Auslöser dieser Verkäufe seien die Mitschriften der jüngsten Beratungen der US-Notenbank Fed, sagte Anlagestratege Michael Hewson vom Brokerhaus CMC Markets. "Was die Märkte scheinbar auf dem falschen Fuß erwischt hat, war die Diskussion um eine Reduzierung der Bilanz, also den Entzug von Liquidität."
Die Diskussion um das sogenannte Quantitative Tightening (QT) deute darauf hin, dass die Inflation der Fed-Führung größere Sorgen bereite als gedacht, sagte Neil Wilson, Chef-Analyst des Online-Brokers Markets.com. "Es ist noch nicht so lange her, da sahen sie Zinserhöhungen frühestens 2024 und QT wurde nicht einmal erwähnt."
BOND-RENDITEN ZIEHEN KRÄFTIG AN
Um ihre Wertpapierbestände abzubauen, kann eine Notenbank das Geld aus auslaufenden Anleihen nicht mehr reinvestieren oder aktiv verkaufen. Vor diesem Hintergrund flogen Staatsbonds aus den Depots. Dies trieb die Rendite der richtungweisenden zehnjährigen US-Treasuries auf ein Neun-Monats-Hoch von plus 1,751 Prozent. Ihre deutschen Pendants rentierten mit minus 0,033 Prozent so hoch wie zuletzt vor gut zweieinhalb Jahren.
Am Aktienmarkt gerieten vor allem Technologiewerte unter die Räder. Der europäische Branchenindex steuerte mit einem Minus von bis zu 3,5 Prozent auf den größten Tagesverlust seit dem Kursrutsch nach dem Auftauchen der Omikron-Variante des Coronavirus Anfang Dezember zu. Eine steigende Inflation und höhere Zinsen entwerten Experten zufolge zukünftige Gewinne dieser wachstumsstarken Firmen. Die Aussicht auf eine straffere Geldpolitik machte auch die "Anti-Inflationswährung" Gold unattraktiver. Das Edelmetall gab rund ein Prozent auf 1790 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) nach.
Portfoliomanager Carlos de Sousa vom Vermögensverwalter Vontobel bezeichnete die aktuellen Kursreaktionen jedoch als überzogen. "Die Tatsache, dass sie Quantitative Tightening diskutieren, bedeutet nicht, dass sie es auch tun werden."
UNRUHEN IN KASACHSTAN TREIBEN ÖLPREIS
Aufwärts ging es dagegen mit dem Ölpreis. Die Sorte Brent aus der Nordsee verteuerte sich um 1,6 Prozent auf 82,12 Dollar je Barrel (159 Liter). Als einen Grund nannte Commerzbank-Analystin Barbara Lambrecht die Unruhen in Kasachstan. "Das Land stemmt derzeit immerhin eine Ölförderung von 1,6 Millionen Barrel pro Tag."
Das mittelasiatische Land ist außerdem der weltgrößte Exporteur von Uran. In Erwartung von Lieferausfällen und Preissteigerungen stiegen Investoren bei Förderern dieses für Atomreaktoren benötigten radioaktiven Materials ein. Der in den USA börsennotierte Global X-Fonds (ETF) auf diese Werte stieg vorbörslich um 1,6 Prozent.
ZUKAUF VON ALD KOMMT BEI ANLEGERN GUT AN
Stark gefragt waren auch die Aktien von ALD, die in Paris zeitweise zehn Prozent zulegten, so stark wie zuletzt vor mehr als einem Jahr. Die Autoleasing-Firma will für 4,9 Milliarden Euro den Rivalen LeasePlan übernehmen. Das Unternehmen verspricht sich von dem Deal eine Verbesserung des Reingewinns um fünf Prozent ab 2024. Die Titel der ALD-Mutter Societe Generale (SocGen) gewannen rund zwei Prozent.
In London drohte den Papieren von Dr. Martens mit einem Minus von bis zu 13 Prozent auf 366,6 Pence dagegen der größte Tagesverlust der Firmengeschichte. Die Investmentbank Goldman Sachs verkaufte nach eigenen Angaben im Auftrag des Finanzinvestors Permira 65 Millionen Aktien des Schuh-Herstellers zu je 395 Pence.
rtr