Immopreise auf Talfahrt: Empirica-Institut rechnet 2023 mit bundesweitem Preisrückgang von zehn bis 15 Prozent. Wohnkonzerne stoppen Bauprojekte. Von Wolfgang Ehrensberger und Uli Lohrer

Auf dem deutschen Wohnimmobilienmarkt vollzieht sich derzeit eine signifikante Trendwende: Ging es dort mit den Preisen seit einem Jahrzehnt nur nach oben, so sind im vierten Quartal 2022 zum Teil deutlich sinkende Angebotspreise zu beobachten, inzwischen auch in Großstädten.

Laut dem Berliner Empirica Institut zogen die Preise von Eigentumswohnungen in Gesamtdeutschland von Ende 2021 bis Ende 2022 zwar noch um rund 5,2 Prozent an, im vierten Quartal gingen die Wohnungspreise über alle Baujahre gegenüber dem dritten Quartal jedoch um 2,1 Prozent zurück. „Gemessen an den langfristigen Durchschnittswerten sind Immobilien um bis zu 30 Prozent überbewertet“, sagte Empirica-Vorstandschef Reiner Braun gegenüber €uro am Sonntag. „Ich erwarte aber keinen solchen Preisrückgang. Realistisch werden die Immobilienpreise im Jahreszeitraum um rund zehn bis 15 Prozent sinken.“ Ähnlich wie in den 2000er-Jahren würden die Preise danach wohl nominal stabil bleiben. Nach Inflation könne sich aber ein realer Wertverlust ergeben, so Braun.

Wie eine eine in der „FAZ“ veröffentlichte Auswertung des Maklers von Poll für das vierte Quartal ergeben hat, erfasst der Preisrückgang inzwischen auch die deutschen Großstädte. Laut der Auswertung sanken in Frankfurt die Angebotspreise von Wohnungen und Häusern im vierten Quartal im Vergleich zum ersten Quartal um 7,8 Prozent, in München um 7,2 Prozent.

Wohnkonzerne und Häuslebauer spüren enormen Preisdruck

Den zunehmenden Preis- und Zinsdruck spüren unterdessen nicht nur die großen Wohnkonzerne, sondern auch private Immobilienkäufer und Bauherren. Mit den höheren Zinsen haben sich die Kosten für Immobiliendarlehen 2022 vervierfacht. Mussten Immobilienkäufer für zehn Jahre Zinsbindung Anfang 2022 ein Prozent Hypothekenzins zahlen, sind es jetzt vier Prozent.

Deshalb bricht auch das Kreditneugeschäft ein: Laut Bundesbank wurden im März 2022 noch Wohnungsbaukredite in Höhe von 32,2 Milliarden Euro vergeben, im November waren es noch 13,5 Milliarden Euro. Die Branche registriert seit Mitte vergangenen Jahres deutlich weniger Immobilienkäufe.

Vor welchem Dilemma die Bauträger stehen, zeigt wiederum das Beispiel Vonovia anschaulich: "Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen“, sagte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Vielerorts seien solche Mieten aber „völlig unrealistisch“. Um den bundesweiten Bedarf von 700 000 Wohnungen zu decken, seien auch Mieten von acht oder neun Euro nötig. Wegen steigender Baukosten und Zinsen hat Vonovia jetzt angekündigt, sämtliche Neubauprojekte in Deutschland zu stoppen. Der kleinere Konkurrent LEG hatte sein komplettes Neubauprojektgeschäft bereits im November auf Eis gelegt. Mit 565 000 Wohnungen ist Vonovia größte deutsche Immobiliengesellschaft, gefolgt von LEG (166 000).