Vor zwei Jahrzehnten war Bildung in China noch das Privileg einer kleinen städtischen Elite. Das hat sich geändert. Im vergangenen Jahr machten 8,2 Millionen chinesische Studenten ihren Universitätsabschluss - mehr als doppelt so viele wie in den USA. Die stark steigende Zahl von Absolventen insbesondere in den Fächern Mathematik, Ingenieur­wesen und Informatik ist gewollt. Die Machthaber in Peking sind hoch motiviert, die geopolitische Rivalität mit Washington für sich zu entscheiden. Wissen ist Macht - im vergangenen Jahr steckte die Regierung 300 Milliarden Dollar in Forschung und Entwicklung.

Die Investitionen zahlen sich aus. Auf den Gebieten künstliche Intelligenz oder Digitalisierung wurden bereits enorme Fortschritte erzielt. "Eine ganze Reihe chinesischer Unternehmen ist in der Topliga angekommen", schreibt Max Zenglein vom Berliner Mercator ­Institut für China-Studien. Sieben der weltweit wichtigsten Batteriehersteller für E-Fahrzeuge, wie die börsennotierten Unternehmen Contemporary Amperex Technology oder BYD (Build your Dreams) Auto Company, stammen aus China. Huawei wiederum ist weltweiter Marktführer für Telekommunikation und bietet unter anderem Mobiltelefone und Tablets an. Vor allem aber ist ­Huawei ein starker Player im 5G-Netzwerkbau.

Spuren im Außenhandel


Die Innovationsoffensive Pekings resultiert in Chancen für Anleger. Seit Jahresanfang hat der ETF iShares MSCI China um 27 Prozent zugelegt. So kurios es klingen mag: Der Handelskrieg macht ausländischen Anlegern klar, wie weit das Land bereits wirtschaftlich entwickelt ist. Der Anteil chinesischer Unternehmen in diversifizierten Portfolios nimmt zu. Doch das alles gefällt ­Washington nicht. Die USA sehen ihre Vormachtstellung in Gefahr.

Noch triumphiert Donald Trump. Die jüngsten Zahlen zur Entwicklung des chinesischen Bruttoinlandsprodukts bestätigen den US-Präsidenten in seinem harten Kurs gegenüber China. Im zweiten Quartal hat sich auf Jahresbasis das Wachstum auf 6,2 Prozent abgeschwächt. Das ist der niedrigste Wert seit 1992. Hätte die Regierung in Peking nicht die Mehrwertsteuer gesenkt, Infra­strukturinvestitionen beschlossen sowie die Kreditvergabe der Banken gelockert, wäre der Rückgang stärker ausgefallen.

Auf die Quartalszahlen reagierten die Aktienmärkte in Shenzhen und Shanghai daher mit leichten Kursgewinnen. Bei Wachstumsraten um die sechs Prozent ist nach Einschätzung der Investoren die politische Stabilität in China weiterhin gewährleistet. Der Handelsstreit birgt dennoch ein erhebliches Risiko für China-Investoren. Im Außenhandel ­zeigen sich deutlich die Folgen der US-Strafzölle. In den ersten sechs Monaten gingen die Exporte in die USA um 8,1 Prozent zurück. Genau das sei sein Ziel gewesen, teilte Trump via Twitter am Montag gut gelaunt mit. Der Rückgang motiviere China, wieder mit den USA ins Geschäft zu kommen.

Der US-Präsident fühlt sich im Recht, der chinesischen Wirtschaft zu schaden. Peking hat seiner Ansicht nach durch unfaire Handelspraktiken, staatliche Subventionen, den Diebstahl geistigen Eigentums und durch Währungsmanipulationen auf Kosten der USA die eigene Industrie gefördert und die heimische Wirtschaft vor unliebsamer Konkurrenz geschützt. Der Überschuss des Reichs der Mitte im Handel mit den USA von 419 Milliarden Dollar im Jahr 2018, aber auch Jobverluste in der US-Automobilindustrie sind in den Augen der US-Administration klare Beweise für Chinas wettbewerbsverzerrende Praktiken.

