Das 2012 in Aussicht gestellte OMT-Programm verstoße nicht gegen EU-Recht, erklärte Generalanwalt Pedro Cruz Villalon am Mittwoch in Luxemburg.(AZ: C-62/14) Eine von der EZB und Börsianern befürchtete Begrenzung von Anleihenkäufen würde zudem die Wirksamkeit solcher Maßnahmen durch die Notenbank unterminieren, schrieb der Spanier in seiner Begründung. Gleiches gelte, wenn der EZB der Status eines vorrangigen Gläubigers eingeräumt würde. Die Europäische Zentralbank (EZB) sprach von einem Meilenstein.

Die Einschätzung des Generalanwalts ist für die Richter am EuGH nicht bindend, in vielen Fällen folgen sie aber der Argumentation. Bis zu einem Urteil des obersten europäischen Gerichts vergehen nach den Anträgen in der Regel drei bis sechs Monate.

Die Schlussanträge dürften nach Einschätzung von Experten auch Einfluss auf die Ausgestaltung von weiteren EZB-Maßnahmen haben, die die Notenbank im Kampf gegen die Wirtschaftsflaute und den Preisverfall im Euro-Raum in Aussicht gestellt hat. Die Frankfurter Währungshüter könnten schon am 22. Januar über Staatsanleihenkäufe entscheiden, die im Fachjargon "Quantitative Easing" (QE) genannt werden.

Das Bundesverfassungsgericht hatte die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des sogenannten OMT-Programms an seine Luxemburger Kollegen übertragen und damit juristisches Neuland betreten. OMT zielte auf den möglichen Ankauf von Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten, um die Zinsaufschläge für die Bonds zu drücken und die Länder solvent zu halten. Im Gegenzug müssten die Staaten Reformauflagen erfüllen. Gerade wegen dieser Vorgaben sehen Kritiker darin kein legitimes Instrument der Geld-, sondern der Wirtschaftspolitik, die in dieser Form für die EZB nicht zulässig sei. QE ist dagegen nicht an Reformauflagen geknüpft und die Notenbank kauft in dem Fall gewöhnlich Anleihen aus dem gesamten Währungsraum.

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GENERALANWALT: EZB BRAUCHT WEITEN ERMESSENSSPIELRAUM

Cruz Villalon führte aus, dass das OMT-Programm verhältnismäßig sei, da die EZB kein Risiko einer eventuellen Insolvenz eingehe. Voraussetzung sei aber, dass sich die EZB aus den für einen betroffenen Staat geltenden Reformprogrammen heraushalte. Die EZB ist in Ländern wie Griechenland Teil der sogenannten Troika aus EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds (IWF), die für die Überwachung der Reformauflagen zuständig ist.

Nach Ansicht von Cruz Villalon muss die EZB über einen weiten Ermessensspielraum verfügen, um ihren Aufgaben in der Währungspolitik nachzukommen. "Die Gerichte haben ihre Kontrolle der Tätigkeit der EZB mit einem erheblichen Maß an Zurückhaltung vorzunehmen, da ihnen die Spezialisierung und Erfahrung fehlen, die die EZB auf diesem Gebiet besitzt", heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts zu den Schlussanträgen.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Falle von OMT deutlich gemacht, dass es das Vorgehen der EZB kritisch sieht und ernste Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert. Der Beschluss der EZB im Herbst 2012, notfalls die Gelddruckmaschine anzuwerfen und selbst Anleihen zu kaufen, hatte den Kursverfall der Euro-Staatsanleihen gestoppt. Die Maßnahme löste allerdings heftige Kritik und Klagen von über 35.000 Bundesbürgern aus, unter ihnen der CSU-Politiker Peter Gauweiler und die Fraktion der Linken im Bundestag.

Der Euro fiel zur US-Währung auf den tiefsten Stand seit neun Jahren. Er tendierte am späten Vormittag bei 1,1745 Dollar.

Reuters