Das Unternehmen aus dem schleswig-holsteinischen Itzehoe hat insgesamt 1,4 Milliarden Euro bei Investoren in Form von Genussrechten eingesammelt. Auf diese Papiere bekommen Anleger Zinsen, im Pleitefall werden sie aber gegenüber vielen Anleihe-Gläubigern nachrangig bedient. Ein Totalverlust des Investments ist somit möglich. Für diese Papiere hatte Prokon unter anderem in Fernsehspots geworben. Ein großer Teil davon dürfte Experten zufolge verloren sein, denn zuerst werden bei einer Pleite bevorrechtigte Gläubiger bedient. Das sind Banken, Arbeitnehmer, die Sozialversicherungsträger und Lieferanten. Der Insolvenzverwalter muss sich erst mal einen Überblick verschaffen, über welche Mittel das Unternehmen verfügt. Prokon selbst verweist auf seiner Internetseite auf Reserven.

WAS MACHT PROKON?

Prokon wurde 1995 von Carsten Rodbertus gegründet. Das Unternehmen mit mehr als 1300 Mitarbeitern betreibt nach eigenen Angaben gut 50 Windparks mit 314 installierten Windkraftanlagen in Deutschland und Polen. Weitere seien im Bau. Finanziert werden die Projekte weitgehend über die eingesammelten Anlegergelder. Die Kürzungen staatlicher Hilfen im Ökostrombereich haben auch die Windpark-Betreiber getroffen. Zum Konzern gehört auch ein Biodiesel-Hersteller in Magdeburg. Zudem finanziert Prokon ein Sägewerk in Torgau, das Holzpaletten produziert.

Auslöser der Schieflage waren massenhafte Kündigungen der Genussrechte durch die Anleger. Die Rückforderungen könne Prokon nicht verkraften, hatte das Unternehmen im Januar mitgeteilt. Bis vergangenen Freitag hatten Anleger Genussrechte von knapp 227 Millionen Euro gekündigt. Das waren 16 Prozent des Kapitals und damit deutlich mehr als die fünf Prozent, die Prokon als verkraftbar bezeichnet hatte.

WELCHE RESERVEN HAT PROKON?

Ende Oktober verfügte Prokon eigenen Angaben zufolge über stille Reserven von 115 Millionen Euro - 37 Millionen davon stecken demnach in realisierten Windparks und 78 Millionen Euro in solchen, die noch gebaut werden. "Da die Prokon Unternehmensgruppe weitgehend auf Bankdarlehen verzichtet, stehen die stillen Reserven im Falle einer notwendigen Veräußerung der Projekte für die Rückzahlung des Genussrechtskapitals zur Verfügung und stellen somit eine zusätzliche Sicherheit für die Genussscheininhaber dar", schreibt das Unternehmen auf seiner Internetseite. Die Bankverbindlichkeiten gibt Prokon per Ende Oktober mit 59 Millionen Euro an.

Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin wird nun einen Kassensturz machen und prüfen, über welche Werte Prokon verfügt. Er wird sich dabei auch einen Überblick über das Firmengeflecht verschaffen und schauen, ob die Angaben in der "Zwischenbilanz" stimmen, wonach bis Ende Oktober 210 Millionen Euro Verluste angelaufen sind, während an die Anleger 330 Millionen Euro Zinsen gezahlt wurden - im Schnitt acht Prozent im Jahr. Allein von Januar bis Oktober 2013 wurden demnach 67 Millionen Euro Zinsen gezahlt.

WIE GEHT ES WEITER?

Auf Basis der Erkenntnisse des Verwalters muss das Amtsgericht Itzehoe über die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens entscheiden. Ob dieses eingeleitet wird, hängt davon ab, ob Insolvenzgründe vorliegen, eine Fortführungsperspektive besteht und die Insolvenzmasse ausreicht, um die Verfahrenskosten zu decken, wie Rechtsanwalt Marc Gericke von der Kanzlei Göddecke erläutert. Kritisch ist dabei voraussichtlich vor allem der erste Punkt: Entscheidend wird sein, ob das Gericht die gekündigten Genussrechte als fällige Forderungen im Sinne der Insolvenzordnung anerkennt. "Dann hätte man einen Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit", sagt Gericke. Sollte das Gericht die gekündigten Genussrechte nicht als Forderungen anerkennen, bliebe als zweiter Insolvenzgrund die Möglichkeit der Überschuldung. Dazu könne derzeit aber niemand etwas sagen, da Prokon keinen testierten Jahresabschluss habe, sagt Verbraucheranwalt Gericke.

Anlegern rät er, abzuwarten und sich über den Fortgang des Verfahrens zu informieren. Denn erst wenn das Insolvenzverfahren eröffnet ist, können Forderungen angemeldet werden. "Wir gehen davon aus, dass Insolvenzverfahren in ein bis zwei Monaten eröffnet wird", schätzt Gericke.

Reuters