Vor dem Landgericht Frankenthal wird aktuell ein Fall verhandelt, der ein Schlaglicht auf die Inkassobranche wirft: Es geht um die umstrittenen Geschäftspraktiken der Pfälzer Inkassofirma UGV. Die Staatsanwaltschaft hat sie unter anderem wegen Betrugs angeklagt, mehr als 30 Verhandlungstage sind für das Verfahren geplant.
Mit rigiden Geldeintreibermethoden, überhöhten Verzugszinsen und teilweise völlig unzulässigen Kostenforderungen konnte UGV aus kleinen Ursprungsforderungen oftmals unverhältnismäßig hohe Forderungen generieren. Ein offenbar lukratives Geschäft: So hat das Inkassobüro den beiden Gesellschaftern zwischen 2006 und 2010 Anteile am Unternehmensgewinn in Höhe von insgesamt 16,4 Millionen Euro überwiesen.
Wie transparent ist eigentlich das Inkassogeschäft? Welche Kosten sind für eine Inkassodienstleistung angemessen? Inkasso ist kein Randphänomen: Die rund 2100 Inkassofirmen hierzulande bearbeiten jährlich 20 Millionen Forderungen und treiben im Jahr mehr als fünf Milliarden Euro ein. Knapp sechs Millionen Menschen haben schon mal eine Inkassoforderung erhalten, ging aus einer Forsa-Umfrage für Deutschland hervor. Oftmals fühlen sich Empfänger zur Zahlung gedrängt - obwohl 65 Prozent der Betroffenen die Forderung als unberechtigt angesehen haben.
"Inkassoschreiben sind immer ernst zu nehmen - egal ob sie berechtigt oder unberechtigt sind", sagt Birgit Vorberg von der Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen. Die Referentin empfiehlt den Betroffenen, diese Schreiben gründlich zu prüfen. Doch worauf müssen Empfänger achten, und was dürfen Inkassofirmen eigentlich?
Generell gilt: Inkassounternehmen dürfen Schuldner zur Zahlung auffordern, wenn die Forderung unbestritten ist. Hat der Kunde einen Einwand, so ist der Streit gerichtlich zu klären. Inkassofirmen sind da außen vor.
"Zur Zahlung auffordern" - neben schriftlichem ist damit auch telefonisches Inkasso gemeint. Letzteres ist für Schuldner besonders belastend, aber rechtens. Das Inkassobüro darf aber nicht mit Dritten über die Forderung sprechen. Etwa wenn zufällig jemand anderes das Telefongespräch annimmt. Auch Hausbesuche sind erlaubt. Aber die Inkassomitarbeiter dürfen nur zum Ausgleich der Schulden auffordern. Mehr nicht. Mancher Schuldner ist womöglich in Sorge, dass kräftige Männer ihm vor der Tür auflauern, die erst gehen, wenn sie Bargeld erhalten. Doch Inkassomitarbeiter dürfen die Wohnung nur betreten, wenn der Schuldner sie einlässt. Und Wertgegenstände oder Bargeld dürfen sie nicht mitnehmen. "Der Aufbau von Drohkulissen ist leider ständige Praxis vieler Inkassounternehmen", so Vorberg. Der Grund: Die Firmen verdienen oft nur im Erfolgsfall Geld.
Bis zu einem gewissen Grad ist so etwas auch erlaubt, hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt. Die Drohung mit rechtlichen Schritten und Zwangsvollstreckung seien im Rahmen einer Zahlungsaufforderung zulässige Druckmittel, so der BGH.
Nur wer auch offiziell registriert ist, darf Inkasso betreiben. Unter www. rechtsdienstleistungsregister.de lässt sich dies im Internet überprüfen. Und auf den Inkassoschreiben muss die Registrierungsstelle vermerkt sein.
Betrügerisches Inkasso. Häufig jedoch fehlen diese Angaben oder sie sind gefälscht. Verbraucherzentralen betonen, dass solche Fake-Schreiben oft vor Rechtschreibfehlern strotzen. Weitere mögliche Indizien: Angabe ausländischer Konto- und Telefonnummern.
Ist jedoch aus dem ersten Inkassoschreiben eines registrierten Dienstleisters zu erkennen, um welche Forderung es geht, woher sie stammt und wie hoch die Zinsen und Gebühren sind, so spricht einiges dafür, dass die Forderung berechtigt ist. Dennoch beschweren sich Verbraucher oftmals auch dann bei den Verbraucherzentralen - und zwar über die hohen Inkassokosten.
Diese Gebühren sollen zukünftig sinken. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht vorgelegt (siehe Interview). Gerade bei geringen Forderungen sei das Missverhältnis zwischen Aufwand und Höhe der Inkassokosten augenfällig, heißt es in dem Entwurf.
