeführte MSR, die Zertifikate vom Markt nimmt, wenn eine bestimmte in Umlauf befindliche Menge überschritten wird.
Sorge vor Eingriffen
Von den Papieren in der MSR sollen nach dem Willen der EU- Kommission Zertifikate im Wert von 20 Milliarden Euro versteigert werden, was bei heutigen Preisen von rund 80 Euro etwa 250 Millionen Papieren entspricht. Die Auswirkungen eines solchen Schritts - sollte er vom Parlament und den Mitgliedsländern gebilligt werden - schätzt Barbara Lambrecht, Rohstoffanalystin bei der Commerzbank, zwar rein quantitativ als eher moderat ein. "Die Zertifikate sollen nicht ad hoc, sondern nach und nach bis 2026 auf den Markt kommen. Und das Volumen ist, verglichen mit den 2,6 Milliarden Zertifikaten, die sich Ende 2021 in der MSR befanden, eher klein."
Es sei eher die Befürchtung, dass eine solche Aktion Türöffner für weitere politische Eingriffe in die MSR sein könne, die Druck auf den CO2-Preis ausübe, so Lambrecht. Langfristig sieht sie die Notierungen der EU-Emissionsrechte aber von einer weiteren Verknappung des Angebots getrieben.
INVESTOR-INFO
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Der Preis für CO2-Emissionsrechte-Zertifikate in der EU dümpelte nach Einführung des Handelssystems 2005 lange Jahre auf niedrigem Niveau vor sich hin. Erst mit der zunehmenden Verknappung der Papiere sprangen die Notierungen an und gingen insbesondere in den vergangen beiden Jahren stark nach oben. Mit einem endlos laufenden Indexzertifikat profitieren Anleger 1:1 von der Entwicklung des Emissionsrechtepreises.