"Die Bescherung für die deutsche Wirtschaft fällt dieses Jahr aus", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. "Die verschärfte Pandemielage trifft konsumnahe Dienstleister und Einzelhandel hart." Insgesamt bewerteten die Chefinnen und Chefs die Lage ihrer Firmen erneut skeptischer als zuletzt und blickten auch pessimistischer nach vorn.
Damit haben Lieferprobleme, Corona und steigende Preise die Konjunktur weiter fest im Würgegriff. "Der Weihnachtsmann hat diesmal weniger Geschenke für die deutsche Wirtschaft, auch weil nicht alles geliefert werden kann", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe der Nachrichtenagentur Reuters. Rund 82 Prozent der Einzelhändler hätten im sonst umsatzträchtigen Dezember unter Lieferengpässen gelitten. "Beschaffungsprobleme bei Rohstoffen und Vorprodukten haben sich verschärft", sagte Wohlrabe.
WEIHNACHTSGESCHÄFT FÜR VIELE HÄNDLER EINE "KATASTROPHE"
Bei den Dienstleistern brach das Geschäftsklima ein, hier gab der Index zuletzt im April 2020 stärker nach. "Vor allem im Tourismus und im Gastgewerbe stürzten die Umfragewerte ab", hieß es. "Auch der Einzelhandel leidet unter den Corona-Auflagen, es kommen weniger Kunden", sagte Wohlrabe. Am dritten Advent hatte der Handelsverband HDE erklärt, mehr als 70 Prozent der Betriebe blickten mit negativen Erwartungen auf den Endspurt im Dezember. "Das Weihnachtsgeschäft ist in diesem Jahr für viele Händler eine Katastrophe", sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. "Was eigentlich der positive Höhepunkt des Jahres sein sollte, ist jetzt oft ein Loch ohne Boden."
Die Branche kritisiert vor allem die 2G-Regel, wonach nur Geimpfte und Genesene Zutritt in Ladengeschäfte haben. Allerdings kippte das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg die Regel für Niedersachsen. Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, erklärte, man halte dennoch an 2G fest.
Für einen kleinen Lichtblick sorgte das Verarbeitende Gewerbe, wo der Teil-Index des Ifo nach zuletzt fünf Rückgängen wieder stieg. Grund sind bessere Aussichten der Firmen. "Das ist ein Silberstreif am Horizont", sagte Wohlrabe. Inzwischen klagten jedoch sogar acht von zehn Industriebetrieben über Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen.
Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft im Schlussquartal 2021 spürbar an Fahrt verliert, das Ifo-Institut rechnet sogar mit einem Schrumpfen um 0,5 Prozent. Auch die Bundesbank erwartet einen Rückschlag im Winterhalbjahr. "Der Aufschwung verschiebt sich zeitlich etwas nach hinten", sagte Bundesbank-Präsident Jens Weidmann zur neuen Prognose der Notenbank. Sie senkte ihre Schätzung beim kalenderbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2021 auf 2,5 (bisher 3,7 Prozent) und für 2022 auf 4,2 (Juni-Prognose: 5,2) Prozent.
"Aus Sicht der Unternehmen türmen sich die Probleme allmählich zu einer Woge auf, die das Wachstum wegzuspülen droht", sagte DekaBank-Experte Andreas Scheuerle - "Lieferengpässe, Energiepreise, die Delta- und nun auch noch die Omikron-Variante des Coronavirus." Die Inflation greift derweil weiter um sich. So stiegen die Erzeugerpreise gewerblicher Produkte wegen teurer Energie im November um 19,2 Prozent und damit so stark wie seit November 1951 nicht mehr. Die allgemeinen Verbraucherpreise kletterten zuletzt mit 5,2 Prozent so stark wie seit fast 30 Jahren nicht mehr.
Der Inflationsschub hält laut Bundesbank länger an als bisher gedacht. Die Notenbank erwartet 2021 im Schnitt eine - nach einheitlichem EU-Standard berechnete - Inflationsrate von 3,2 (bisherige Prognose: 2,6) Prozent. Im nächsten Jahr dürften die Lebenshaltungskosten um 3,6 Prozent anziehen und damit doppelt so stark wie noch im Juni erwartet. Kräftig gestiegene Energiepreise trieben im November die Inflation auch in der Euro-Zone. Sie kletterte mit 4,9 Prozent (HVPI) auf den höchsten Stand seit Beginn der Erhebung 1997.
rtr