Der Chef von Deutschlands größtem Bankhaus warnt eindringlich vor der Abhängigkeit europäischer Geldhäuser von ausländischen Instituten. Die Finanzierung der Transformation brauche einen dringenden Kurswechsel, wenn Europas Zukunft nicht in erster Linie von ausländischen Banken abhängig sein will. So reagiert die Deutsche-Bank-Aktie.

Europa braucht zur Bewältigung der gewaltigen finanziellen Herausforderungen der nächsten Jahre nach Ansicht von Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing dringend einen leistungsfähigeren Kapitalmarkt. "Wir brauchen eine 'Agenda 2030' für Europa. Und der allererste Schritt muss sein, dass wir endlich einen echten europäischen Heimatmarkt schaffen", sagte Sewing auf dem 'European Banking Congress' (EBC) in Frankfurt – ein jährliches Treffen von Notenbanker und Finanzmanager.

Kurswechsel angemahnt

Die Finanzierung der Transformation brauche einen dringenden Kurswechsel, wenn Europas Zukunft nicht in erster Linie von ausländischen Banken abhängig sein will, sagte Sewing am Freitag "Keiner sollte diese Gefahr auf die leichte Schulter nehmen", warnte Sewing vor dem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzindustrie.

Die Regulierung nach der Finanzkrise habe sich zu viel auf Stabilität und Verbraucherschutz und zu wenig auf Wettbewerbsfähigkeit und Gewinne fokussiert. "Es wird immer klarer, dass der aktuelle Regulierungsrahmen wenig für die Stärkung der Banken tut", sagte Sewing. "Meine Sorge ist, dass das Pendel zu weit ausschlagen wird."

Umsetzung der Kapitalmarkt-Union stockt

"Leider wird es angesichts des mangelnden politischen Willens oder der fehlenden Einigkeit in der EU selbst im besten Fall viele Jahre dauern, die Kapitalmarkt-Union zu vollenden", sagte Sewing. Bei der Kapitalmarkt-Union geht es im Kern darum, bürokratische Hürden zwischen den einzelnen EU-Staaten abzubauen, um Unternehmen mehr Möglichkeiten zu geben, sich Geld zu beschaffen. Pläne der EU-Kommission für eine Kapitalmarktunion liegen seit September 2015 auf dem Tisch, doch die Umsetzung stockt.

Ohne eine deutliche Steigerung der Investitionen des Privatsektors könne Europa nicht wettbewerbsfähig sein, warnte Sewing. "Wir werden weder die nachhaltige Transformation meistern noch technologisch mithalten können", sagte Sewing. "Deshalb ist es so wichtig, die Kapitalmarkt-Union endlich voranzutreiben, um einen liquiden und attraktiven Markt für in- und ausländische Investoren zu schaffen", mahnte der Deutsche-Bank-Chef, der auch Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken ist.

Lagarde: "Weitere Schocks für Banken"

Die Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, verteidigte unterdessen die starke Regulierung in einem Umfeld geprägt von tiefer Unsicherheit. "Vor einem solchen Hintergrund setze eine Verwässerung der Regulierung die Banken noch weitere Schocks aus," sagte Lagarde.

Die EZB-Präsidentin bekräftigte zudem die Entschlossenheit der Notenbank im Kampf gegen die rekordhohe Inflation. "Wir gehen davon aus, dass wir die Zinssätze weiter anheben werden", sagte Lagarde am Freitag beim 'EBC'. "Letztendlich werden wir die Zinsen auf ein Niveau anheben, das die Inflation rechtzeitig auf unser mittelfristiges Ziel zurückführt." Dieses liegt bei einer Teuerungsrate von zwei Prozent. 

Deutsche-Bank-Aktie hat GD200 geknackt

Bank-Aktien gehören zu den Nutznießern höherer Zinsen, da die Institute dann bei der Vergabe von Krediten mehr Marge erzielen können. Auch das ureigene Geschäft von Banken – die Fristentransformation – könne eine regelrechte Renaissance erleben, schreibt Finanz-Szene. Vor allem Institute, die auf Refinanzierung per Sicht- und Spareinlagen setzen, können in dieser Zeit ihre Kreditmargen steigern.

Die Aktie der Deutschen Bank hat sich seit Oktober deutlich erholt. Vom Tiefstand bei 7,25 Euro kletterte der Dax-Wert zwischenzeitlich bis auf 10,42 Euro und hat dabei auch die 200-Tag-Linie überwunden. Am Freitag pendelt die Deutsche-Bank-Aktie im grünen Bereich bei 10,16 Euro.

Deutsche Bank (WKN: 514000)

Einschätzung zur Deutsche-Bank-Aktie

Die Privatbank Berenberg hat die Einstufung für die Deutsche Bank in der vergangenen Woche auf "Hold" mit einem Kursziel von 11 Euro belassen. BÖRSE ONLINE hält den Wert längerfristig für kaufenswert. Die Aktie der Deutschen Bank dürfte im kommenden Jahr von den Erfolgen der jeweiligen Sanierungen profitieren. Doch das Umfeld bleibt herausfordernd.