Von der Neuregelung erhofft sich das Ministerium mehr Gerechtigkeit bei den Kosten. Für das Eintreiben von Forderungen bis 500 Euro dürfen die Dienstleister dann als Kostenersatz nur noch 37,80 Euro verlangen - im Regelfall. "Aber zum einen ist das für eine Kleinforderung im Masseninkasso deutlich zu teuer", bemängelt Vorberg von der Verbraucherzentrale NRW. Und zum anderen stört die Verbraucherschützerin, dass Inkassofirmen bei Fällen mit "besonderem Umfang" Beiträge bis zu einer rechtsanwaltlichen Mittelgebühr fordern können: "Da sind wir wieder beim 1,3-Fachen, also bei 70,20 Euro mit Auslagen bei Forderungen bis 500 Euro."
Zudem definiere der Entwurf nicht, was ein "besonderer Umfang" sei, und überlasse diese Einschätzung dem Inkassobüro. Werden Ratenzahlungen vereinbart, entstehen zusätzliche Kosten. Meist knüpfen Inkassobüros hieran dann neue Bedingungen. Dies alles sei auch in dem vorliegenden Referentenentwurf nicht verbraucherfreundlich gestaltet.
Außer Acht lasse der Entwurf zudem den "Komplex der Verfahrensweisen, mit denen Inkassodienstleister ihre Forderungen durchsetzen, etwa mit nicht rechtmäßigen Drohungen", sagt Dörte Busch, Juraprofessorin an der Berliner Hochschule für Wirtschaft und Recht.
Auch aus der Inkassowirtschaft selbst kommt Kritik. Der Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU) wiederum findet die vorgesehene Einschränkung der Inkassokosten als zu drastisch. Sie gefährde den effizienten Forderungseinzug. "So werden die Zahlungsausfälle ansteigen, die in der Konsequenz zu Firmeninsolvenzen führen können", prognostiziert Kay Uwe Berg, Hauptgeschäftsführer des BDIU.
Berechtigte Forderungen müssen bezahlt werden, darüber besteht Einigkeit. Inkasso muss oftmals sein. Doch als Selbstzweck sollte es nicht dienen.
Interview: "Chance nicht genutzt"
Das Hamburger Institut iff hat das Inkassogesetz evaluiert. Geschäftsführerin Sally Peters über den neuen Gesetzentwurf.
€uro: Der Gesetzentwurf will die Inkassokosten in den Griff bekommen. Gelingt dies?
Sally Peters: Die Halbierung der Gebühren auf 0,7 Prozent ist zwar gut, die Gebühren für einfache Inkassoschreiben sind aber noch zu hoch. Zudem orientieren sich die Sätze weiter an Anwaltsgebühren statt am realen Aufwand. Das Masseninkasso ist aber nicht auf eine einzelfallorientierte Beratung ausgelegt.
Schuldner müssen nun über die Inkassokosten informiert werden, bevor diese entstehen.
Grundsätzlich ist eine Hinweispflicht positiv, doch sie erreicht die Verbraucher womöglich nicht. Es besteht das Risiko, dass nur ein Textbaustein ins Kleingedruckte eingefügt wird. Es fehlt eine Regelung, wonach der Gläubiger den Schuldner mindestens einmal selbst mahnen muss, bevor ein Inkassodienst ins Spiel kommt.
Eine Zentralisierung der Aufsicht findet sich nicht im Entwurf. Wie beurteilen Sie dies?
Leider hat der Gesetzgeber die Chance zu einer Umgestaltung nicht genutzt. Es bleibt bei einer Zersplitterung der zuständigen Stellen. Das ist praxisfern.
Inkasso-Check
Welche Gebühren erlaubt sind
Die Kosten, die beim Auftragsinkasso entstehen, muss der Schuldner begleichen. Als Maßstab wird angelegt, was ein Rechtsanwalt nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abrechnen könnte.
Für durchschnittliche Fälle kann ein Anwalt aktuell eine 1,3-fache Gebühr berechnen, sodass bei einer Forderung bis zu 500 Euro eine Gebühr von 70,20 Euro fällig wird. Für diese Gebühr muss ein Anwalt jedoch mehr leisten, als bei einer einfachen Inkassotätigkeit anfällt. So deckt seine Gebühr auch die rechtliche Prüfung eines Anspruchs, Kommentar- und Aktenstudium sowie Verhandlungen mit der Gegenseite ab.
Das typische Inkassomandat hingegen umfasst meist nur das Einpflegen der Daten und die automatisierte Erstellung von Mahnschreiben.
Post von Inkassofirmen setzt die Empfänger meist unter Druck. Verbraucher wissen oft nicht, ob Zahlung und Kosten überhaupt berechtigt sind. Mit dem Onlineangebot "Inkasso-Check" der Verbraucherzentralen erhalten sie eine erste Einschätzung und können Inkassoforderungen kostenlos überprüfen: www.inkasso-check.de