Der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz, der am Mittwoch vom Bundestag gewählt werden soll, überraschte bei der Vorstellung der Ministerriege seiner SPD. Der lautstarke Mahner in der Corona-Krise und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wird Gesundheitsminister. "Sicherheit wird in dieser Regierung in den Händen starker Frauen liegen", sagte Scholz mit Blick auf die Ministerinnen für Verteidigung und Inneres, Christine Lambrecht und Nancy Faeser. Die hessische SPD-Chefin ist damit erste Frau als Bundesinnenministerin.

Die designierte Außenministerin und Grünen-Co-Chefin Annalena Baerbock nannte das Ergebnis der Mitgliederabstimmung einen großen Rückenwind. "Das ist ein ziemliches Mega-Ergebnis", sagte die künftige Kultur-Staatsministerin in Kanzleramt, Claudia Roth. "Das heißt, die erwarten ganz viel von uns." In der Ur-Abstimmung vom 26. November bis zum Montag sprachen sich rund 86 Prozent der rund 125.000 Grünen-Mitglieder für den Koalitionsvertrag aus. Insgesamt beteiligten sich 57 Prozent der Mitglieder, die ganz große Mehrheit davon digital. Bei der SPD und der FDP hatten Parteitage bereits am Wochenende zugestimmt.

BAU-RESSORT GEHT AN GEYWITZ - HEIL BLEIBT ARBEITSMINISTER


Bei den Grünen stieß Lauterbachs Nominierung auf Zustimmung. Der Co-Parteichef und künftige Vizekanzler Robert Habeck sprach die Erwartung aus, Lauterbach werde ein hervorragender Minister sein. In der Corona-Krise habe er einen klaren Kurs bewiesen.

Arbeitsminister Hubertus Heil bleibt als einziger bisheriger Minister auch in der neuen Regierung auf diesem Posten. Dieser werde für zwei seiner Herzensanliegen zuständig sein, die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und die Sicherung der Rentenversorgung, sagte Scholz. Die aus Brandenburg stammende 45-jährige SPD-Vizeparteichefin Klara Geywitz, mit der sich Scholz vor zwei Jahren erfolglos um den Parteivorsitz beworben hatte, übernimmt das Bauressort. Die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze rückt an die Spitze des Ministeriums für Entwicklungshilfe. Kanzleramtschef wird der bisherige Finanzstaatssekretär und Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt.

Scholz betonte, dass ihm die Parität in der Riege der Ministerinnen und Minister wichtig sei. Das Bundeskabinett wird acht Männer und acht Frauen umfassen, plus Scholz als Kanzler. Einige der Minister stellten bereits Kernthemen ihrer Arbeit vor. Der 58-jährige Lauterbach, Verfechter eher schärferer Maßnahmen, sagte, die Corona-Pandemie werde länger dauern als viele dächten. Faeser bezeichnete Rechtsextremismus als die größte Gefahr, die sie energisch bekämpfen wolle. Scholz verwies auf die langjährige Erfahrung der Juristin als innenpolitische Sprecherin der hessischen SPD-Landtagsfaktion. Geywitz sagte, dass sie sich neben dem Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr um verstärkten Schutz von Mieterinnen und Mietern kümmern wolle.

UNIONS-KRITIK AN LAMBRECHT


Kritik gab es an der Wahl von Lambrecht als neue Verteidigungsministerin. "Frau Lambrecht ist fachfremd, ist dem eher bundeswehrkritischen linken Lager der hessischen SPD zuzurechnen und hatte damit kokettiert, kein neues Amt in der Bundesregierung anzustreben", erklärte CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul. Scholz betonte die große Erfahrung Lambrechts in der Führung von Ministerien. Sie selbst kündigte eine Modernisierung des Beschaffungswesens an. Die Bundeswehr müsse für die Rekrutierung neuer Mitarbeiter attraktiver werden. Zudem wolle sie eine ständige Überprüfung von Auslandseinsätzen.

Die SPD stellte ihre Ministerriege als letzte der drei Parteien vor. Die Unterzeichnung des Koalitionsvertrages ist für Dienstagvormittag vorgesehen. Danach sollen weitere Personalentscheidungen fallen. Die Fraktionen von Grünen und FDP wollen ihre Fraktionspitzen wählen. Bei den Grünen zeichnete sich eine Doppelspitze aus der bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführerin Britta Haßelmann und der Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge ab. Bei der FDP tritt der Finanzexperte Christian Dürr als Fraktionschef an.

rtr