Auf dem Weltwirtschaftsgipfel in Osaka vor ein paar Wochen einigten sich Trump und Chinas Staatspräsident Xi Jinping auf einen "Waffenstillstand". Die von Trump angedrohte Ausweitung der Zölle liegt seitdem auf Eis. Auch der Bann gegen Huawei wurde vorübergehend aufgehoben. US-Chiphersteller dürfen den Konzern wieder beliefern. Dass beide Seiten den Konflikt nach­haltig lösen werden können, ist jedoch wenig wahrscheinlich. Es gibt zudem erhebliche Zweifel, ob die aktuellen Maßnahmen Trumps das probate Mittel sind, Pekings Streben nach geopolitischer Stärke einzudämmen. Im Gegenteil: Viel spricht dafür, dass das Reich der Mitte als Sieger aus dem Handelskrieg hervorgehen kann.

Alternative Afrika


"Chinas Wirtschaft ist widerstands­fähig und hat bislang noch nicht ihre volle Reife erreicht", sagt Zhou Qiren, Professor an der Peking-Universität. Insbesondere der private Konsum könne weiter wachsen und die Abhängigkeit vom Export reduzieren. Im Juni zogen die Einzelhandelsumsätze im Vergleich zum Vorjahresmonat schon mal um 9,8 Prozent an, rund ein Prozentpunkt mehr, als Analysten erwartet hatten.

Bis 2030 soll der private Konsum 50 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitragen. Aktuell sind es 43 Prozent. Zudem sucht China intensiv nach alternativen Absatzmärkten zu den USA. Fündig wird Peking in Afrika. Der frühere ­Vize-Handelsminister Wei Jianguo ist der Überzeugung, dass Exporte nach Afrika schon in fünf Jahren die Summe von 500 Milliarden Dollar pro Jahr übertreffen werden.

Gleichzeitig ist Peking bestrebt, die Abhängigkeit von US-Importen etwa bei Mikroprozessoren zu reduzieren. Das Ziel mag ambitioniert erscheinen: Bis zum Jahr 2030 sollen 80 Prozent der zur Produktion von künstlicher Intelligenz notwendigen Komponenten in China gefertigt werden. Unmöglich ist das aber nicht. Der von Trump ausgeübte Druck dürfte Peking zusätzlich befeuern, die Wirtschaft umzustrukturieren und die gesteckten Ziele zu erreichen.

Investor-Info

Wirtschaftswachstum
Rückläufig


Chinas Konjunktur verliert an Dynamik. Für das zweite Quartal wurde lediglich ein Plus von 6,2 Prozent auf Jahresbasis erzielt. Das ist der schwächste Zuwachs seit dem Jahr 1992. Ohne Stützungsmaßnahmen wäre der Rückgang noch stärker ausgefallen. Im Jahr 2010 hatte das Bruttoinlandsprodukt der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft noch um mehr als zehn Prozent zugelegt.

Invesco China Focus Equity
Netzaffin


Fondsmanager Mike Shiao investiert in Unternehmen, die "einen Bezug zu China" haben. Die von ihm ausgewählten Aktien notieren in Shenzhen, Shanghai, Hongkong oder New York. Der Internetriese Alibaba ist mit rund neun Prozent am höchsten gewichtet. Zu den Top-Ten-Werten zählt auch das E-Commerce- Unternehmen Vipshop. In den vergangenen fünf Jahren erzielte der Fonds ein Plus von 78 Prozent.

iShares MSCI China A
Bankenlastig


Der von Blackrock aufgelegte Exchange Traded Fund bildet die Wertentwicklung des MSCI China Inclusion Index ab. Im Index notieren 226 Unternehmen. Finanzwerte sind stark vertreten. Eine Reihe von Instituten wie etwa die China Merchants Bank profitiert von der steigenden Kreditnachfrage seitens der Konsumenten. Ihre hohe Kapitalbasis wappnet sie zudem gegen wirtschaftliche Abschwünge. Seit Jahresanfang legte der ETF um 27 Prozent zu.